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Personal > EU- Hinweisgeberschutzgesetz

Whistleblowerschutz kommt – Betriebe müssen schnell handeln

Seit Jahren wird darüber geredet, wie sogenannte Whistleblower in Unternehmen besser geschützt werden. Jetzt könnte das Gesetz rasch in Kraft treten mit erheblichen Folgen für alle Betriebe ab 50 Mitarbeiter. Längst nicht alle sind darauf vorbereitet.

Edward Snowden ist der bekannteste Whistleblower. Was er tat, soll für Mitarbeiter in Betrieben auch möglich sein.© picture alliance / Kyodo

Jeder kennt das Gefühl: Manchmal schlafen einem die Füße ein und dann braucht es ein paar Sekunden, bis wieder alles richtig durchblutet ist und man loslaufen kann. So in etwas ist es jetzt gerade für Hunderttausende Betriebe in Deutschland beim Thema Whistleblowing: Seit Jahren wird darüber diskutiert, um genau zu sein über die Umsetzung der EU-Hinweisgeberrichtlinie: Kritik, Zurückweisung, Entwürfe kamen nicht durch – viele Firmen lehnten sich zurück und warteten erstmal ab. Doch am Mittwochabend passierte der neue Entwurf der EU-Hinweisgeberrichtlinie den Rechtsausschuss, am Freitag befasst sich der Bundestag damit.

Jetzt kann alles ganz schnell gehen und auf Unternehmen kommen nun – schneller als angenommen – Änderungen zu. Nach Beschlussfassung des Bundestages muss auch der Bundesrat dem Gesetzesentwurf noch zustimmen. Anschließend wird das Gesetz verkündet. Fachleute rechnen damit, dass dies im Laufe des ersten Quartals 2023 passieren wird. Das Gesetz mit der Pflicht zur Einrichtung eines Hinweisgebersystems würde dann drei Monate später in Kraft treten, voraussichtlich also im April oder Mai 2023. Ab dann müssen alle Unternehmen mit mehr als 249 Beschäftigten ein Hinweisgebersystem eingerichtet haben. Kleinere Unternehmen mit mindestens 50 Beschäftigten haben hier noch etwas länger Zeit. Hier gilt diese Pflicht erst ab dem 17. Dezember 2023.

Nur wenige Firmen sind vorbereitet

Vorbereitet sind darauf bei weitem nicht alle Firmen: "Nach unserer Wahrnehmung in der täglichen Beratung haben sehr viele mittelständisch geprägte Unternehmen bislang noch kein oder kein hinreichendes Hinweisgebersystem installiert, da hier oftmals noch Vorbehalte bestehen oder Kosten gescheut werden. Diese Unternehmen werden jetzt schnell tätig werden müssen, um die künftigen gesetzlichen Anforderungen pünktlich zu erfüllen", sagt Florian Block, Partner und Rechtsanwalt bei der internationalen Wirtschaftskanzlei CMS Deutschland.

Ziel des Gesetzes ist, unter anderem Hinweisgeber in Unternehmen zu schützen. Grundsätzlich sei dies nun gelungen, sagt Florian Block und ergänzt: „Die angekündigten Nachbesserungen am Gesetzesentwurf zeigen, dass einige Kritikpunkte am ursprünglichen Regierungsentwurf berücksichtigt wurden.“ Positiv bewertet er zum Beispiel die Vorgabe, dass auch anonyme Hinweise bearbeitet werden müssen. Dies schaffe Klarheit für Hinweisgeber und Unternehmen. Auch aus Compliance-Sicht sei dies positiv zu bewerten, „denn in der Praxis werden Hinweise auf schwerwiegende Verstöße nicht selten anonym gemeldet.“

Auch die beabsichtigten Änderungen zur Schaffung von Anreizen für die Nutzung interner Meldestellen sei aus Unternehmenssicht erfreulich. Denn für Unternehmen ist es von größtem Interesse, dass etwaiges Fehlverhalten zunächst intern gemeldet wird. „Schließlich ist es auch zu begrüßen, dass der Rechtsausschuss die schon im Gesetzesentwurf vorgesehene Einrichtung von Konzernmeldewegen ausdrücklich unterstützt“, sagt Block. In Bezug auf die praktische Umsetzung der Vorgaben erklärt der CMS-Anwalt: „Unternehmen müssen sich vor allem die Frage stellen, auf welchem Weg hinweisgebende Meldungen abgeben werden können.“

Viele Veränderungen sind nötig

Nicht zuletzt aufgrund der nun vorgesehenen Verpflichtung für Unternehmen, auch anonyme Hinweise zu bearbeiten und eine Kommunikation mit anonymen Hinweisgebern zu ermöglichen, dürften althergebrachte Meldewege, wie ein schlichter Briefkasten oder auch eine E-Mailadresse, nicht mehr ausreichen. Der Anwalt rät: „Unternehmen mit mehr als 50 Mitarbeitenden, die bislang über kein Hinweisgebersystem verfügen, sollten nun schnellstmöglich mit der Umsetzung beginnen. Die Erfahrung aus der anwaltlichen Beratung zeigt, dass beim Aufbau eines Hinweisgebersystems viele Fragen geklärt werden müssen und ausreichend Zeit eingeplant werden sollte.“

Außerdem belohnt auch die nahende ESG-Regulatorik, dass Betriebe eine Ombudsstelle für Hinweisgeber einrichten. Ob das intern geschieht oder ein Whistleblowing-Systeme mit externen Ombudsmännern besetzt wird, muss jedes Unternehmen für sich entscheiden. Bei Letzterem werden Meldungen über Fehlverhalten von neutraler Stelle geprüft, wodurch gegebenenfalls „Denunzianten“ Grenzen gesetzt werden, was den Betriebsfrieden sichert und ein möglicher öffentlicher Rufschaden für das Unternehmen abgewendet werden kann.

Unternehmen sollten laut Fachleuten erkennen, dass Whistleblowing für sie sehr nützlich sein. Fachleute empfehlen seit langem, Mitarbeitern eine Anlaufstelle für Meldungen über Fehlverhalten von Kollegen und Vorgesetzten zur Verfügung zu stellen. Experten unterscheiden grundsätzlich zwischen internem und externem Whistleblowing. Beim internen zeigt der Mitarbeiter Fehlverhalten nur im Unternehmen an. Dagegen unterrichtet er beim externen Whistleblowing Dritte, wie etwa Strafverfolgungsbehörden, über echte oder vermeintliche Missstände im Unternehmen.

Auch heute schon sind Mitarbeiter verpflichtet, dem Arbeitgeber drohende Schäden unverzüglich anzuzeigen. Kolleginnen und Kollegen anzeigen muss man allerdings nur bei Verstoßen größerer Reichweite, etwa Diebstahl. Es besteht keine generelle Pflicht, Kollegen zu „verpfeifen“. Stellt jemand über seine Kollegen bewusst oder grob fahrlässig falsche Behauptungen auf, um sie zu Unrecht einer Pflichtverletzung zu bezichtigen, kann dies zu seiner fristlosen Kündigung führen. Der Missbrauch des internen Whistleblowings stellt eine erhebliche Störung des Betriebsfriedens dar. Diese kann – je nach Schwere der Pflichtverletzung – mit einer Abmahnung oder Kündigung sanktioniert werden.

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