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Politik > Finanzpolitik: Sondervermögen vs. Haushaltslücke

Neue Regierung plant 900-Milliarden-Sondervermögen trotz 150-Milliarden-Haushaltslücke

CDU und SPD verhandeln über massive Kreditaufnahmen für Verteidigung und Infrastruktur. Finanzminister warnt vor 150-Milliarden-Finanzierungslücke bis 2028.

(Foto: picture alliance)

Die mögliche schwarz-rote Koalition steht vor enormen finanziellen Herausforderungen. Während CDU und SPD über zwei neue Sondervermögen in Höhe von insgesamt 900 Milliarden Euro für Verteidigung und Infrastruktur verhandeln, warnt Bundesfinanzminister Jörg Kukies vor einer Haushaltslücke von bis zu 150 Milliarden Euro bis 2028. Diese Diskrepanz zwischen geplanten Ausgaben und tatsächlicher Finanzlage verdeutlicht die komplexe Aufgabe, vor der die neue Regierung steht.

Geplante Sondervermögen: 900 Milliarden für Verteidigung und Infrastruktur

Im Zentrum der Verhandlungen zwischen Union und SPD stehen zwei massive Sondervermögen. Für die Bundeswehr ist ein Volumen von 400 Milliarden Euro im Gespräch, während für Infrastrukturinvestitionen sogar 400 bis 500 Milliarden Euro diskutiert werden. Diese Zahlen basieren auf Vorschlägen einer Gruppe von Ökonomen um Clemens Fuest, Michael Hüther, Moritz Schularick und Jens Südekum, die auf Initiative des saarländischen Finanzministers Jakob von Weizsäcker (SPD) ein Konzeptpapier erarbeitet haben.

Die Dimensionen dieser Sondervermögen sind beachtlich: Allein das geplante Verteidigungssondervermögen entspräche etwa 23,5 Prozent der aktuellen Bundesverschuldung von 1,7 Billionen Euro. Zusammen würden beide Sondervermögen die Staatsverschuldung um mehr als 50 Prozent erhöhen.

Haushaltslücke von 150 Milliarden Euro bis 2028

Diesen ambitionierten Plänen steht jedoch eine prekäre Haushaltslage gegenüber. Finanzminister Kukies präsentierte in der Sondierungsrunde eine ernüchternde Bilanz: In der Finanzplanung für die kommende Legislaturperiode fehlen 130 bis 150 Milliarden Euro. Allein für den Etat 2025 bezifferte das Finanzministerium die Lücke auf etwa 30 Milliarden Euro. In den Folgejahren steigt das Defizit weiter an, mit einem Höhepunkt von 39 Milliarden Euro im Jahr 2028.

Diese Zahlen berücksichtigen noch nicht potenzielle Mehrausgaben im Sozialbereich oder schwächere Steuereinnahmen. Jens Hogrefe, Haushaltsexperte am Kiel Institut für Weltwirtschaft, schätzt die tatsächliche Haushaltslücke sogar auf etwa 200 Milliarden Euro, wenn man Finanzierungsprobleme von Kommunen und Sozialversicherungen einbezieht.

Zeitdruck und politische Verhandlungen

Die Zeit für Verhandlungen ist knapp bemessen. Bis zum EU-Gipfel am Donnerstag wollen Union und SPD einen Kompromiss erzielen, um auf europäischer Ebene handlungsfähig zu sein. CDU-Chef Friedrich Merz betonte die Dringlichkeit: "Die Dringlichkeit aus meiner Sicht ist groß."

Für die Verabschiedung der Sondervermögen und die dafür notwendige Grundgesetzänderung sind Union und SPD im alten Bundestag auch auf die Zustimmung der Grünen angewiesen. Diese zeigen sich jedoch verärgert über ihre bisherige Nichteinbindung in die Gespräche. Andreas Audretsch, Grünen-Fraktionsvize, kritisierte: "In einer so heiklen Frage Termine und wilde Ideen über die Presse zu spielen, ist unverantwortlich."

Wirtschaftliche Auswirkungen und Risiken

Die geplanten Kreditaufnahmen bergen erhebliche wirtschaftliche Risiken. Oliver Holtemöller, Konjunkturforscher am Institut für Wirtschaftsforschung in Halle, warnt vor allem vor Inflation: "Wenn wir die Staatsverschuldung in großem Umfang schnell erhöhen, gibt es das Problem realer Knappheiten." Dies könnte zu steigenden Preisen führen und die EZB zu Zinserhöhungen zwingen, was wiederum die Refinanzierung der Schulden für den Staat verteuern würde.

Die Zinslast des Bundes hat sich bereits spürbar erhöht. Von einem Tiefstand von etwa vier Milliarden Euro im Jahr 2021 stiegen die Zinskosten auf 37,7 Milliarden Euro im Jahr 2023. Bei einem Anstieg des durchschnittlichen Zinssatzes auf das Niveau Italiens (3,5 Prozent) könnte sich die jährliche Zinslast auf fast 100 Milliarden Euro erhöhen.

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