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Zur Binnennachfrage

Die Forderungen werden lauter: Deutschland soll teurer produzieren, damit der Weg für Griechenland nicht so weit wird. So wird vielleicht der Euro gerettet – nur: wie halten wir dann gegen die Asiaten gegen?

Die Eurokrise bringt selbst zwei so unterschiedliche Volkswirte wie den ifo-Präsidenten Hans-Werner Sinn und den früheren Lafontaine-Chefberater Heiner Flassbeck zusammen: Deutschland muss etwas für seine Binnennachfrage tun, die Krisenländer werden es mit Sparanstrengungen allein nicht schaffen. Portugal beispielsweise müsste im Vergleich zu seinen Handelspartnern real um 35 Prozent abwerten, Griechenland um 30 Prozent, um wettbewerbsfähig zu sein. Da da der Euro vor ist, müssten die Löhne und weitere Kosten massiv runter – ein politisches Harakiri. Es kann nur langsam vorwärts gehen. Und wenn Deutschland entgegenkommt. Das heißt, dass wir die Binnennachfrage ankurbeln müssen. Dann werden hoffentlich mehr Produkte importiert, sind die Leistungsbilanzüberschüsse bzw. -defizite in den europäischen Ländern nicht mehr so gravierend.

Da wenig darauf hinweist, dass sich Schäuble trotz Rekordeinnahmen des Staats auf Steuersenkungen einlässt (und eine Steuersenkung wahrscheinlich nur eingeschränkt die Binnennachfrage ankurbeln würde), müsste an der Lohnschraube gedreht werden. Die Griechen werden ein wenig billiger, die Deutschen ein wenig teurer, so nähern wir uns in kleinen Schritten einander an, ohne De- oder Inflationsschock.

Aus volkswirtschaftlicher Sicht mag der Vorschlag sinnvoll sein. Doch er blendet die betriebswirtschaftliche Realität aus.

Konkurrent ist China, nicht Griechenland

Wenn sich deutsche Arbeit verteuert, mag das gut für die Griechen oder Portugiesen sein, da die deutsche Konkurrenz preislich nicht mehr meilenweit enteilt ist. Allerdings blendet das zwei Realitäten aus: Zum einen sind deutsche Produkte nicht in erster Linie wegen ihres niedrigen Preises attraktiv, sondern wegen ihrer Qualität. Nur weil deutsche Maschinen teurer werden, werden weder Deutsche noch Griechen noch Amerikaner oder Inder griechische Maschinen kaufen, weil sie ein bisschen teurer geworden sind. Sie werden koreanische oder chinesische Maschinen kaufen, weil das Preis-Leistungsverhältnis wegen der besseren Produktivität hier besser ist. Griechenlands Konkurrenten sind nicht allein die Deutschen – es sind auch Hersteller außerhalb der Euro-Zone. Das heißt, dass von einer Verteuerung deutscher Produkte Griechen oder Portugiesen wenig profitieren werden, Deutschland aber im internationalen Wettbewerb geschwächt wird, weil der Preisabstand wächst.

Vielleicht macht es in 15 Jahren für den deutschen Hersteller keinen Produktivitätsunterschied, ob er in Deutschland oder in Griechenland produzieren lässt – aber das ist gar nicht die Alternative: Die Frage wird sein, ob er dann überhaupt irgendwo in der Eurozone produzieren lässt, weil die Produktivität außerhalb der Region viel besser ist. Das wird einzig dazu führen, dass Arbeitsplätze aus Deutschland verlagert werden, damit die Angst vor Arbeitslosigkeit steigt und die Konsumlaune wieder abnimmt – keine gute Voraussetzung für eine Ankurbelung der Binnennachfrage.

Konsum in und aus Deutschland

Apropos Binnennachfrage. Grundsätzlich gilt: Steigt die Binnennachfrage durch höhere Löhne, wird sehr wahrscheinlich der Konsum steigen. Das mag gut für die deutsche Wirtschaft sein – aber hilft es auch den Griechen? Gut möglich, dass wir mehr Oliven und Wein kaufen. Auch gut möglich, dass wir mehr Kleidung von Zara kaufen. Allerdings machen Lebensmittel nur noch rund 10 Prozent des deutschen Warenkorbs aus, Bekleidung einschließlich Schuhen nicht einmal mehr 5 Prozent. Beide Anteile sind über die Jahre gesunken. Gestiegen sind hingegen die Anteile von Wohnen und Energieverbrauch, Pflege und Gesundheit, Freizeit und Unterhaltung sowie Telekommunikation. Das heißt, dass Deutsche ihr Geld vor allem für Produkte oder Leistungen ausgeben, die entweder aus der Region kommen (Wohnen, Energie) oder aus Fernost (beispielsweise Unterhaltungselektronik). Von einem höheren Konsum werden die Hersteller in den Krisenländern nur zu einem sehr geringen Anteil profitieren. Wenn unsere Produktionskosten steigen, mag das manchem helfen – den Griechen aber nur ganz am Rande.

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