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Personal > Entscheidung Bundesarbeitsgericht

Weiterbeschäftigungsangebot nach fristloser Kündigung ist heikel

Bietet ein Arbeitgeber nach einer fristlosen Kündigung eine Weiterbeschäftigung an, verhält er sich möglicherweise widersprüchlich. Das BAG sprach einem Arbeitnehmer trotz abgelehnter Weiterbeschäftigung Annahmeverzugslohn zu.

Eine fristlose Kündigung mit Weiterbeschäftigungsangebot kann widersprüchlich sein. Wer nicht weiterarbeitet, kann dennoch Anspruch auf Lohn haben.
Eine fristlose Kündigung mit Weiterbeschäftigungsangebot kann widersprüchlich sein. Wer nicht weiterarbeitet, kann dennoch Anspruch auf Lohn haben.Bild: ©Shutterstock

„Ohne Arbeit kein Lohn“, lautet ein Grundsatz im Arbeitsrecht. Ausnahmen gibt es etwa bei Krankheit, Urlaub – oder wenn der Arbeitgeber in Annahmeverzug gerät. „Die Frage, inwieweit der Arbeitgeber einem Arbeitnehmer Annahmeverzugslohn zu zahlen hat, stellt sich in der Praxis insbesondere im Rahmen von Kündigungsschutzprozessen“, sagt Tim Gühring, Rechtsanwalt der Kanzlei Menold Bezler. Erweist sich nämlich eine Kündigung nachträglich als unwirksam, muss der Arbeitgeber im Zweifel Gehalt für die Zeit nachzahlen, zu der das Arbeitsverhältnis vermeintlich bereits beendet war. 

Was sich Arbeitnehmer auf den Annahmeverzugslohn anrechnen lassen müssen, hängt u.a. davon ab, ob sie es böswillig unterlassen, eine zumutbare Arbeit anzunehmen. Über einen speziellen Fall hatte kürzlich das Bundesarbeitsgericht (BAG) zu entscheiden: 

Ein technischer Leiter hatte eine fristlose Änderungskündigung erhalten; sein Arbeitgeber bot ihm an, künftig als Softwareentwickler zu einem um 1.500 Euro niedrigeren Monatsgehalt zu arbeiten. Im Kündigungsschreiben hieß es, im Falle der Ablehnung der Kündigung oder der Annahme des Änderungsangebots solle der Arbeitnehmer drei Tage später zur Arbeit antreten. Dies tat der Arbeitnehmer nicht. Wenige Tage später kündigte der Arbeitgeber ihm erneut, diesmal fristlos und endgültig, aber ebenfalls verbunden mit dem Hinweis, der Arbeitnehmer solle, falls er die Kündigung ablehne, drei Tage später zur Arbeit antreten. Der Arbeitnehmer tat auch dies nicht. Er erhob Kündigungsschutzklage – mit Erfolg. Das Arbeitsgericht erklärte beide Kündigungen für unwirksam. 

Mit seiner Klage machte der Arbeitnehmer auch Annahmeverzugslohn für die Zeit zwischen der fristlosen Kündigung und seinem neuen Arbeitsverhältnis mit einem neuen Arbeitgeber geltend. Er meinte, eine Weiterbeschäftigung beim alten Arbeitgeber (zu geänderten oder auch den ursprünglichen Bedingungen) sei ihm nicht zuzumuten gewesen, weil dieser ihm zu Unrecht mannigfaches Fehlverhalten vorgeworfen und seine Person herabgewürdigt habe. Der Arbeitgeber argumentierte hingegen, es liege kein Annahmeverzug vor, weil der Kläger während des Kündigungsschutzprozesses nicht bei ihm weitergearbeitet habe. 

Das Arbeitsgericht und das Landesarbeitsgericht lehnten einen Annahmeverzugslohnanspruch ab, weil der Kläger nicht leistungsbereit gewesen sei.

Anders das BAG: Es bejahte einen Vergütungsanspruch. Der Arbeitgeber habe sich seit den unwirksamen fristlosen Kündigungen im Annahmeverzug befunden. Weil der Arbeitgeber bei der fristlosen Kündigung die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses für unzumutbar erachtet hatte, spreche nun eine tatsächliche Vermutung dafür, dass er sein Angebot auf die Prozessbeschäftigung nicht ernst gemeint habe. Die Prozessbeschäftigung sei dem Arbeitnehmer angesichts der Vorwürfe auch nicht zumutbar. Dem widerspreche es auch nicht, dass der Arbeitnehmer den prozessualen Weiterbeschäftigungsanspruch geltend machte, denn dies betreffe erst die Zeit nach einem obsiegenden erstinstanzlichen Urteil, wenn also der Arbeitnehmer „rehabilitiert“ in den Betrieb zurückkehren könne.

Nach Ansicht von Arbeitsrechtler Tim Gühring fügt sich das Urteil in die bisherige Linie der Rechtsprechung ein. „Bislang hielt das BAG eine Prozessbeschäftigung auch beim bisherigen Arbeitgeber zwar für regelmäßig zumutbar“, so Gühring, „allerdings prüfte es stets, ob im Einzelfall insbesondere Art und Begründung der Kündigung oder das Verhaltens des Arbeitgebers eine Prozessbeschäftigung unzumutbar machten.“ In der Praxis sollten Arbeitgeber das Angebot einer Prozessbeschäftigung auch deshalb gut abwägen, weil es die Kündigung (versehentlich) unterlaufen kann.

Indes hat die Rechtsprechung in den letzten Jahren auch andere Wege anerkannt, die das Annahmeverzugslohnrisiko senken. „Beispielsweise hat der Arbeitgeber ein Auskunftsrecht gegenüber dem gekündigten Arbeitnehmer betreffend die Arbeitslosmeldung und Vermittlungsangebote der Agentur für Arbeit“, erklärt Tim Gühring. „In einer Klage auf Annahmeverzugslohn müssen Arbeitnehmer unter Umständen nun genauer vortragen, inwieweit ein konkretes Stellenangebot für sie unzumutbar war oder eine Bewerbung erfolglos geblieben ist.“


Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 29. März 2023 - 5 AZR 255/22 - 

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