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Personal > Personalentwicklung

Worauf es bei Weiterbildung ankommt

Um zukunftsfähig zu sein, muss der Mittelstand Weiterbildung neu denken. Wie das geht und welche Fehler dringend abgestellt werden müssen.

Zu viele Informationen: Massenhaft ­Neues abzukippen, ist nicht gefragt. ­Gezielte Weiterbildung hilft den Mitarbeitern und dem Unternehmen.
Zu viele Informationen: Massenhaft ­Neues abzukippen, ist nicht gefragt. ­Gezielte Weiterbildung hilft den Mitarbeitern und dem Unternehmen.© grmarc/Kraphix/Shutterstock.com

Die Geschichte von Thomas Rienhöfer, 36, zeigt, was Weiterbildung bewirken kann: Er ist einer, der beim Logistikunternehmen Fiege „in der Fläche arbeitet“, wie es hier heißt. Angefangen hat er mit dem Ausladen von Lkw und dem Einladen von Ware in die Regale. Doch er wollte mehr, die Prozesskette in der Gesamtheit begreifen. Das Problem bestand darin, dass diese Prozesse im Zuge der Digitalisierung hochgradig komplex geworden sind. Ständig gibt es neue Abläufe, neue Methoden, neue Tools – die Automatisierung hat in der Logistik erheblich zugeschlagen. Menschen wie Rienhöfer sehen darin eher eine Chance als ein Risiko. Und sein Arbeitgeber unterstützt ihn dabei – mit zeitgerechter Weiterbildung. Rienhöfer heißt anders. In einem Artikel erkennbar den Helden zu spielen, passt nicht zu seinem westfälischen Naturell. Und auch nicht zu dem Familienunternehmen, das im nächsten Jahr 150. Geburtstag feiert – und hier nicht den Eindruck erwecken will, einen Einzelnen nach vorne zu stellen. 

Rienhöfer ist einer von vielen, weil das Konzept stimmt. „Wer mehr möchte, ohne seinen Arbeitgeber zu wechseln, hat bei Fiege entsprechende Möglichkeiten“, sagt Claudia Scheins, Head of Learning and Development in dem Logistikunternehmen. „Weiterbildung ist inzwischen eines der wichtigsten Themen für eine Personalabteilung. Wir haben hier richtig viel investiert.“ In Großkonzernen habe sie gelernt, umfangreiche, professionelle Tools zu nutzen, und kombiniere dies nun mit dem Familiengeist, um das Beste aus beiden Welten darzustellen. Ein Beispiel: Software, die sich auf künstliche Intelligenz stütze, könne in der Potenzialdiagnostik ein nützlicher Helfer sein, aber am Ende komme es immer auf den Eindruck des Menschen an. 

Weiterbildung ist von Sonntagsreden ganz nach oben in die operative Agenda gerückt – vom „Kann“ zum „Muss“, denn die Automatisierung der Wirtschaft wird die Arbeitswelt umkrempeln. Dem „Future of Jobs Report“ des Weltwirtschaftsforums zufolge könnten bis 2025 in Industriestaaten bis zu 85 Millionen Berufe wegfallen. Auf der anderen Seite dürften knapp 100 Millionen Arbeitsplätze mit neuen Anforderungsprofilen entstehen. Die Schlussfolgerung: Es war für Staat und Unternehmen noch nie so wichtig, in Weiterbildung zu investieren. Die Berater von McKinsey haben errechnet, dass rund 6,5 Millionen Deutsche in ihrem Berufsleben in den nächsten Jahren ganz neue Fähigkeiten lernen oder komplett umschulen müssen.

Lieber investieren

Grundsätzlich sind alle Branchen betroffen, besonders aber der Automobilsektor, nicht zuletzt wegen der Umstellung auf Elektroantriebe. „An Weiterbildungsaussagen dieser Größenordnung kann ich mich in meiner fast 30-jährigen Erfahrung nicht erinnern“, sagt Holger Schmenger, Geschäftsführer der Haufe Akademie. Das Besondere: „In früheren Krisen wurde Weiterbildung sofort stark reduziert. Das ist heute nicht mehr der Fall.“ Unternehmen hätten erkannt, dass es für sie sehr viel schmerzvoller sei, mit fehlenden Fachkräften im Markt zu bestehen, als überschaubar in Weiterbildung zu investieren. 

„Unternehmen müssen ihre Belegschaft fit machen für eine digital vernetzte Zukunft, die von hoher Volatilität geprägt sein wird“, sagt die Bildungsexpertin Yasmin Weiß von der Technischen Hochschule Nürnberg Georg Simon Ohm. Dafür müsse man die Belegschaften trainieren. Das sei eine „ganz wichtige Managementaufgabe“. Die Professorin ist auch in der Unternehmenswelt verwurzelt: Sie ist Gründerin, Beraterin und sitzt in mehreren Aufsichtsräten. „Wir haben ein kraftvolles Narrativ in Deutschland – nämlich das Wirtschaftswunder vor rund 60 Jahren – geschafft. Ich glaube, wir können dasselbe jetzt nochmal schaffen: das Bildungswunder.“ 

Dass wir davon weit entfernt sind, hat mit Strukturen zu tun. Und mit einem Mentalitätsproblem. „Wir sind eine Gesellschaft geworden, die implizit glaubt, dass Bildung kostenlos sein muss“, sagt Weiß. Und viele hätten aus dieser Mentalität abgeleitet, dass auch berufliche Weiterbildung kostenlos für einen selbst sei und in der Arbeitszeit stattzufinden habe. „Davon müssen wir wegkommen.“ Dafür sei der Druck, täglich Neues zu lernen, zu groß. „Ich muss auch in meiner Freizeit und eigenes Geld in Bildung investieren.“ 

Viele Konzerne stecken bereits deutlich mehr Geld in Weiterbildung und haben sie neu strukturiert. Mercedes-Benz etwa investiert bis 2030 gut 1,3 Milliarden Euro in die Aus- und Weiterbildung seiner Beschäftigten in Deutschland. Pro Person sind das 1000 Euro pro Jahr mehr als bisher. Der Wandel zur Elektromobilität und digitalisierter Produktion verändere praktisch alle Stellenprofile, heißt es. Der Monteur wird zur Elektrofachkraft, die Marketing-Fachfrau zur Datenexpertin. Das Gros des Geldes fließt in den Ausbau von Führungskompetenz, also die Entwicklung von Management und Teamleitung. 

