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Personal > Kolumne

Wie behalte ich Kontrolle über meine Mitarbeiter im Home-Office?

In Zeiten von Corona sind Teams oft nur noch digital miteinander vernetzt. Manch eine Führungskraft fürchtet nun, die Kontrolle zu verlieren. Diplom Psychologin Susanne Spieß rät zu einer klaren Kommunikation.

Die Klientin, die neulich meinen Rat suchte, antwortete auf die einfache Frage nach ihrem Gemütszustand: Ihr falle es schwer bei ihren vielen Mitarbeitern im Home Office, Kontrolle abzugeben. Das ist nicht überraschend. Schon immer haben viele Führungskräfte ein schwieriges Verhältnis zum Home Office. Arbeiten meine Leute dort wirklich so effizient wie im Büro? Klappt die Kommunikation? Erreichen wir unsere Ziele? Das sind nachvollziehbare Sorgen, unter Corona-Bedingungen erst recht.

Noch schwieriger für alle Beteiligten wird es aber, wenn die Angst vor vermeintlichem Kontrollverlust bei dem Chef, der Chefin überhand nimmt. Dahinter verbergen sich oft mangelnde Klarheit und Vertrauen bei ihm oder ihr selbst. Ein Beispiel aus meiner Praxis: Eine Frau mit vielen Jahren erfolgreicher Führungstätigkeit war meist gut mit ihren Routinen und ihrem Führungsstil gefahren. Doch seit einem Jahr führte sie ein neues Team und vieles – fast alles – war plötzlich anders. Auf einige im Team konnte sie sich einfach nicht verlassen. Daher musste sie abends und am Wochenende mehr und mehr Arbeit mit nach Hause nehmen. Obwohl sie genau das nie hatte einreißen lassen wollen.

Sie tröstete sich, ihren Mann und ihre Kinder damit, dass diese zusätzliche Belastung nur übergangsweise so sei. Nur so lange, bis das neue Team aus ihr nachgeordneten Führungskräften "auf Spur" laufe und in ihrem Sinne agieren würde. Sie wolle endlich das Gefühl bekommen, diesen Leuten vertrauen zu können! Dann würde sie wieder richtig delegieren, Verantwortung abgeben und selbst freier sein können! Diese Führungskräfte bräuchten eben noch eine Weile bis sie soweit waren – so ein bis zwei Jahre. Der Gesichtsausdruck ihres Mannes dabei lässt sich leicht ausmalen. Er begann sich gedanklich auf "Quasi-Single – alleinerziehend" einzustellen. Die Lage wurde nicht besser und sie suchte Rat.

Sagen, was Sache ist

Ich bat sie: Stellen Sie die Frage, die sie gerade am meisten beschäftigt, doch ihrer inneren Führungskraft. Spontan antwortete sie: "Wie kann ich Vertrauen zu meinem neuen Führungs-Team aufbauen um endlich Entlastung zu haben?" Und was würde Ihre eigene innere Führungskraft Ihnen raten? Ihre ehrliche Antwort: "Wie lange willst du noch darauf warten, dass dein Führungsteam dir deine Wünsche und Vorstellungen von den Augen abliest? Du erwartest, dass diese Menschen ganz von selbst in deinem Sinne führen. Wenn sie anders, als du erwartest hast, agieren oder entscheiden, stellst du die Vertrauensfrage." Es kristallisierte sich heraus, dass sie zwar glaubte, ihrem Team ihre Erwartungen und Entscheidungsspielraum klar kommuniziert zu haben. So war es aber nicht.

Sie ließ sich auf ein Experiment ein. Mein Vorschlag lautete: Formulieren sie gegenüber Ihren Mitarbeitenden zwei Wochen lang ganz klar, was Sie erwarten. Zum Beispiel: "Wenn es so weit kommt, dass eine Entscheidung im Raum steht, sagen Sie: Ich bespreche das im Team und teile Ihnen dann übermorgen unsere Entscheidung mit." Oder in Bezug auf das Thema "Führungsstil": "Ich möchte, dass sie Kritik unter vier Augen äußern." Danach ging sie gedanklich verschiedene Führungssituationen der letzten Wochen durch und überprüfte sich selbst: War sie exakt gewesen, transparent, lesbar?

Meistens nicht – gestand sie sich ein. Sie plante die nächste Woche, die Kontakte und Absprachen mit ihrem Führungsteam vor. Sie machte sich konkrete Stichpunkte zu einzelnen Aufgaben, die sie delegieren wollte und entschied, was sie konkret und beschreibend vorgeben, und wo sie wem welchen Spielraum lassen wollte. Interessanterweise bemerkte sie bereits dabei, wie ihr Vertrauen zu wachsen begann. Sollte es ihr tatsächlich an Klarheit und Transparenz gemangelt haben? Wie hatte ihr Führungsteam das empfunden?

Ihr fiel auf, dass es in der Vergangenheit verschiedentlich Nachfragen gegeben hatte, die sie mit einem "das müssen Sie selbst wissen, dafür sind Sie ja da" – oder ähnlichen Floskeln abgetan hatte. Dann machte sie sich an ihre "Führungs-Hausaufgaben" und setzte ihr Vorhaben, besser zu kommunizieren, Stück für Stück um. Nach sechs Monaten war sie überzeugt, im Großen und Ganzen ein Führungsteam zu haben, auf das sie sich verlassen konnte. Die Mitglieder ihrer Führungsriege gaben ihr das Feedback, dass sie sich nach dem schwierigen Start mit der Chefin freuten, dass sich die Dinge jetzt besser eingespielt hätten. Sie sage nun klar, was sie wolle und was nicht. Dazwischen sei genug Freiraum zum Agieren. Mein Rat an alle mit Angst vor Kontrollverlust, wenn die Mitarbeitenden im Home Office arbeiten: Gönnen Sie sich mehr Klarheit über Ihr Handeln und Ihrer Ihrem Team mehr Vertrauen. Sie selbst profitieren davon am meisten.

Susanne Spieß ist Diplom Psychologin und Institutsleiterin am IPOS Institut für Personalförderung und Organisationsentwicklung in Ditzingen.

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