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Personal > Kommentar zur Arbeitswelt

Wenn Arbeit keinen Spaß mehr macht: Was sich jetzt ändern muss

| Thorsten Giersch

Arbeit ohne Sinn gefährdet Motivation – warum Haltung, Führung und Wertschätzung wichtiger sind als Benefits.

Trauriger Schulbussfahrer vor geschlossenem Imbiss
Im Ruhrgebiet muss ein Imbiss schließen. Ein Busfahrer ringt in der WDR-„Lokalzeit“ um Fassung. Doch die Episode erzählt weniger von Fastfood als von einem Land, in der das Vertraute erodiert und mit ihm das Gefühl von Halt.(Foto: MuM /Ki)

Es gibt immer mehr Berufe, die keinen Spaß machen. Und nun? Vielleicht sollten Arbeit­geber einfach einmal die Anspruchshaltung überdenken. Die Arbeitnehmer übrigens auch. 

08.10.2025 von Thorsten Giersch für Markt und Mittelstand

Es gehört zu den Grundübeln unserer Zeit, dass jeder zu allem eine Meinung haben muss – und die im Zweifel anonym in die Welt posaunt. So war es auch bei Freddy Külpmann, der deutschlandweit als „Frikadellen-Freddy“ berühmt wurde. Ihm lief vor laufender TV-Kamera eine Träne aus dem Auge, als der Imbiss seines Vertrauens schloss und er dort keine Frikadelle mehr bekam. Külpmann weinte nicht nur, weil er eine Gewohnheit verlor. Er hatte noch viel wichtigere Gründe, wie der „Spiegel“ anschließend herausfand, was aber im Internet zunächst niemanden interessierte. Erstmal darüber lustig machen. 

Külpmann weinte an diesem Tag nicht wegen der Frikadelle an sich. Wie sich zeigte, hatte der Fahrer von Reisebussen vor zehn Jahren nach unsäglichen Beleidigungen von Fahrgästen einen Burnout erlitten und wollte eigentlich nie wieder hinters Steuer.

Bis er nach überstandener Therapie das Angebot bekam, einen Schulbus zu fahren – und annahm. Da mag es lauter sein, aber die Kinder gucken nicht durch ihn hindurch, sagen „Guten Morgen, Freddy“. In der Mittagspause hält er sehr oft beim „Frikadellenkönig“. Der Imbiss und die Menschen, mit denen er dort zusammenkam, halfen ihm in seinem zweiten Leben. 

Arbeit ohne Sinn: Was uns der Imbiss-Stand über die Zukunft lehrt

„Brötchen auf, Frikadelle rein. Glücklich“, fasst er zusammen. Doch dieses Glück verschwindet. Nicht wegen Erfolglosigkeit. Nicht wegen künstlicher Intelligenz (KI) oder Strukturwandel, sondern einfach nur, weil der Besitzer des Stands niemanden fand, der ihm half. 

Aus der Geschichte von „Frikadellen-Freddy“ kann man viel lernen: über das vorschnelle Urteilen in unserer Gesellschaft, über die Folgen der demografischen Entwicklung, dass an sich erfolgreiche Betriebe mangels Personals schließen müssen. Aber vor allem die Tatsache, dass unsere Sicht auf Arbeit veraltet ist und wir uns vor einer unbequemen Wahrheit sträuben.

Ein wachsender Prozentsatz an Tätigkeiten macht den Menschen keine Freude mehr. Weil sie keinen Sinn ergeben. Weil unhöfliche Kunden sie schwer erträglich machen. Aber vor allem, weil man abends nichts vorweisen kann. Da herrscht ein Dauerwettbewerb, mehr zu können als der oder die anderen. Aber es gibt immer weniger Jobs, in denen man besser sein kann – allein schon wegen KI. 

Fleiß wird überschätzt und falsch definiert.

Thorsten Giersch, Chefredakteur

Warum Sinn wichtiger ist als Obstkorb und Kickertisch

In der Ära der Bullshit-Jobs ist das, was viele Work-Life-Balance nennen, eine Buzzword gewordene Illusion, um das Elend vieler Beschäftigter pseudoerträglich zu machen. Kein Wunder, dass sich Millionen in Teilzeit flüchten oder vom Geerbten leben.

Arbeitgeber stellen Obstkörbe auf, beschaffen Kickertische, bieten Teambuilding und After-Work-Treffen. Aber viel wichtiger ist tatsächlich das Gefühl, Sinnvolles zu tun. Ob sich das einstellt, hat entgegen der landläufigen Meinung nicht viel mit Produkt oder Dienstleistung zu tun. Es kommt immer auf das Wie an. Wer im Krankenhaus oder Altenheim Stunden mit Zettelwirtschaft verbringt, weil der Laden nicht digitalisiert ist, statt Zeit genug für die Menschen zu haben, der ist unnötig unglücklich. Der Arbeitgeber müsste handeln. 

Die Sache mit dem Spaß hat auch viel mit der Teilzeit-Diskussion zu tun und dem Vorwurf, dass die Deutschen nicht mehr fleißig sind. Wenn jemand wenig Sinn in der Arbeit sieht und mit dem Geld hinkommt, kann es interessanter sein, weniger zu arbeiten und die Zeit anders zu nutzen. Mal abgesehen davon, dass sich unsere Wirtschaft nicht durch mehr Arbeitszeit pro Beschäftigtem retten lässt und die Zahl der bezahlten Arbeitsstunden nicht viel darüber aussagt, wie fleißig ein Mensch ist.

Wenn der Beruf Spaß macht, braucht es keinen Fleiß. Und damit er Freude bereitet, sind drei Dinge nötig:

  • Eine Führungskraft, die sich angemessen verhält.
  • Kunden, die wertschätzen, was man tut – oder zumindest so freundlich zu Verkäufern im Imbiss sind, dass die dabeibleiben und der Laden nicht schließen muss.
  • Und – ganz besonders wichtig – eine eigene Erwartungshaltung, die den Dingen realistisch die richtige Bedeutung gibt.

Menschen haben hier viel mehr Macht, als sie glauben. Und viele Jobs sind sinnvoller, als es scheint. Wer schon den Fehler macht, Arbeits- über Lebensqualität zu stellen, der sollte im Dienst nicht ständig in die Opferhaltung gehen und dem Arbeitgeber jede Verantwortung zuteilen. 

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