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Politik > Der Sanierer

Friedrich Merz: der Richtige für Krisen-Deutschland?

Mit Friedrich Merz als Kanzlerkandidaten bereitet sich die Union ab sofort auf Neuwahlen vor. Er wird als Sanierer einer angeschlagenen Nation positioniert.

Friedrich Merz am Rednerpult mit Daumen hoch
Mit Friedrich Merz als Kanzlerkandidaten bereitet sich die Union ab sofort auf Neuwahlen vor. Er wird als Sanierer einer angeschlagenen Nation positioniert (Foto: picture alliance)

Friedrich Merz wird Kanzlerkandidat der Union. Die Nominierung gegen seine Konkurrenten Hendrick Wüst und Markus Söder ist überraschend konfliktfrei über die Bühne gegangen. Wie man aus dem Umfeld des CDU-Präsidiums hört, wird Merz das parteiintern als geschickter Erfolg zugeschrieben. Am Ende habe er die Rückendeckung aller Landesverbände erhalten, kein einziger habe sich für Söder ausgesprochen. Merz hatte formal ohnedies das Erstzugriffsrecht auf die Kandidatur, er ist nicht nur Partei- und Fraktionsvorsitzender, er wurde auch als erster Vorsitzender in der Geschichte der Partei von der Parteibasis direkt gewählt. Die Strategen im Konrad-Adenauer-Haus planen jetzt den Wahlkampf für 2025 und wollen Merz als eine Art Notarzt der Nation positionieren. CDU-Größe Roland Koch nennt ihn den „richtigen Mann zur richtigen Stunde“. 
 
Tatsächlich gab es Phasen der Bundesrepublik, da war als Kanzler eine Vaterfigur (Konrad Adenauer, CDU) vonnöten. Zuweilen brauchte es Reformer (Willy Brandt und Gerhard Schröder, beide SPD). Dann waren eine Versöhnerin (Angela Merkel, CDU) oder Krisenmanager (Helmut Schmidt, SPD und Ludwig Erhard, CDU) gefragt. Einmal war ein historischer Weichensteller (Helmut Kohl, CDU) nötig. Es gab auch Übergangskanzler wie Kurt-Georg Kiesinger (CDU) oder Olaf Scholz (SPD). Aber jetzt braucht Deutschland tatsächlich einen Sanierer: Typus durchsetzungsstarker Mann mit hoher Wirtschaftskompetenz. Für sonnige Zeiten wäre ein weicherer Sozial- oder Umweltpolitiker, ein Wohlfühl-Sympathikus-Landesvater womöglich besser geeignet, für die ernste Lage der Nation aber ist ein ernster Mann nötig.

 

Der Sauerländer verkörpert das Comeback. Und Deutschland liebt Comebacks: ob Sahra Wagenknecht, Thomas Gottschalk oder Katarina Witt, Schallplatten, Altholz oder Afri-Cola und nun auch Stefan Raab.

Die Dinge ernst nehmen

Merz verkörpert die neue Ernsthaftigkeit in der deutschen Politik geradezu. Man kann über seine Positionen vor allem deshalb gut streiten, weil er welche hat. Zu lange war die deutsche Politik geprägt von Scheinsprech, Inszenierungen und einem medialen Menuett-Tanz, bei dem alle versuchten, auf einem Quadratmeter politisch korrekter Mitte nicht anzuecken. Die Umfrage-Institute fragen seit einigen Jahren systematisch nach „Sympathie“ eines Politikers, als sei das die entscheidende Kategorie. Dabei sind „Kompetenz“, „Haltung“, „Vertrauen“, „Integrität“, „Seriosität“, „Tatkraft“ in der Politik eigentlich wichtiger. Die politische Kultur der Republik ist womöglich auch deswegen an den extremen Rändern aus den Fugen geraten, weil die Helden der politischen Mitte keine Kanten mehr haben durften. Mit Merz folgt nun den Weichspülern der Macht wieder ein Mann mit Eigenschaften, einer der die Dinge ernst nimmt.
 
Merz passt tatsächlich perfekt zu den zwei wesentlichen Problemen, die Deutschland derzeit plagen: die Migrations- und die Wirtschaftskrise. Diese beiden Themen werden die Bundestagswahl entscheiden, und bei beiden hat der Kanzlerkandidat der Union ein klares Profil. In der Migrationsfrage verkörpert er die Abkehr von der Merkel-Politik. Er treibt die Ampel regelrecht vor sich her. Seit seiner „Es reicht“-Pressekonferenz zwingt er die Regierung schrittweise zu einer Migrationswende, sodass die Bild-Zeitung titelte: „Merz wirkt“.
 
