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Politik > Wirtschaft im Wahlkampf

Merz versus Scholz: Das TV-Duell aus Sicht des Mittelstandes

Am Sonntagabend haben Kanzler Olaf Scholz und sein Herausforderer Friedrich Merz im ersten TV-Duell gestritten. Was in den anderthalb Stunden über Wirtschaftspolitik gesagt wurde. Ein kommentierende Zusammenfassung.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD, l), steht neben Friedrich Merz, Unions Kanzlerkandidat und CDU Bundesvorsitzender, vor dem TV-Duell von ARD und ZDF. (Bildquelle: picture alliance)

Wir wissen nicht, ob sich Donald Trump am Sonntag vor dem Besuch des Super Bowl nochmal etwas richtig Spannendes gegönnt hat: 90 Minuten Kanzlerduell in Deutschland. Scholz gegen Merz. Da fliegen die Fetzen, da wird Neues gedacht, Revolutionen angekündigt. Oder auch nicht. Beim American Football gibt es ein Ei, in Deutschland Herumeierei – zumindest rund um die Wirtschaftsthemen.

Wenig überraschend starteten die Moderatorinnen Maybrit Illner und Sandra Maischberger mit dem Thema Migration. Nach den Vorfällen der letzten Tage ist es das emotionalste Thema. Nach 26 Minuten ging es rüber zu den Wirtschaftsthemen mit dem Hinweis, dass es für die Menschen laut Umfragen das Wichtigste ist.

Beurteilen die beiden die Lage gleich? Scholz sieht keine Deindustrialisierung, Merz schon. Der CDU-Chef verwies auf die „höchste Insolvenzwelle der vergangenen 15 Jahre“ und dass der Industrie 300.000 Arbeitsplätze verloren gingen. „Was ist das denn sonst, wenn nicht eine Deindustrialisierung? Herr Bundeskanzler, Sie leben nicht in dieser Welt. Sie leben in einem Märchenschloss.“ Scholz entgegnete: „Ich habe doch gesagt: Es ist was los und wir müssen etwas tun.“ Putin sei schuld an der Ursache der jetzigen Situation. Merz konterte: „Woran liegt es denn, dass die anderen Länder längst wieder wachsen?“  

Streit um den Mindestlohn

Scholz regt eine Steuerprämie an, um Investitionen anzuregen. Aber bei mehr als einem Halbsatz dazu blieb es dann. Völlig unterschiedliche Ideen haben beide zur Deutschen Bahn. Spannend auch die 30 Sekunden, die über Bürokratie gesprochen wurde: Scholz macht den Milei. Er vervollständigt den Satz, dass man für den Abbau der Bürokratie eine Kettensäge brauche, überraschenderweise mit „stimmt“. Merz sagte danach, er würde dieses Bild des argentinischen Präsidenten nicht verwenden, spreche lieber von „Rückbau“.

Einig waren sich die beiden, dass die Menschen hierzulande derzeit ärmer werden. Scholz erwähnte, dass die Beschäftigung auf einem sehr hohen Niveau ist. Merz verweist auf die hohe Teilzeitquote. Bei der Energiepolitik trieb Merz den Kanzler vor sich her. Zeit, um ins Detail zu gehen, blieb nicht. Bei der Pflege sprach sich Merz gegen eine Vollversicherung aus, die ja im Gespräch ist. Menschen sollen sich lieber privat zusatzversichern.

Beim Mindestlohn verwies Merz auf die Entscheidung der Mindestlohnkommission. „Wenn die 15 Euro beschließt, ist das in Ordnung.“ Scholz nannte die letzte Entscheidung der Kommission einen „Fehler“, weil er durch Mehrheit zustande kam. Der Kanzler antwortete auf die Frage, ob er die nächste Entscheidung akzeptieren würde, dass er dies nur tun wird, wenn sie einvernehmlich geschlossen wird. Falls es also zu einem Mehrheitsentscheidung kommen sollte, würde die SPD die 15 Euro auch gegen den Willen der Kommission durchziehen.

Steuern und künstliche Intelligenz

Vor allem beim Thema Steuer zeigten sich große Unterschiede. Im Kern warf Scholz dem CDU-Kandidaten vor, Politik für Reiche zu machen – obwohl für Steuersenkungen derzeit kein Spielraum sei: „Ich finde, wer drei Millionen Euro verdient, kann ein wenig mehr Steuern zahlen. Und Sie finden das nicht – das ist der Unterschied zwischen uns beiden.“ Merz erklärte, warum Steuersenkungen für Unternehmen nicht zwingend Mindereinnahmen bedeuen müssen, so: 25 Steuern für Unternehmen seien in der wachsenden Wirtschaft mehr Einnahmen für den Staat als 30 Prozent ohne Wachstum.