Mehr Geld, mehr Abwechsung

Bei Fiege bedeutet Weiterbildung aber eben nicht nur, Führungskräfte der mittleren Ebene zu Toptalenten zu machen und in die Geschäftsführung zu hieven. Die einen lassen sich zu Staplerfahrern ausbilden, die anderen werden zu operativen Leiterinnen oder Teamleitern. Wer in seinem Bereich ausgelernt hat, macht sich dank Weiterbildung fit für eine andere Abteilung. Mal, um mehr zu verdienen, mal für die Abwechslung.

Fiege hat dafür eine eigene Akademie gegründet und nähert sich dem Thema Weiterbildung eben nicht mehr über die Frage „Welches Seminar willst du machen?“ an. Weiterbildung kommt immer aus dem Arbeitsalltag, und die Lernlandschaft liegt im operativen Tun. Die Zeiten, in denen Menschen drei Tage bei schlechtem Kaffee einem Referenten zuhörten und das Thema Fortbildung damit für ein Jahr erledigt war, sind bei Fiege längst vorbei. Der Weg geht über kurze Halbtages- und Eintagesseminare, die in den Arbeitsrhythmus integriert sind und Gelegenheit zum Austausch auch mit Kollegen bieten. Dieser individuelle Angang ist aufwendig und kostet erst einmal Zeit. Gerade bei einem Logistiker, also einer Branche mit traditionell geringen Margen, sei die Diskussion keine leichte gewesen, sagt Fieges Head of Learning & Development Claudia Scheins. „Da überlegt man sich jede Weiterbildungsmaßnahme zwei Mal. Aber es rechnet sich gerade in Zeiten mit knappem Personal auf lange Sicht.“ 

Welchen Bedarf Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben, wird durch umfangreiche Befragungen ermittelt. Diese Datenerhebung ist der eine Schlüssel, die Evaluierung nach den Maßnahmen aber mindestens genauso wichtig. Dabei ist es leicht zu messen, wie zufrieden Mitarbeiter mit ihrer Weiterbildung sind. Kniffliger ist es zu überprüfen, ob Menschen dann auch länger im Unternehmen bleiben, sprich die Fluktuationsrate auch wegen der Weiterbildungsbemühungen sinkt. Auch Führungskräfte werden befragt, zum Beispiel woran sie merken, dass einer ihrer Leute an dieser oder jener Maßnahme teilgenommen hat.

Wichtig ist auch die Frage, welche Fähigkeiten ein Unternehmen in Zukunft braucht. Nach einer Studie der Personalberatung Kienbaum und der Jobplattform Stepstone haben sich damit erst 40 Prozent der Betriebe beschäftigt. Aber es gibt übergreifende Zukunftsfähigkeiten, die für alle gelten, egal ob Marketing, Vertrieb, Einkauf: Jeder braucht ein Grundlagenwissen bei IT-Themen und Schlüsseltechnologien wie künstliche Intelligenz oder Blockchain, sagt Bildungsexpertin Weiß. Sie verweist auf die immer wichtiger werdenden Metakompetenzen wie „die Fähigkeit zu lernen, Fähigkeiten, komplexe Probleme zu lösen und in interdisziplinären Teams zusammenzuarbeiten“. 

Also: Je digital vernetzter die Welt ist, desto menschlicher müssen wir sein. „Sozialkompetenzen werden noch viel wichtiger werden als ohnehin schon“, sagt Weiß. Wichtig sei auch, persönliche Werte zu definieren und seine Empathiefähigkeit zu schärfen. Zur Sozialkompetenz gehöre auch viel Selbstkompetenz, „also seine Grenzen zu kennen und ein Gespür dafür zu entwickeln, was ich brauche, damit es mir gut geht und damit ich ein angenehmer Mitmensch bin“. 

Und was ist mit denen, die keine allzu große Lust aufs Lernen haben? Auch bei Fiege gibt es die: „Übrigens auf jeder hierarchischen Ebene“, gibt Claudia Scheins, ohne zu zögern, zu. Einige kann man nur über das Geld locken. Bei Fiege argumentieren sie beharrlich mit der Zukunftssicherung: „Wichtig ist doch, dass die Menschen ihren Arbeitsplatz auch dauerhaft verstehen und sich irgendwann idealerweise als Profi in ihrem Arbeitsumfeld sehen“, sagt Scheins. Das gehe mit der Sprache los und ende mit komplexen Technologien. „Deutlich wird das auch beim Onboarding neuer Kollegen. Hier helfen schon ganz simple Dinge, ein Video rund um den neuen Arbeitsplatz zum Beispiel.“ Auch Thomas Rienhöfer kann sich an seinen ersten Tag bei Fiege noch gut erinnern. Ihm war schon damals klar: Wenn du hier am Ball bleibst, kannst du richtig was lernen. 

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