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Personal > Sonderform der Unternehmensnachfolge

Was eine Übernahmegründung für Vorteile bietet

Anstatt ein Startup aus der Taufe zu heben, kaufte Görkem Göktürk eine bestehende Firma. In den vergangenen fünf Jahren hat der Elektroingenieur den Hersteller von technischem Röntgenzubehör saniert und neu positioniert.

Görkem Göktürk ist Übernahmegründer. Das heißt, er hat ein Unternehmen erworben, war aber zuvor nicht unternehmerisch tätig. In Deutschland gab es im vergangenen Jahr rund 60.000 solcher Übernahmegründungen.

Der 37-jährige Elektroingenieur hatte nach seinem Studium zunächst fast zehn Jahre lang als Entwickler bei Bosch Siemens Hausgeräte (BSH) in Dillingen gearbeitet. „Als Angestellter war ich nicht unglücklich, aber ich wollte immer etwas aufbauen und Verantwortung übernehmen, deshalb habe ich 2013 gekündigt“, sagt Göktürk. Businesswissen hatte er sich wohlweislich durch ein berufsbegleitendes MBA-Studium angeeignet.

„Ich mag Herausforderungen“

Bereits vor seiner Zeit bei BSH hatte der Ingenieur Kontakt zu einem Fabrikanten von Röntgenzubehör aus Augsburg geknüpft. Über die Jahre hinweg wurde klar, dass dessen Kinder sein Unternehmen namens Rego X-Ray nicht übernehmen wollten und er selbst über 70 Jahre alt war. „Es wäre schade gewesen, wenn sein Unternehmen von der Bildfläche verschwunden und dadurch wertvolles Knowhow und viel Potential verloren gegangen wäre“, sagt Göktürk. Auch für sich sah er einige Vorteile: „Ein bestehendes Unternehmen verfügt bereits über einen Kundenstamm, Mitarbeiter und ausgereifte Produkte – man muss nicht bei null anfangen.“ 2014 übernahm er nach etwa einjähriger Vorbereitungszeit das Ruder. Den Kaufpreis finanzierte er zum Teil über Privatdarlehen, da die Kreditanfrage bei der Bank abgelehnt wurde.

Von Anfang an war dem heute 37-Jährigen klar, dass er nicht nur ein Unternehmen übernehmen würde, sondern gleichzeitig einen Sanierungsfall. Rego hatte in den Jahren zuvor den Technologiewandel bei bildgebenden Systemen verpasst und kämpfte seitdem um seine Existenz. Der Umsatz war unter die Marke von einer halben Million Euro gefallen, in der Pipeline befanden sich keine neuen Produkte und der Vertrieb lag am Boden. Von den Angestellten war nur noch eine Hand voll übrig geblieben. „Ich mag Herausforderungen und bin in meinem Leben schon öfters ins kalte Wasser gesprungen“, sagt Göktürk selbstbewusst. Etwas Sicherheit gab dem Unternehmensnachfolger auch, dass sein Vater in der Türkei ebenfalls Unternehmer ist. Zudem hatte er nach seiner Kündigung erste Erfahrungen als Berater in der Industrie gesammelt.

Kundennähe und hohe Zufriedenheit im Fokus

Um Rego wieder zurück in die Erfolgsspur zu führen, setzt er 2014 gleich an mehreren Stellen an. Das erste Produkt, das er neu entwickelt, kommt aus dem Bereich Zahnpflege. „Die Idee dazu hatte ich schon länger und die Abhängigkeit von nur einer Branche ist ohnehin nicht gut, man muss sich diversifizieren“, sagt Göktürk. Aber auch das eigentliche Kerngeschäft baut er aus. Um den Vertrieb wieder anzukurbeln besucht der umtriebige Geschäftsmann internationale Fachmessen. „Seit 14 Jahren war Rego damals nicht mehr auf Messen präsent – viele Kunden dachten, es gibt uns gar nicht mehr“, erzählt der Geschäftsführer.

Auf der Messe eröffnet ihm einer der Bestandskunden, dass er die Rego-Verpackungen nicht schön finde. Göktürk nimmt sich das zu Herzen und frischt sie auf. 2018 bringt das Unternehmen eine neue Linie von Röntgenschürzen auf den Markt, die sich von den bisherigen klassischen Modellen durch eine antibakterielle und thermoregulierende Oberfläche absetzen. Kundennähe und eine hohe Kundenzufriedenheit werden schnell zu den wichtigsten Säulen von Göktürks Strategie. In diesem Jahr stehen ein halbes Dutzend internationale Fachmessen auf dem Terminplan. Zudem entwickelt der Vater eines Kleinkindes einen speziellen Röntgenschutz für Säuglinge.

Zahnpflegeprodukte als zweites Standbein

Der Geschäftsführer ist davon überzeugt, dass der Erfolg wie von selbst kommt, vorausgesetzt man geht auf die Kundenbedürfnisse ein. „Haben wir zufriedene Kunden steigern wir den Marktanteil und damit erhöht sich der Umsatz von ganz alleine“, erklärt Göktürk. 2017 hat Rego seinen Umsatz im Vergleich zum Übernahmejahr 2014 verdoppelt. Mittlerweile beschäftigt das Unternehmen zwölf Mitarbeiter. Die neue Röntgenschürzenlinie „Silver Line“ wurde in diesem Jahr mit dem Designpreis „Red Dot Award“ prämiert. Es geht voran. 2019 will das Unternehmen in demselben Maße wachsen.

Die ursprünglich übernommene Firma ist im Laufe der vergangenen Jahre stetig gewachsen. Der Kern des Geschäfts sind weiterhin die Produktion und der Verkauf von Strahlenschutzbekleidung sowie Röntgenzubehör. Als zusätzliche Standbeine kamen zum einen die Zahnpflegeprodukte hinzu, die vor allem in der Türkei und im Nahen Osten vertrieben werden. Die Produktlinie hat bereits einen signifikanten Anteil am Gesamtumsatz. Um die Maschinenkapazitäten besser auszulasten, stellt Rego auf seinen Maschinen zudem Produkte in Lohnarbeit her. Wichtigster Kunde dafür ist derzeit ein Automobilzulieferer. „Ich habe die Produktpalette horizontal erweitert“, beschreibt Göktürk sein Geschäftsmodell im schönsten Beraterdeutsch.

Die Unternehmensnachfolge hat Görkem Göktürk nie bereut. Den Hype um Startups kann der 37-Jährige nicht nachvollziehen. „Eine Startup-Kultur wie in Kalifornien benötigen wir in Deutschland eigentlich nicht, sie begann schon zur Zeit der industriellen Revolution“, sagt er. Was heute fehle seien vielmehr Menschen, die das Potential bestehender Firmen erkennen und sie in die Zukunft führen.

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