In der Standortkrise der deutschen Wirtschaft kann der Wirtschaftsfachmann Merz sogar in eine Ludwig-Erhard-Rolle schlüpfen und das Wohlstand-für-alle-Versprechen der CDU neu intonieren. Merz wird vor allem dabei als kompetent und durchsetzungsstark wahrgenommen. Während Kanzler Scholz von sich gerne behauptet, man bekomme Führung, wenn man sie bestelle, ist es bei Merz anders. Bei ihm bekommt man Führung, ohne dass man sie bestellen muss.
 
Merz hat nun den Vorteil, dass die innerparteiliche Machtfrage geklärt ist und die Union frühzeitig den Wahlkampf planen kann. Als Parteivorsitzender hat er vor allem deshalb Rückhalt, weil er erfolgreich gewesen ist. Die CDU erlitt mit dem historischen Wahldebakel 2021 einen regelrechten politischen Infarkt. Die Union wirkte ausgebrannt, innerlich gespalten und ideenlos. Sie sackte in den Umfragen unter die Marke von 20 Prozent im Bund. Manche unkten schon über das Ende der CDU ähnlich der italienischen Democrazia Cristiana herbei. Unter Merz hat sich die CDU dann aber erstaunlich erholt, eine ganze Serie von Landtagswahlen gewonnen und die Rolle der stärksten politischen Kraft in Deutschland zurückerobert. Die zerstrittenen Flügel haben sich unter Merz wieder zusammengerauft und sogar ein neues Parteiprogramm jenseits der Merkel-Doktrinen formuliert. Die Umfragewerte signalisieren die Breitenwirkung des Comebacks. Die Union ist im neuen RTL/ntv-Trendbarometer bei 33 Prozent angelangt und damit stärker als alle Parteien der regierenden Ampelkoalition zusammen.
 
Damit ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass Merz tatsächlich Kanzler werden kann. Der Sauerländer verkörpert das Comeback, das Deutschland jetzt in doppelter Hinsicht ersehnt. Ein Comeback von Aufschwung und Erfolg sowie ein Comeback des Lebensgefühls vergangener Jahre. Merz selbst ist ein Comeback der besonderen Art gelungen. Anderthalb Jahrzehnte war er im politischen Exil – in der Wirtschaft. Dreimal musste er auf großer Bühne antreten. Zweimal unterlag er mit seiner Kandidatur zum Parteichef spektakulär auf Parteitagen. Doch Merz ist ein Marathon-Mann. Er ist ungewöhnlich resilient und hartnäckig. Genau das aber wird für das Comeback Deutschlands wichtig, das Land muss nachhaltig saniert werden.
 
Das Comeback-Topos könnte so auch für den Wahlkampf relevant werden. Denn Deutschland liebt Comebacks: ob Sahra Wagenknecht, Thomas Gottschalk oder Katarina Witt, Schallplatten, Altholz oder Afri-Cola und nun auch Stefan Raab. Bei der Liebe zu Comebacks geht es um Teilhabe an Glück, Genugtuung und Gnade. Und es geht immer auch um die Sehnsucht nach den guten alten, sicheren Zeiten. Das verkörpert Merz in besonderer Weise. Er ist der perfekte Kandidat für die Retro-Moden des Zeitgeistes.

 

Der perfekte Kandidat für die Retro-Moden des Zeitgeistes.

Merz: "Agenda für die Fleißigen"

„Wir werden diejenigen entlasten, die jeden Morgen aufstehen und ihren Job machen“, kündigt der Kanzlerkandidat der Union mit Blick auf seine mögliche Kanzlerschaft an: „Wir werden konkrete Vorschläge für eine Unternehmenssteuerreform machen, die in mehreren Schritten kommen könnte.“ Wichtig sei für die Unternehmen vor allem die Planungssicherheit, sagte er. Merz will die deutsche Wirtschaft umfassend „entfesseln“. Dazu gehöre ein aktiver Bürokratieabbau. „Das muss vom Grundsatz her geändert werden. Man muss ein Viertel der Berichtspflichten streichen. Das ist alles viel zu kompliziert geworden.“ Er plant auch, die Erbschaftssteuer zu senken. Der CDU-Chef hebt die Erfahrung hervor, die er – im Gegensatz zum Bundeskanzler – in der Wirtschaft gemacht hat. „Ich habe mein Leben anders gestaltet als Herr Scholz“, sagt Merz. „Ich habe mich nicht nach einer kurzen Zeit im Beruf entschieden, auf Dauer und allein Berufspolitiker zu sein.“
 
