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Politik > Schlüsselbranchen vor dem Kipppunkt?

Allensbach-Studie: „Made in Germany" vor dem Aus?

| Markt und Mittelstand / red. | Lesezeit: 2,5 Min.

Autozulieferer flüchten in die Rüstung, Maschinenbauer verlieren Glauben und Chemie-Konzerne bauen eigene Kraftwerke. Willkommen in der neuen Industrie-Realität.

Leere Fabrik
Leere Hallen, Räume zwischen Vergangenheit und Zukunft. Man fragt sich, ob Deutschlands Industrie noch weiß, wofür sie einmal stand? Wo glänzen Fortschritt, Präzision und Zuversicht? Vielerorts hallt leise das Echo einer Industrie, die sich selbst ausgebremst hat. (Foto: MuM/Ki)

Allensbach-Studie zeigt: Deutschlands Schlüsselindustrien verlieren Vertrauen, Marktanteile und Richtung.

Markt und Mittelstand

Deutschlands Schlüsselindustrien trauen sich selbst nicht mehr. Laut einer exklusiven Allensbach-Umfrage unter 169 Industrieunternehmen im Auftrag von FTI-Andersch rechnen 51 Prozent mit Stagnation oder Rückgang im kommenden Jahr. In den Chefetagen herrscht Krisenmodus – und zwar flächendeckend.

60 Prozent der Autozulieferer haben längst aufgegeben, in China neue Kunden zu gewinnen. 51 Prozent der Maschinenbauer sehen ihre Technologieführerschaft schwinden. Und satte 94 Prozent der energieintensiven Unternehmen rechnen mit einer Abwanderung aus Deutschland.

Der Glaube an die Reformkraft der Bundesregierung? Eher gering. Zwar hat Berlin jüngst an Bürgergeld, Rente und Verkehr geschraubt, doch die Industrie bleibt skeptisch. Gregor Greinert vom Kunststoffkonzern Röchling bringt es in einem Interview mit dem Handeslblatt auf den Punkt: „Wir müssen aufpassen, dass wir ein Industrieland bleiben.“

Seit 2019 hat die Industrie fast vier Prozent ihrer Belegschaft verloren, das Wachstum liegt bei mageren 0,2 Prozent. Von Aufschwung keine Spur. Selbst Jungunternehmer zeigen Nerven: 77 Prozent der Wirtschaftsjunioren blicken pessimistisch in die Zukunft.

 

Drei Industrien im Stresstest

Autozulieferer:

  • Was einst Deutschlands Exportwunder war, wird zur Baustelle. Die Autobauer verlieren Marktanteile, chinesische Hersteller wie BYD und Xiaomi fahren davon. 83 Prozent der Zulieferer scheitern an der Integration in chinesische Lieferketten, 60 Prozent haben das Ziel ganz gestrichen. Der Hoffnungsschimmer? Rüstung, Medizintechnik, Luftfahrt. Röchling etwa liefert längst für Rheinmetall und verschiebt Wachstum von der Auto- in die Industriesparte.

Maschinenbauer:

  • Hier bröckelt der Mythos vom „Made in Germany“. Über die Hälfte glaubt nicht mehr an deutsche Technologieführerschaft. Firmen wie RNA in Aachen suchen ihr Heil in Nischenstrategien, Digitalisierung und Softwarekompetenz. Während chinesische Wettbewerber pragmatisch mit 85 Prozent zufrieden sind, perfektionieren deutsche Ingenieure sich zu Tode.

Energieintensive Branchen:

  • Chemie-, Papier- und Stahlkonzerne drohen abzuwandern, 94 Prozent halten das für wahrscheinlich. Grund: Energiepreise, fehlende Industriepolitik, planlose EU-Klimaziele. Unternehmen wie Wepa reagieren mit Eigenstromerzeugung, Biomassekraftwerken und Windrädern. CEO Martin Krengel fordert Klarheit: „Ohne verlässliche Rahmenbedingungen keine Investitionen.“

Fazit

Deutschland erlebt keine Rezession im klassischen Sinn, sondern einen Vertrauensverlust in die eigene industrielle Identität. Zwischen überzogener Perfektion und politischer Lähmung entsteht eine paradoxe Leere: Ingenieure, die wissen, was sie können, und Politiker, die wissen, was sie müssten – doch keiner zieht die Bremse oder den Stecker.

Das Land, das einst mit Maschinen die Welt eroberte, wirkt heute wie ein Tüftler, der seinen eigenen Bauplan nicht mehr versteht. Vielleicht beginnt die eigentliche Transformation erst dann, wenn die Industrie begreift, dass sie nicht nur Opfer des Wandels ist, sondern auch sein verschlafener Architekt.

Die Fakten: Allensbach-Studie zur Zukunft der deutschen Industrie

Titel der Studie:
„Industrie in der Transformation – Chancen, Risiken, Perspektiven 2025“

Auftraggeber:
Restrukturierungsberatung FTI-Andersch

Durchführung:
Institut für Demoskopie Allensbach (IfD Allensbach)

Erhebungszeitraum:
Sommer 2025

Befragte:
169 Industrieunternehmen in Deutschland – repräsentativ ausgewählt nach Größe und Branche

Branchenfokus:

Automobilzulieferer, Maschinenbau und Energieintensive Industrien (Chemie, Stahl, Papier)

Zentrale Ergebnisse:

  • 51 % erwarten Stagnation oder Verschlechterung ihres Geschäfts in den nächsten 12 Monaten

  • 60 % der Autozulieferer haben aufgegeben, chinesische Autobauer als Kunden zu gewinnen

  • 51 % der Maschinenbauer fürchten Verlust der Technologieführerschaft

  • 94 % der energieintensiven Betriebe rechnen mit Abwanderung aus Deutschland

  • 63 % verschieben Investitionen aufgrund unsicherer Perspektive

Quellen

IfD Allensbach

 

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