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Politik > Russlands wirtschaftliche Krise

Putins Alptraum: Rubelsturz und der geopolitische Kollaps zwingen Russland in die Knie

Rubelcrash, hohe Verluste und geopolitische Schmach: Putins Russland in der Krise und offen für Verhandlungen.

Ein unerwarteter Sturzflug: Manchmal erinnert selbst die Natur daran, dass die Höhen der Macht nicht vor unliebsamen Überraschungen schützen. (Foto: shutterstock)

Von Wolfram Weimer

 

Das Debakel begann erstens mit dem Rubelcrash, ausgelöst durch neue Sanktionen der USA gegen die Gazprom-Bank. Der Rubel taumelt seither und gehört nun zu den schwächsten Währungen überhaupt.

Damit wird aller Welt offenbar, dass Putins Kriegswirtschaft und Russlands Staatsfinanzen schwer unter Druck geraten. Der Unmut innerhalb Russlands darüber wächst rasant. Denn den Preis für die Finanzschieflage zahlen vor allem Haushalte und Unternehmen über enorme Zinsen. Der wichtigste Leitzins steht bereits bei 21 Prozent und dürfte bald weiter steigen.

Für kurzfristiges Geld müssen normale Russen jetzt mehr als 25 Prozent Zinsen zahlen. Das Kreditgeschäft und Investitionen ziviler Unternehmen (Rüstungsunternehmen werden subventioniert) kommen beinahe zum Erliegen. Es rumort daher im Land, die Russische Union der Industriellen und Unternehmer (RSPP) wagt nun sogar offen Kritik an der dramatischen Finanzlage. Putin kommt nach bald drei Kriegsjahren wirtschaftspolitisch unter Druck.

 

Front-Fortschritte zu immensen Kosten

Die zweite Hiobsbotschaft kommt von der Front in der Ukraine. Zwar rücken die russischen Truppen langsam, aber stetig kilometerweise voran. Doch die Meldungen über die eigenen Verluste sind grauenhaft hoch. Militärblogger berichten von einem "gigantischen menschlichen Front-Fleischwolf".

Die Armeeführung opfere erschreckend viele Soldaten für minimale Geländegewinne. Am vergangenen Donnerstag alleine hat Russland nach Angaben von ukrainischen Militärbeobachtern mehr als 2.000 Soldaten verloren - dazu zählen sowohl Getötete als auch Verwundete. Das ist die bisher höchste Zahl an einem Tag.

Der amerikanische Verteidigungsminister Lloyd Austin hat in einer Rede auf dem Reagan National Defense Forum in Kalifornien darauf hingewiesen, dass die russische Armee seit Beginn des Angriffskrieges im Februar 2022 mindestens 700.000 Opfer zu beklagen habe. Austin zufolge habe Russland zudem "mehr als 200 Milliarden Dollar" für den Krieg vergeudet.

Die hohen Opferzahlen und die am Rubelcrash ablesbare Finanzkrise bilden für Putin ein toxisches Gemisch innerer Unzufriedenheit, zumal durchschlagende militärische Erfolge ausbleiben. Trotz der hohen Opfer gelingt es der russischen Armee nicht einmal, die ukrainischen Truppen aus der heimischen Region Kursk zurückzudrängen. Der verantwortliche Kommandeur wurde ausgetauscht. Bei einem Auftritt im Kremlpalast, wo Putin den "Helden Russlands" die Goldstern-Medaille verliehen hat, waren im anwesenden Publikum ungewöhnlich versteinerte Minen zu sehen. Kurzum: Die Stimmung verdüstert sich.

Geopolitische Schmach

Mitten in die Dezemberkrise kommt nun der Fall des syrischen Diktators Baschar al-Assad. Für Putin ist dies ein militärisches Debakel und eine gewaltige geopolitische Schmach. Fast zehn Jahre hat Russland mit gewaltigen Kosten den Diktator an der Macht gehalten. Nun war alles umsonst.

Moskau muss gar darum betteln, dass seine Resttruppen einen sicheren Abzug gewährt bekommen. Putin hat damit nicht nur den Einfluss und die Kontrolle über einen wichtigen Verbündeten im Nahen Osten verloren, sondern auch sein einziger Marinestützpunkt am Mittelmeer droht ihm verloren zu gehen.

Der Assad-Sturz schwächt Russlands geopolitische Machtposition auf dramatische Weise. Die gesamte Weltöffentlichkeit sieht nun, dass Russland seine ohnedies wenigen Unterstützer nicht beschützen kann.

Das grelle Bild russischer Schwäche wird dazu führen, dass Russland andernorts neu getestet wird - etwa in Georgien, aber auch in eigenen Provinzen, vor allem in den muslimisch geprägten. So sind in der russischen Teilrepublik Dagestan Unruhen ausgebrochen. Islamistische Oppositionsgruppen fühlen sich durch die Ereignisse in Syrien ermutigt, Moskau herauszufordern.

Insgesamt zeigt die Lage, dass Russland mit der Aggressionspolitik Putins in eine klassische Krise imperialer Überdehnung geraten ist. Auch das Eingreifen der Russen in Libyen und in anderen afrikanischen Staaten bricht weitgehend zusammen. Schlagartig ist Russland von der gefühlten Weltmacht zu einer Grenzkriege führenden Regionalmacht geschrumpft.

Offen wie nie für Verhandlungen

Putin droht damit eine Kettenreaktion schlechter Entwicklungen. Diplomaten berichten, dass der Kreml auch deswegen plötzlich offener für sofortige Friedensverhandlungen im Ukraine-Krieg sei. Hinter den Kulissen sei in den vergangenen Tagen "mächtig Bewegung" in den Einstieg zu Waffenstillstandsgesprächen gekommen. "In Moskau scheint die Einsicht zu reifen, dass man den Krieg nun besser in politische Verhandlungen münden lassen sollte", sagt ein NATO-Vertreter in Brüssel.

Der Kreml erklärte am Sonntag tatsächlich ungewöhnlich direkt, Russland sei offen für Gespräche über die Ukraine, nachdem der designierte US-Präsident Donald Trump "einen sofortigen Waffenstillstand und Verhandlungen" gefordert hatte. Kreml-Sprecher Dmitri Peskow sagte, die Friedensverhandlungen müssten sich auf die 2022 in Istanbul getroffenen Vereinbarungen und auf die aktuellen Gegebenheiten auf dem Schlachtfeld stützen. Kiew müsste demnach noch vor Verhandlungsbeginn massive Gebietsverluste zugestehen - bekommt aber auch entsprechenden Druck des designierten US-Präsidenten Donald Trump.

Peskow wies laut der Nachrichtenagentur Reuters darauf hin, dass die Ukraine Kontakte mit der russischen Führung durch ein spezielles Dekret verboten habe, das aufgehoben werden müsse, wenn die Gespräche fortgesetzt werden sollten. Der Tonfall ist deutlich offener für einen Einstieg in den Ausstieg vom Krieg. Der Rubelcrash, die hohen Opferzahlen, die Schmach von Syrien, kurzum der schwarze Dezember scheinen Wirkung auf Putin zu haben.

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