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100-Tage-Programm der AG Mittelstand: Sieben Maßnahmen zur Rettung des Wirtschaftsstandorts

AG Mittelstand fordert schnelle Entlastungen für Unternehmen – von Strompreissenkung über Steuerreformen bis Bürokratieabbau.

(Foto: KI-generiert)

Deutschland steht vor dem dritten Rezessionsjahr in Folge. Der Mittelstand als tragende Säule der deutschen Wirtschaft gerät zunehmend unter Druck durch hohe Energiepreise, steigende Bürokratie- und Steuerlasten sowie eine unberechenbare US-Zollpolitik. In dieser kritischen Situation hat die AG Mittelstand ein 100-Tage-Programm mit sieben konkreten Sofortmaßnahmen vorgelegt, die die neue Bundesregierung aus Union und SPD prioritär umsetzen sollte.

Wirtschaftliche Ausgangslage: Dringender Handlungsbedarf

Die deutsche Wirtschaft befindet sich in einer prekären Lage. Unternehmen leiden unter multiplen Belastungsfaktoren, die ihre Wettbewerbsfähigkeit zunehmend einschränken. Besonders der Mittelstand als Innovationstreiber und Arbeitgeber steht unter Druck.

Die AG Mittelstand betont, dass schnelle und spürbare Entlastungen notwendig sind, um die Wirtschaft wieder anzukurbeln. Der Koalitionsvertrag von Union und SPD enthält zwar viele richtige Ansätze, reicht aber aus Sicht der Interessenvertretung noch nicht für eine umfassende Wirtschaftswende aus.

1. Strompreissenkung als Priorität

Als erste zentrale Maßnahme fordert die AG Mittelstand eine sofortige Senkung der Stromsteuer auf das europäische Mindestmaß – und zwar für alle Unternehmen und Betriebe. Ergänzend sollen die Netzentgelte schnellstmöglich reduziert werden.

Diese Maßnahme würde nicht nur unmittelbar die wirtschaftliche Basis stärken, sondern auch Freiräume für innovative Technologien schaffen. Ein weiterer positiver Effekt: Niedrigere Strompreise könnten die Akzeptanz und den Einsatz von strombasierten Wärmelösungen erhöhen und damit zur Emissionsreduktion bis 2045 beitragen.

2. Steuerentlastungen und verbesserte Abschreibungsregeln

Die zweite Kernforderung betrifft umfangreiche Abschreibungsregelungen, die in einem schnellen Gesetzgebungsverfahren durch Bundestag und Bundesrat beschlossen werden sollten. Dadurch würde die Liquidität in den Unternehmen kurzfristig gestärkt, während es für den Staat lediglich zu einer temporären Verschiebung des Steueraufkommens käme.

Die AG Mittelstand sieht darin die Chance, einen positiven Wirtschaftskreislauf in Gang zu setzen: Höhere Investitionen führen zu mehr Wachstum, mehr Arbeitsplätzen und höheren Einkommen.

Gleichzeitig fordert der Verband, dass Steuerentlastungen für alle Unternehmensformen gelten müssen – sowohl für Kapitalgesellschaften als auch für Personenunternehmen. Besonders dringend sei eine anwendungsfreundliche Verbesserung der Thesaurierungsrücklage, die bislang kaum genutzt wird.

3. Sozialpartnerschaft stärken

Als dritten Punkt hebt die AG Mittelstand die Bedeutung der Sozialpartnerschaft hervor. Diese sei ein wichtiger Pfeiler der sozialen Marktwirtschaft und trage maßgeblich zur Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft bei.

Die neue Bundesregierung müsse daher sicherstellen, dass die Sozialpartner in alle relevanten Gesetzgebungsvorhaben eingebunden werden – insbesondere bei einem geplanten Bundestariftreuegesetz und der unabhängigen Arbeit der Mindestlohnkommission.

