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Politik > Kommentar

Neuer Bundestag: Wie Julia Klöckner gegen Weimarer Verhältnisse ankämpft

Deutschland hat eine neue höchste Frau im Staate: Julia Klöckner ist zur Bundestagspräsidentin gewählt worden. Warum ihre Performance für die Wirtschaft so wichtig ist und wie beeindruckend ihr Start war – ein Kommentar.

Julia Klöckner lacht
Julia Klöckner nach ihrer Wahl zur neuen Bundestagspräsidentin während der konstituierenden Sitzung des neu gewählten Deutschen Bundestages in Berlin am 25. März 2025.

Von Thorsten Giersch

Vier Wochen nach der Bundestagswahl ist das neue Parlament zusammengekommen. Selten wurde es so durchgewirbelt: Die FDP ist raus, insgesamt sind 333 der zuletzt 720 Abgeordneten nicht mehr dabei. Auf den Fluren der Bürogebäude stapeln sich Tische, Schränke, Wasser- und Bierkisten. Auf einem Karton mit Büchern steht „Zu verschenken“ – als ob nur Abgeordnete lesen dürfen. Im. Neuen Bundestag gibt es „nur“ noch 630 Abgeord­ne­te in fünf Fraktio­nen. Von links nach rechts sitzen Linke, SPD, Grüne, CDU/CSU und AfD.

Und diese entschieden (um genau zu sein 622 gültige Stimmen),  wer sie als Präsidentin führen soll: CDU-Politi­ke­rin Julia Klöck­ner bekam 382 Stimmen. Die Wahl ist geheim, Union und SPD haben zusam­men 328 Stimmen. Zuvor hatte der Tradition folgend Alters­prä­si­dent Gregor Gysi (Linke) die erste und konsti­tu­ie­ren­de Sitzung des neuen Bundestages eröffnet – und nach diversen Formalitäten eine Rede gehalten, die sehr viele im hohen Haus enttäuschte. Applaus gab es praktisch nur von den Linken.

Nach ihrer Wahl hielt dann Julia Klöckner aus Sicht vieler Abgeordneter die Ansprache, die Gysi hätte halten sollen. Sie appellierte kraftvoll zum Dialog, zum Zuhören und warb für „eine neue Vertrauensbeziehung zwischen Bürgern und Volksvertretern“ inklusive „Optimismus-Ruck“, der durchs Land gehen solle.

Im Zentrum ihrer Rede steht der Kampf für die Demokra­tie, „ganz gleich, aus welcher Richtung“ Angriffe auch kommen mögen – ob von links oder von rechts. Es ist eine staats­tra­gen­de Rede im leicht pfälzi­schen Dialekt. Klöck­ner forderte ein zivili­sier­tes Mitein­an­der, schließlich habe Einfluss auf die Gesell­schaft, wie im Parla­ment disku­tiert wird.

Die Aufgabe als Bundestagspräsidentin war wohl noch nie so wichtig wie in dieser Legislatur, zeigt die AfD-Fraktion gleich zum Start. Die Truppe ist laut und in der Lage, Stimmung zu machen. Sie bremst die Abläufe aus mit zig Anträgen. Das ist ihr Recht und die Partei repräsentiert gut 20 Prozent der Wähler. Aber dort sitzen eben auch Verfassungsfeinde, die hetzen, pöbeln und die politische Debatte vergiften. Durch das Verhalten vieler AfD-Abgeordneten hat es sich die Partei selbst eingebrockt, dass man ihr Ämter wie die Bundestag-Vizepräsidentschaft verwehrt.

Klöckner muss mit dem AfD-Krach klarkommen. Natürlich seien die Rechte der Opposi­ti­on Teil der Demokra­tie, konstruk­ti­ven Streit müsse man aus­hal­ten, solange der Stil gewahrt bleibt: „Ich werde darauf achten, dass wir ein zivili­sier­tes Mitein­an­der führen.“ Es müsse ein neues Vertrau­en der Bürger in die Demokra­tie erwor­ben werden.

Es wird viele Momente im neuen Bundestag geben, die für sie aber auch für die Bürger schwer zu ertragen sind. Für die Regierung Merz sollte jeder dieser Momente eine Mahnung sein. Der „Hauch von Weimar“, der laut Beobachtern durch den Bundestag weht, ist sehr gefährlich. Die (Laut-) Stärke der AfD sollte alle Parteien daran erinnern, was auf dem Spiel steht. Scheitern ist keine Option.

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