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Politik > Kommentar

Rüstungsboom statt Zukunft? Warum andere Branchen jetzt wichtiger sind

Die Politik setzt auf Rüstung, während Schlüsselbranchen wie Bildung und Pflege vernachlässigt werden – mit Folgen für unsere Zukunft.

(Foto: shutterstock)

von Thorsten Giersch

Die Ampelkoalition wollte uns bei ihrem Start glauben machen, dass es ein grünes Wirtschaftswunder geben könnte. Das Gegenteil ist passiert. Nun reden die neue Regierung und andere ein olivgrünes Wirtschaftswunder herbei, als ob Investitionen in Rüstung unserer Wirtschaft nachhaltig und nennenswert auf die Beine helfen würden. Das lenkt vom Wesentlichen ab. 

Dieser Tage hoffen viele Menschen, dass Rüstungsfirmen die Arbeitsplätze retten, die in der Autoindustrie gerade wegfallen. Das wird in Einzelfällen gelingen. Wenn der Rheinmetall-Chef sich das VW-Werk in Osnabrück anschaut, das 2027 geschlossen werden soll, ist das gut für die 2300 Beschäftigten dort. Aber Fachleute warnen vor überzogenen Erwartungen. Und wer ein Auto kauft, kommt damit von A nach B. Vier Räder führen zu Mobilität, Teilnahme an der Gesellschaft und schaffen Wert. Die Ketten eines Panzers stehen entweder herum oder werden im Kampf kaputt geschossen. Rüstung mag ein gewisses Gefühl der Sicherheit schaffen, aber mehr auch nicht.

Es mag dem Standort D ein klein wenig nutzen, dass bei Rheinmetall gerade die Sektkorken ähnlich laut knallen wie die Geschütze auf dem Panzer-Trainingsgelände. Aber vieles spricht dafür, dass wir in den kommenden Jahren einen sehr hohen Preis dafür bezahlen werden, so viel des knappen Geldes in Rüstung zu stecken. Wie notwendig das alles für unsere Sicherheit wirklich ist, wird dann die Geschichte zeigen. Klar ist: Wir dürfen die Debatte darüber, wie deutsche Unternehmen zukunftsfähig werden, nicht einseitig führen. 

Es gibt mehrere Industrien in Deutschland, die viel stärker unterstützt werden sollten – auch weil Deutschland hier im internationalen Vergleich erhebliches Potenzial hat und innovativ ist: Raumfahrt, Maschinenbau. Bei der Chipindustrie ist die Lage ambivalent, aber wir müssen unabhängiger werden. Oder Pharma beziehungsweise das Gesundheitswesen als Ganzes. Hier sind allgemein neue Strukturen nötig. Konkret auf die Betriebe bezogen braucht es keine große Hilfe von der Politik – es würde schon reichen, die Betriebe nicht mehr unnötig zu belasten. 

Natürlich wissen die Großen der Pharmaindustrie, wie sie ihre Interessen in Berlin und Brüssel durchsetzen. Aber das Gros der Branche ist mittelständisch geprägt: Mehr als 90 Prozent der Firmen sind kleine und mittlere Unternehmen und gerade sie werden von einer Fülle an Regulierung erdrückt – gern auch je nach Region unterschiedlich. Der Föderalismus schadet nirgendwo stärker als in der Gesundheitsbranche. 

Die Branche hat Zukunft. Die Pharmaindus­trie bedient Bedarfe, die in einer alternden Gesellschaft noch größer werden. Sie ist überdies relativ CO2-arm. Energie wird hierzulande immer teurer sein als in den USA oder den meisten anderen europäischen Ländern – aber bei Pharmaprodukten spielt das keine allzu große Rolle. 

Und die neue Bundesregierung wirkt auch nicht, als wollte sie das Gesundheitswesen nachhaltig reformieren. Immerhin soll Bürokratie fallen, was allerdings bisher jede Bundesregierung versprochen hat. Und offenbar wird mehr Augenmerk auf Raumfahrt gelegt. Im neuen Ministerium für Infrastruktur, Verkehr und Raumfahrt taucht es zumindest dem Namen nach prominent auf.

Ein anderes Beispiel sind ­Quantencomputer – übrigens eng mit dem Gesundheitswesen verknüpft: Nicht zuletzt Boehringer-Ingelheim sieht hier große Chancen beim Entwickeln neuer Medikamente. Die Hochleistungsrechner werden die Branche enorm beschleunigen, und Deutschland hat das Zeug, hier vorn dabei zu sein.  

Die Forschung ist vielversprechend. Seit Jahren wird es immer wieder gefordert, inzwischen läuft einiges, aber da geht mehr: Warum nicht mehr Kooperation zwischen Firmen und Forschung? Oder gar ein Airbus 6.0, enge europäische Zusammenarbeit von Unternehmen mit ähnlichen Produkten? Bitte nicht klein denken. Zur Erinnerung: Ursprünglich waren die US-Unternehmen Boeing und McDonell Douglas dem europäischen Flugzeugbauer weit voraus. Heute ist Airbus trotz aller politischen Bedingungen führend, McDonell weg vom Markt und Boeing in der Existenzkrise. Wir müssen gerade angesichts der Trumpschen Abschreckungspolitik in den USA jetzt alles dafür tun, dass Deutschland der beste Ort für Forscher ist. 

Deutschlands Zukunftsindustrien liegen in anderen Bereichen. 

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