4. Lieferkettengesetz: Entlastung für den Mittelstand

Das aktuelle Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) belastet nicht nur direkt verpflichtete größere Unternehmen, sondern durch abgewälzte Berichtspflichten auch kleine und mittelständische Zulieferer. Die AG Mittelstand begrüßt daher die im Koalitionsvertrag vorgesehene Abschaffung des LkSG sowie die unmittelbare Aussetzung von Berichtspflichten und Sanktionen.

Für das geplante Nachfolgegesetz zur Umsetzung der EU-Lieferkettenrichtlinie (CSDDD) fordert der Verband eine bürokratiearme und mittelstandsverträgliche Ausgestaltung. Besonders wichtig sei es, den sogenannten "Trickle-Down-Effekt" zu verhindern, indem etwa in der EU und Deutschland tätige Zulieferer von Informationspflichten ausgenommen werden.

5. + 6. Bürokratieabbau und Abschaffung der Bonpflicht

Die fünfte und sechste Forderung betreffen den Bürokratieabbau. Die AG Mittelstand drängt auf die zeitnahe Umsetzung des im Koalitionsvertrag vereinbarten Sofort-Entlastungsprogramms. Konkret geht es um die Anhebung von Schwellenwerten, Einführung von Ausnahmevorschriften, Reduzierung betrieblicher Beauftragter und Abschaffung zahlreicher Statistik- und Dokumentationspflichten.

Zusätzlich fordert der Verband die Reform und Ausweitung der Bürokratiebremse zu einer "one in, two out"-Regelung sowie die ersatzlose Abschaffung der Bonpflicht. Letztere sei ein im Alltag spürbares Beispiel für unnötige Bürokratie und verursache zudem vermeidbaren Abfall.

7. Zügiger Haushaltsbeschluss

Als siebte und grundlegende Maßnahme fordert die AG Mittelstand einen schnellen Haushaltsbeschluss für 2025. Die Phase der vorläufigen Haushaltsführung müsse so rasch wie möglich beendet werden.

Zudem stehe der Koalitionsvertrag vollständig unter Finanzierungsvorbehalt. Die damit verbundene Verunsicherung und fehlende Planbarkeit für Unternehmen müsse ebenfalls schnellstmöglich beseitigt werden.

Welche Wirkung haben wirtschaftliche Sofortprogramme?

Wirtschaftliche Sofortprogramme haben in Deutschland eine lange Tradition. Bereits nach dem Zweiten Weltkrieg setzte Ludwig Erhard mit der Währungsreform 1948 und der anschließenden Abschaffung der Preisbindung ein radikales Sofortprogramm um, das den Grundstein für das "Wirtschaftswunder" legte. Ähnliche Ansätze finden sich in der Agenda 2010 unter Gerhard Schröder, die Deutschland aus der "Krankheit Europas" herausführte.

Historisch betrachtet waren erfolgreiche Wirtschaftsprogramme stets von drei Faktoren geprägt: 

  • Sie setzten an strukturellen Problemen an
  • kombinierten kurzfristige Entlastungen mit langfristigen Reformen 
  • und wurden konsequent umgesetzt. 

Das Konjunkturpaket während der Finanzkrise 2008/2009 mit Kurzarbeitergeld und Investitionsanreizen gilt als Paradebeispiel für ein wirksames Sofortprogramm.

Die aktuelle Situation weist Parallelen zur Stagnationsphase der frühen 2000er Jahre auf, als Deutschland als "kranker Mann Europas" galt. Auch damals waren es hohe Energiekosten, Steuerlasten und bürokratische Hürden, die die Wirtschaft lähmten. Die Agenda 2010 adressierte diese Probleme mit einem umfassenden Reformpaket, das Deutschland wieder wettbewerbsfähig machte.

Die historische Erfahrung zeigt: Erfolgreiche Wirtschaftsprogramme setzen klare Prioritäten, entlasten Unternehmen spürbar und schaffen Planungssicherheit.

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