Merz will das Bürgergeld in seiner aktuellen Form nicht fortführen, sondern reformieren. Das System nennt er „völlig verunglückt“. Es „kostet Milliarden und sendet falsche Signale in den Arbeitsmarkt“. Hier gebe es viel Einsparpotenzial für den Bundeshaushalt. Das Rentensystem müsse ebenfalls reformiert werden, um Arbeitnehmer, Unternehmer und die jüngere Generation zu entlasten.
 
Der CDU-Chef will das EU-weite Aus für Neuwagen mit Verbrennermotor von 2035 an kippen. Gleichzeitig will er sich zumindest die Option offenhalten, dass Deutschland auch beim bereits vollzogenen Atom-Ausstieg eine Kehrtwende einlegen könnte. Nötig sei eine andere Energiepolitik, weniger Regulierung aus Brüssel und der Blick auf Wettbewerbsfähigkeit und nicht allein auf Klimaschutz. Dazu gehörten auch niedrigere Steuern im Energiesektor. Infrastruktur solle der Staat in Zukunft verstärkt über Nutzergebühren finanzieren und privates Kapital einbeziehen. Seine Agenda umfasst die folgenden Punkte.

Man muss ein Viertel der Berichtspflichten streichen. Das ist alles viel zu kompliziert geworden.

Friedrich Merz, Bundesvorsitzender der CDU und Kanzlerkandidat der Union für die Bundestagswahl 2025

Die Agenda

  • Sozialabgaben begrenzen: Die Höchstgrenze für Sozialabgaben soll wieder bei 40 Prozent des Bruttolohns liegen. Damit haben Unternehmen mehr Geld für Investitionen.
  • Steuerfreie Überstunden: Damit sich Mehrarbeit lohnt, sollen Überstunden bei Vollzeitbeschäftigten steuerfrei sein.
  • Fachwissen halten: Um das Fachwissen von Rentnern zu nutzen, sollen diese bis zu 2000 Euro monatlich steuerfrei verdienen dürfen.
  • Arbeitsanreize setzen: Wer das sogenannte Bürgergeld bezieht, muss angebotene Arbeit annehmen – oder mit Geldeinbußen rechnen. Wir müssen Menschen in Arbeit bringen.
  • Steuern senken: Unternehmen müssen bei den Steuern verlässlich entlastet werden. Ankündigungen der Ampel-Minister reichen allein nicht.
  • Energiepreise senken: Die Stromsteuer soll auf den EU-Mindestsatz gesenkt werden. Netzentgelte müssen halbiert werden.
  • Landwirte entlasten: Die Steuererhöhungen für Landwirte müssen zurückgenommen werden.
  • Arbeitszeit neu definieren: An die Stelle von Tagesarbeitszeiten soll eine Wochenarbeitszeit treten. So kann kurzfristig auf zusätzliche Aufträge mit Mehrarbeit reagiert werden.
  • Lieferkettengesetz stoppen: Damit deutsche Unternehmen nicht für schlechte Arbeitsbedingungen irgendwo auf der Welt haften, soll die EU-Initiative überarbeitet werden.
  • Planungsbeschleunigung verabschieden: Damit Unternehmen schneller vom Plan zur Umsetzung kommen, soll der mit den Ländern vereinbarte Pakt bis Ostern verabschiedet werden.
  • Genehmigungsfristen im Baurecht einführen: Werden Bauanträge nicht innerhalb einer engen Frist abgelehnt, gelten sie als genehmigt.
  • Keine neue Bürokratie: Bis Ende 2025 darf für Bürger und Unternehmen kein neuer Verwaltungsaufwand entstehen.

Merz ist ein Marathon-Mann. Er ist ungewöhnlich resilient und hartnäckig. Genau das wird für das Comeback Deutschlands wichtig, das Land muss nachhaltig saniert werden.

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