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Politik > Koalitionsverhandlungen in der Krise

Koalitionsstreit um Steuern: Droht Deutschland der Stillstand?

Union und SPD ringen um Steuern, Entlastungen und Investitionen – Koalitionsstreit gefährdet Aufschwung und verunsichert Wirtschaft und Bürger.

Markus Söder, (CSU), Ministerpräsident von Bayern und CSU Vorsitzender, Friedrich Merz, Unions-Kanzlerkandidat und CDU-Bundesvorsitzender, Lars Klingbeil, SPD-Fraktions- und Bundesvorsitzender, und Saskia Esken, SPD-Bundesvorsitzende, nehmen an einer Pressekonferenz teil. (Foto: picture alliance)

Die Koalitionsverhandlungen zwischen Union und SPD gestalten sich in zentralen wirtschaftspolitischen Fragen schwierig. Insbesondere bei der Steuerpolitik und möglichen Entlastungen für Bürger und Unternehmen liegen die Positionen weit auseinander. Die Arbeitsgruppe "Haushalt, Finanzen und Steuern" konnte sich bisher nicht auf eine gemeinsame Linie einigen.

Strittige Steuerpläne

Die SPD beharrt darauf, Steuerreformen "mindestens aufkommensneutral" zu gestalten. Eine von der Union angestrebte breite Entlastung von Bürgern und Betrieben ist damit in weite Ferne gerückt. Konkret schlägt die SPD vor, den Spitzensteuersatz von 42 auf 47 Prozent und den Reichensteuersatz von 45 auf 49 Prozent zu erhöhen. Die Union lehnt Steuererhöhungen kategorisch ab.

Unstrittig sind bisher nur wenige Punkte aus dem Sondierungspapier: Ein steuerfreies Gehalt von bis zu 2000 Euro monatlich für Arbeitende im Rentenalter, steuerfreie Zuschläge für Überstunden, eine geringere Mehrwertsteuer für die Gastronomie und die vollständige Rückkehr des Agrardiesels. Die von beiden Seiten angestrebte "Entlastung der Mitte" bleibt jedoch ein Streitpunkt.

Unternehmensbesteuerung im Fokus

Bei der Unternehmensbesteuerung prallen die Konzepte von Union und SPD aufeinander. Die Union strebt eine schrittweise Senkung des Körperschaftsteuersatzes auf 10 Prozent an, um unter Einschluss der Gewerbesteuer eine Gesamtbelastung von 25 Prozent zu erreichen. Derzeit liegt die Belastung bei rund 30 Prozent, was im internationalen Vergleich als hoch gilt.

Die SPD hingegen hat lediglich angeboten, im Jahr 2029 die Belastung um einen Prozentpunkt zu senken. Für die Union ist dies zu wenig und kommt zu spät. Auch bei Investitionsanreizen gehen die Vorstellungen auseinander: Während die Union eine beschleunigte steuerliche Berücksichtigung von Investitionskosten (degressive Abschreibung) favorisiert, verfolgt die SPD die Idee einer Investitionsprämie für Investitionen in Deutschland.

Wirtschaftsverbände drängen auf Reformen

Angesichts der stockenden Verhandlungen wächst der Druck aus der Wirtschaft. Die Deutsche Industrie- und Handelskammer (DIHK) warnt in einem Brandbrief an die Parteivorsitzenden vor den Folgen fehlender Reformen. DIHK-Präsident Peter Adrian und Hauptgeschäftsführerin Helena Melnikov fordern "positive Anreize für Investitionen" und betonen: "Dazu zählen neben einem durchgreifenden Bürokratieabbau vor allem Entlastungen bei Abgaben und Steuern – insbesondere auch in der Unternehmensbesteuerung."

Die DIHK hat einen 12-Punkte-Plan für die ersten hundert Tage der neuen Bundesregierung vorgelegt. Darin enthalten sind unter anderem Forderungen nach Bürokratieabbau, einer Begrenzung von Energieeffizienz- und Gebäudegesetzen auf das europäische Minimum sowie einer schrittweisen Senkung der Unternehmensteuer auf maximal 25 Prozent. 

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Haushaltspolitische Herausforderungen

Die Verhandlungen werden zusätzlich durch haushaltspolitische Fragen erschwert. Trotz des kürzlich beschlossenen Finanzpakets für Verteidigungsausgaben und Investitionen bleiben die Spielräume begrenzt. Die SPD drängt in der Arbeitsgruppe darauf, Zuschüsse an staatliche Gesellschaften in Darlehen umzuwandeln, was den Schuldenspielraum weiter erhöhen würde. In der Union stößt dies auf Unverständnis.

Auch bei möglichen Einsparungen im Bundeshaushalt, die CDU-Chef Friedrich Merz angemahnt hatte, konnten sich die Verhandlungspartner bisher nicht einigen. Die SPD zeigt sich laut Verhandlungskreisen nicht zu Kürzungen beim Bürgergeld oder im Bereich Asyl bereit.

Historische Dimension der Koalitionsverhandlungen

Koalitionsverhandlungen haben in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland immer wieder zentrale Weichenstellungen für die politische und wirtschaftliche Entwicklung des Landes hervorgebracht. Insbesondere große Koalitionen wie zwischen Union und SPD standen dabei oft unter dem Druck, weitreichende Kompromisse zwischen teils gegensätzlichen politischen Grundsätzen zu erzielen. Bereits in früheren Koalitionsrunden – etwa nach den Bundestagswahlen 2005 und 2013 – waren Steuerpolitik, Sozialausgaben und Unternehmensbesteuerung harte Verhandlungspunkte. Während damals wie heute wirtschaftliche Stabilität und soziale Gerechtigkeit als gemeinsame Ziele formuliert wurden, erwiesen sich Details in der Umsetzung häufig als konfliktträchtig. Die aktuelle Verhandlungsrunde reiht sich damit in eine lange Tradition komplizierter Gespräche ein, bei denen die politische Mitte sowohl gestaltet als auch verteidigt werden muss.

Der ursprüngliche Zeitplan für den Abschluss der Koalitionsverhandlungen am 27. März erscheint angesichts der zahlreichen offenen Fragen zunehmend gefährdet. Für die deutsche Wirtschaft steht viel auf dem Spiel – eine zügige Einigung auf ein tragfähiges Konzept zur Stärkung des Wirtschaftsstandorts Deutschland ist dringend erforderlich.

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