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Management > ZF im Krisenmodus

ZF verschärft das Sanierungstempo

Beim Autozulieferer ZF bricht das Geschäft weg. Der Konzern spürt die Absatzflaute in der E-Mobilität. Stellenabbau, Sparkurs und Verkauf des Tafelsilbers sollen die Lage stabilisieren.

Kurz vor Crash: Absatzkrise zwingt ZF zu massivem Stellenabbau und radikalen Sparmaßnahmen. (Foto: ZF)

„Tempo, Tempo, Tempo!“ Mit dieser Devise will ZF-Konzernchef Holger Klein den zweitgrößten deutschen Autozulieferer wieder auf die Erfolgspur bringen. Aktuell hat der Riese aus Friedrichshafen allerdings mächtig an Fahrt verloren. Nach dem ersten Halbjahr liegt der Umsatz 5,6 Prozent hinter dem Vorjahr. Zieht man alle Kosten und Steuern ab, hält sich der Konzern vom Bodensee mit einem Überschuss von 0,2 Prozent oder 45 Millionen Euro noch gerade so über der Wasserlinie. Es herrscht also Alarmstimmung in der Konzernzentrale, denn eine Besserung ist nicht in Sicht. Ein Umsatzeinbruch bis zu zehn Prozent wird für dieses Jahr nicht mehr ausgeschlossen. Dennoch will der Konzern in diesem Jahr 1,7 Milliarden Euro investieren. Bis 2028 sind sogar 18 Milliarden vorgesehen. Im vergangenen Jahr wurden noch mit 16168.700 Beschäftigten 46,6 Milliarden Euro erzielt. ZF plant für 2024 weiter mit einer operativen Marge (Ebit) zwischen 4,9 und 5,4 Prozent für das Gesamtjahr fest, obwohl diese im ersten Halbjahr auf 3,5 absackte. Laut Finanzchef Michael Frick sollen Sparmaßnahmen und Ausgleichszahlungen der Autohersteller für bestellte, aber nicht abgenommene Mengen das Ergebnis verbessern. Über die Höhe dieser Zahlungen schweigt Frick allerdings.

 

Schon Anfang des Jahres hat der Konzern verschiedene Kostensenkungsprogramme angekündigt mit denen in diesem Jahr sechs Milliarden Euro eingespart werden sollten. „Jetzt haben wir noch eins für Deutschland aufgestellt“, so Klein. Im Heimatland betreibt ZF 36 Standorte, in denen insgesamt 54.000 Mitarbeiter beschäftigt sind. Deshalb wurde bereits am Freitag verkündet, dass innerhalb der kommenden dreieinhalb Jahre allein in Deutschland jeder vierte Arbeitsplatz gestrichen werden soll. Damit hat der Vorstand tatsächlich das Tempo drastisch verschärft. Ursprünglich sollten bis 2030 vor allem über Fluktuation und Ruhestand die Zahl der Mitarbeiter reduziert werden.

Deutsche Standorte auf dem Prüfstand

Der Betriebsrat warnte allerdings schon Anfang des Jahres, dass bis zu 12.000 Stellen in Gefahr sind. Das hatte bereits im Frühjahr zu heftigen Protesten der ZF-Belegschaft geführt. Der Betriebsrat instrumentalisiere eine intern gemachte Simulation der Beschäftigungsentwicklung, hieß es seinerzeit vonseiten des Konzerns. Inzwischen werden auch Kündigungen nicht mehr ausgeschlossen. „Wir sehen jetzt klarer“, so Konzernchef Klein während einer Telefonkonferenz mit Journalisten. In vielen Werken werde nur ein Produkt hergestellt und das sei nicht wirtschaftlich. Dies sei eine Folge der Übernahmen des US-Wettbewerbers TRW und des Bremsenherstellers Wabco. Ziel sei es nun, die Standorte in einen Verbund zusammenzufassen. Welche Werke geschlossen und wo Stellen wegfallen sollen, lässt der Konzern weiter offen.
Bei ZF herrscht offenbar Handlungsbedarf, weil sich vor allem das Geschäft mit der E-Mobilität nicht so entwickelt wie erhofft. Der Konzern vom Bodensee hatte ein Auftragsvolumen von 30 Milliarden mit teils sehr aggressiver Preispolitik eingefahren. „Viele große Pkw-Hersteller haben ihre E-Mobilitätsprogramme drastisch gekürzt. Seit Anfang des Jahres um 35 Prozent und sogar bis zu 50 Prozent in den kommenden Jahren“, erklärt Klein den Hintergrund für die drastischen Schritte. Mit 87,9 Millionen Autos liege die weltweite Produktion in diesem Jahr sechs Prozent unter 2023 und sogar 16 Prozent hinter dem Wert von 2029. Das bleibe nicht ohne Folgen für ZF.

