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Politik > Kommentar

Streit um den Stahl: Soll der Staat jetzt zum Retter der Industrie werden?

| Thorsten Giersch | Lesezeit: 2 Min.

SPD und Länder fordern Staatsbeteiligungen – doch kann Deutschland Stahl retten, ohne sich zu verbrennen?

Metallgussverfahren in Hochofen
Heißes Eisen: Der Streit um die Zukunft der deutschen Stahlindustrie spaltet Regierung und Länder. (Foto: shutterstock)

Der Staat als Retter? Geht manchmal gut, aber auch in der Stahlbranche? Die Diskussion köchelt derzeit hoch, eine leichte Antwort gibt es nicht, aber eine falsche.

von Thorsten Giersch für Markt und Mittelstand

So hitzig wie im Hochofen geht es zwischen den Regierungspartnern noch nicht zu, aber die Zukunft der Stahlhersteller in Deutschland hat das Potenzial, zum Zankapfel zu werden – und viel Staatsgeld zu verfeuern. Die Gemengelage ist auch nicht einfach: Soll und kann Deutschland ohne eine eigene Stahlbranche auskommen, wenn die Unternehmen aufgrund der Rahmenbedingungen hierzulande nicht mehr wettbewerbsfähig produzieren können? Und wenn die Antwort „nein“ lautet: Wie soll die Politik die betroffenen Firmen ideal untersetzen?

Vor allem die SPD und mehrere Bundesländer fordern eine Ausweitung staatlicher Hilfen inklusive Staatsbeteiligungen als Ultima Ratio. „In begründeten Einzelausnahmefällen muss ein staatlicher Einstieg in die deutsche Stahlproduktion eine Option sein“, steht im Positionspapier der SPD-Bundestagsfraktion. Eine Staatsbeteiligung an Stahlunternehmen, um heimische Kapazitäten zu sichern, strategische Abhängigkeiten zu vermeiden und Investitionen in klimaneutrale Produktionsverfahren zu ermöglichen.

Platt gefragt geht es darum, um die Stahlbranche wichtig genug für so einen Fall ist. „Too big too fail“ wie bei den Banken in der Finanzkrise angewendet wurde, muss hier nicht sein. Aber Stahl ist nicht nur aus nostalgischen Gründen ein wesentlicher Teil der deutschen Industrie. Eine hohe fünfstellige Zahl von Arbeitsplätzen hängt direkt dran, viele weitere indirekt. Und bei so einem wichtigen Grundstoff will auch niemand von Importen aus China und Indien abhängig sein. Zudem wäre es gerecht, deutsche Hersteller zu subventionieren, weil es deren Wettbewerber aus genannten Ländern auch sind.

Auf einem anderen Blatt steht, ob der Staat mit seinen Apparaturen der beste Betreiber von solchen Unternehmen funktionieren kann. Der erste Impuls lautet: nein! Doch ist dieser Glaube wirklich in ganz Deutschland mehrheitsfähig? Vor allem in Berlin und den Bundesländern, die besonders betroffen sind? Da sind Zweifel angebracht. Eine wachsende Zahl von Politikerinnen und Politikern glaubt, dass der Staat es besser kann. Und die Gewerkschaften reden denen das auch noch kräftig ein.

Ein Staatseinstieg muss nicht sein, eine ordentliche Industriepolitik inklusive einer intensiven, temporären Unterstützung für die Stahlbranche während der Transformation reicht vollkommen. Bürokratieentlastung ist so offensichtlich wie bedeutend. Was für alle gilt, gilt gerade bei den Unternehmen, denen das Wasser bis zum Hals steht. Planungssicherheit ist der zweite Punkt und vor allem eine brauchbare Energiepolitik.

Bundesländer wie Nordrhein-Westfalen, das Saarland, Bremen oder Niedersachsen drängten zurecht im Rahmen eines Bundesratsantrags auf einen nationalen Stahlgipfel und die Umsetzung industriepolitischer Maßnahmen, etwa die Absenkung der Übertragungsnetzentgelte und einen konsequent klimafreundlichen öffentlichen Einkauf. Zweitens ist das Thema nicht allein national zu lösen: Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU) fordert aus gutem Grund eine Einigung auf europäischer Ebene für Strompreis-Subventionen, die von der EU-Kommission genehmigt werden müssen.

Faktenbox: Staatshilfe für die Stahlbranche – Retter oder Risiko?

Kernfrage: Soll der Staat in die Stahlindustrie einsteigen – oder reicht gezielte Industriepolitik?
Die Antwort ist kompliziert, die Fronten sind klar.

⚙️ Die Lage

  • Die deutsche Stahlindustrie steht unter Druck: hohe Energiepreise, EU-Klimavorgaben, globale Konkurrenz aus China und Indien.

  • Tausende Arbeitsplätze hängen direkt oder indirekt an der Branche.

  • Ohne staatliche Unterstützung droht der Verlust einer strategisch wichtigen Basisindustrie.

🧾 Die Positionen

  • SPD fordert staatliche Hilfen bis hin zu Beteiligungen – als „Ultima Ratio“.

  • Ziel: Standorte sichern, Abhängigkeiten vermeiden, klimaneutrale Produktion fördern.

  • CDU und FDP warnen vor einem „zweiten BER-Effekt“: Der Staat sei kein besserer Unternehmer.

  • Gewerkschaften und betroffene Bundesländer (NRW, Saarland, Bremen, Niedersachsen) drängen auf einen nationalen Stahlgipfel.

⚡️ Die Streitpunkte

  • Subventionen ja – aber wie lange und wie hoch?

  • Planungssicherheit und Bürokratieabbau sind für Unternehmen ebenso entscheidend.

  • Energiepolitik bleibt das Nadelöhr: Ohne verlässliche Strompreis-Regelung keine Zukunft für den Standort Deutschland.

  • Die EU-Kommission muss Strompreis-Subventionen genehmigen – nationale Alleingänge sind kaum möglich.

📈 Der Markt-und-Mittelstand-Check

  • Ein Staatseinstieg wäre Symbolpolitik – teuer, riskant und kaum effizient.
  • Sinnvoller: eine temporäre Entlastung für die Transformationsphase, kombiniert mit realistischer Energiepolitik und europäischer Abstimmung.
  • Ohne Reformen droht der deutschen Industrie ein weiterer Strukturbruch – diesmal mit Stahl statt Kohle.

 

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