Erwartbar zeigten sich unterschiedliche Positionen beim Thema Schulden. Das Thema war mit bekannten Thesen in zwei Minuten abgehandelt: Scholz will eine Reform der Schuldenbremse, Merz den nächsten Generationen nicht zu viel aufbürden. Dann war das Thema Wirtschaft nach 25 Minuten zu Ende – es ging weiter zur Außenpolitik.

Der Begriff künstliche Intelligenz fiel genauso wenig wie das Thema "neues Geschäftsmodell für Deutschland" angesprochen wurde. Angesichts der Vielzahl an Themen ist es so schade wie erklärbar, dass die Moderatorinnen nicht konkret danach fragten. Aber spannend wäre es schon gewesen, zumindest ein paar Sätze zu hören. Immerhin wird KI das Leben und die beruflichen Tätigkeiten der Menschen sehr stark verändern.

Wie groß sind die Unterschiede zwischen SPD und CDU wirklich?

Ein Duell hat zum Ziel, Unterschiede zwischen den Kandidaten herauszuarbeiten. Auf den ersten Blick trennen SPD und CDU in der Wirtschaftspolitik Welten. Die SPD will eine Rentengarantie, einen Mindestlohn von 15 Euro und Ausnahmen von der Schuldenbremse. Aber wer sich die Wahlprogramme genau anschaut, stellt fest: Unüberwindliches ist da nicht zu sehen. Die SPD macht Zugeständnisse beim Bürgergeld, die CDU wird wohl die Steuersenkungen strecken – zum Leidwesen vieler Betriebe. Und bei der Rente hat Merz ja das heikelste Thema von vornherein untergehen lassen: Die Erhöhung des Renteneintrittsalters. Auch das ist keine gute Nachricht für Unternehmerinnen und Unternehmer.  

Wer es mit der deutschen Wirtschaft hält, braucht Hoffnung: Womöglich überraschen uns die Parteien ja mit einem Koalitionsvertrag, der einen Aufbruch auslöst. Denn nach der Wahl 2025 ist vor der Wahl 2029. Und für undenkbar halten sollten Politikerinnen und Politiker gar nichts mehr. Trump inklusive der Äußerungen und Taten seiner Anhänger waren undenkbar in den USA und wurden Realität. Und dass rechte Parteien in Ländern wie Italien, Österreich oder Frankreich – um nur einige zu nennen – derart erfolgreich sind, wurde dort auch viele Jahre unterschätzt.

Für die AfD sind längst nicht mehr die Grünen der Hauptfeind, sondern die CDU. Die in Teilen rechte Partei strebt nach mehr. Das Ziel lautet, die CDU zu marginalisieren. Genauso wie sich diverse konservative Parteien der Mitte in anderen Ländern auch selbst zerlegt haben. Egal wie die neue Regierung in Deutschland aussehen wird, sie muss wirkungsreiche Antworten finden auf große Herausforderungen mit dem kleinsten gemeinsamen Nenner, der komplizierte Koalitionen erfordern.

Können Konservative auch Tempo?

Aber es gibt Grund zur Hoffnung, dass wir hierzulande nicht den französischen, italienischen oder österreichischem Weg gehen: Deutschland hat eine andere gesellschaftliche Struktur hat, die stark im dezentralen verwurzelt ist. In der Verantwortung vor Ort im Vereinswesen und vielen anderen Organisationen, in denen konservative Werte gelten.

Aber vor allem haben wir eine starke Wirtschaft, die es trotz gewisser Versäumnisse mit dem globalen Wettbewerb aufnehmen kann. Es braucht dafür aber rasch die richtigen Reformen, damit die Menschen diese Stärke auch spüren und sie ihnen Sicherheit gibt.

Die CDU muss erkennen, dass konservativ auch cool sein kann und bedeutet, dass Politik allen Generationen zugute kommt – aber auch allen gleich viel abfordert. Und dass sich möglichst alle Bürger mit konservativen Werten identifizieren können. Dabei gilt: Die größte Ressource, die Konservative haben, ihre Ultima Ratio, ist das Ehrenwort. Das hat Friedrich Merz gelinde gesagt strapaziert im Wahlkampf, als er mit den Stimmen der AfD bei Migration Politik gemacht hat.

Wenn der Vordenker Yuval Noah Harari in seinem aktuellen Buch „Nexus“ schreibt, dass konservativ weniger eine Frage der Politik sei, sondern des Tempos, dann ist da einiges dran. Die CDU muss beweisen, dass sie auch schnell sein kann.

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