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Politik > Friedensillusionen entlarvt

Joachim Gauck kritisiert „hohle Friedensrhetorik“ im Ukraine-Krieg

Joachim Gauck warnt vor falschem Frieden im Ukraine-Krieg und erhält den Freiheitspreis der Medien für sein Engagement für Wahrheit und Demokratie.

(Foto: shutterstock)

„Wer keinen Weg zur Wahrheit sucht, dem bleibt der Weg zum Frieden verschlossen“
 
Der ehemalige Bundespräsident ist skeptisch in Bezug auf Frieden im Ukraine-Krieg. „Im Falle Russlands sehen wir das bewusste Verdrehen von Geschichte, die Instrumentalisierung von Erinnerung und das Leugnen von Verbrechen“, sagt der evangelische Theologe vor dem Ludwig-Erhard-Gipfel der WEIMER MEDIA GROUP am Tegernsee (7. bis 9. Mai). „Doch ohne Wahrhaftigkeit bleibt jede Friedensrhetorik hohl.“ Wer keinen Weg zur Wahrheit suche, dem bleibe der Weg zum Frieden verschlossen. Co-Veranstalter des ersten Konferenztages ist die Vereinigung der bayerischen Wirtschaft (vbw). 

Gauck wird auf dem Gipfel für seinen lebenslangen Einsatz für freie Meinungsäußerung, politischen Dialog und die Demokratie mit dem Freiheitspreis der Medien geehrt.
 
In vielen aktuellen Konflikten fehlt Gaucks Ansicht nach das, „was wir in Deutschland – mühsam, aber mit Überzeugung – versucht haben: die Anerkennung des erlittenen Unrechts, das Gespräch zwischen Opfern und Tätern, die Bereitschaft, Schuld nicht zu relativieren.“ Gauck machte als erster Bundesbeauftragter für die Stasi-Unterlagen nach der Wende die schriftlichen Hinterlassenschaften des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) der Öffentlichkeit zugänglich.
 
„Ich habe erlebt, was es bedeutet, in einer Gesellschaft zu leben, in der Wahrheit unterdrückt und Schuld verschwiegen wurde“, sagt der ehemalige Bundespräsident, dessen auch persönliche Familiengeschichte von dieser Erfahrung geprägt war. „Ein echter, tragfähiger Frieden kann nur entstehen, wenn wir uns der Vergangenheit stellen“, bilanziert der 85-Jährige.
 

Transparenz und Aufarbeitung sind für Gauck keine Luxusgüter für stabile Demokratien, sondern deren Voraussetzungen. „Wer Verantwortung für Unrecht übernimmt und die Opfer hört, legt das Fundament für Vertrauen und eine Zukunft ohne Angst“, sagt Gauck. Neben unabhängig agierenden Institutionen und einer politischen Führung, die Verantwortung nicht scheut, braucht es Gaucks Einschätzung nach auch eine Gesellschaft, die sich unbequemen Wahrheiten stellt. 

„Der Weg zur Versöhnung beginnt mit der Anerkennung des Leids der anderen“, sagt Gauck. „Es braucht Mut – bei den Tätern wie bei den Opfern.“ Eine lebendige Demokratie wachse nicht im Verdrängen, sondern im Erinnern. Der Blick dürfe aber nicht nur zurück gerichtet sein, sondern müsse auch Zukunft ermöglichen.

Joachim Gauck – Stationen eines Lebens für Freiheit und Demokratie

Joachim Gauck wurde am 24. Januar 1940 in Rostock, Mecklenburg, geboren. Nach dem Abitur begann er 1958 ein Studium der Evangelischen Theologie in Rostock, das er 1965 abschloss. Im Anschluss wirkte er bis 1990 als Pastor der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Mecklenburg.

In der friedlichen Revolution von 1989 engagierte sich Gauck aktiv und war Mitbegründer des Neuen Forums in Rostock. Im März 1990 wurde er in die erste frei gewählte Volkskammer der DDR gewählt und übernahm dort den Vorsitz des Sonderausschusses zur Auflösung der Stasi.

Im Oktober desselben Jahres wurde er zum Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR ernannt. In dieser Funktion – die später als „Gauck-Behörde“ bekannt wurde – leitete er von 1991 bis 2000 die Aufarbeitung der Stasi-Vergangenheit.

Nach dem Ende seiner Amtszeit engagierte sich Gauck als Redner, Publizist und Bürgerrechtler. 2010 kandidierte er erstmals für das Amt des Bundespräsidenten, unterstützt von SPD und Grünen, unterlag jedoch Christian Wulff. Nach dessen Rücktritt wurde Gauck im Februar 2012 erneut nominiert – diesmal parteiübergreifend – und im März desselben Jahres zum 11. Bundespräsidenten der Bundesrepublik Deutschland gewählt. Er übte das Amt bis 2017 aus.

Seitdem ist Joachim Gauck weiterhin als Autor und Redner aktiv – mit besonderem Fokus auf die Themen Freiheit, Demokratie und Erinnerungskultur.

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