Zulieferer geraten in Bedrängnis

Wie viele Aufträge am Ende storniert werden, wollte Klein nicht sagen. Er hofft, dass langfristig doch noch ein Großteil der geplanten E-Fahrzeuge gebaut werden. Für kleinere Zulieferer werde sich die Markt-Entwicklung noch dramatischer auswirken als für ZF. Klein geht davon aus, dass einige Unternehmen vom Markt verschwinden werden: Der Spagat aus hohem Investment und niedrigen Verkäufen stellt vor allem kleinere Unternehmen vor große Herausforderungen.“ Tatsächlich bringt die Absatzkrise in der Autoindustrie immer Mehr Unternehmen in Bedrängnis. Nach einer Erhebung der Beratungsgesellschaft Horváth, planen 60 Prozent der befragten Zulieferer einen Stellenabbau um die Kosten zu senken laut Umfrage in Deutschland einen moderaten Stellenabbau. Das ergaben Einzelgespräche mit Führungskräften von 50 Automobilzulieferern, darunter 35 aus Deutschland.

Der ZF-Chef erwartet auch für die kommenden Jahre eine sinkende Nachfrage nach Autos und schweren Nutzfahrzeugen. Damit weicht er allerdings von den Erwartungen anderer Experten in der Branche ab. „Ich sehe die Dinge eben konservativer“, begründet Klein seine Haltung. Klein will dennoch an der E-Strategie des Konzerns festhalten. Allerdings nicht immer im Alleingang wie bisher. Er könne sich in einigen Bereichen Kooperationen vorstellen. Klein ließ durchblicken, dass auch Unternehmen einzelne Produkte herstellen könnten, die heute noch bei ZF gefertigt werden. Eine Entlastung der Lage sieht Klein, wenn das Verbot von Verbrenner-Motoren gekippt wird. Für diese Modelle fertigt ZF beispielsweise aufwändige Getriebe. Dann würden weniger Stellen wegfallen, so klein. Darum nenne der Konzern auch eine Bandbreite zwischen 11.000 und 14.000 Arbeitsplätzen die in Deutschland abgebaut werden. Die sei eine schwierige Entscheidung, die das Unternehmen langfristig absichern soll, betont Klein: „Wir bleiben ein Stiftungsunternehmen und stehen zum Standort Deutschland.“

Hohe Schuldenlast

Die schwierige Marktlage erschwert eine ohnehin angespannte Finanzlage bei ZF.  Durch die Zukäufe von TRW (2015) und Wabco (2020) lasteten auf dem Konzern Schulden von 10,5 Milliarden Euro. Anfang 2024 waren es noch 500 Millionen weniger. Das Unternehmen muss dafür rund eine halbe Milliarde Euro Zinsen jährlich zahlen. Gleichwohl hält Klein die Zukäufe für die richtige strategische Maßnahme: „Ohne die Übernahmen von TRW und Wabco stünden wir heute viel schlechter da.“ Um Geld in die klamme ZF-Kasse zu bringen soll die mittlerweile ausgegründete Sparte für passive Sicherheit, Lifetec noch in diesem Jahr verkauft oder an die Börse gebracht werden.
Finanzchef Frick wird aber den Stellenabbau auch noch in seinen Büchern als Zusatzbelastung wiederfinden, wenn Abfindungen bezahlt werden müssen, um den ZF-Beschäftigten den Abschied zu versüßen. Der Konzern hat hierzu bereits 200 Millionen Euro zurückgelegt, was aber nicht ausreichen wird. „Über Rückstellungen reden wir erst, wenn wir einzelne Werke und Funktionen identifiziert haben", so Finanzchef Frick.
Die Details der Tempoverschärfung beim Stellenabbau wird bei ZF noch zu heftigen Diskussionen mit der Arbeitnehmervertretung führen. Der Betriebsrat hat bereits am Freitag „erbitterten Widerstand“ angekündigt. Dem Vernehmen nach wurde das Gremium aus im Vorfeld nicht informiert. „Wir kennen auch nur die jetzt veröffentlichten Zahlen“, so ein Sprecher. Wie genau Betriebsrat und IG Metall agieren werden ist noch offen. Große Protestaktionen dürften erst erfolgen, wenn die Mitarbeiter in Großer Zahl wieder aus dem Urlaub zurückgekehrt sind.

 

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