Beitrag teilen

Link in die Zwischenablage kopieren

Link kopieren
Suchfunktion schließen
Politik > Strompreisdebatte

Stromsteuer-Senkung - nun doch?

Erst der Rückzieher, jetzt ein mögliches Einlenken: Die Bundesregierung prüft offenbar doch eine breitere Stromsteuer-Senkung – trotz Haushaltszwängen.

Bundeswirtschaftsministerin Katharina Reiche hatte ursprünglich Entlastungen für alle Stromkunden im Blick – doch angesichts des knappen Haushaltsrahmens muss erneut geprüft werden. (Foto: picture alliance)

Die Bundesregierung steht unter Druck, ihr Versprechen zur Senkung der Strompreise einzulösen. Ursprünglich hatte die schwarz-rote Koalition im Koalitionsvertrag vereinbart, als "Sofortmaßnahme" die Stromsteuer für alle Verbraucher auf das europäische Mindestmaß zu senken. Doch im Entwurf für den Bundeshaushalt 2025 ist bislang nur eine Verlängerung der Vergünstigung für das produzierende Gewerbe vorgesehen.

Diese Abkehr von der ursprünglichen Zusage hat heftige Kritik von Wirtschaftsverbänden und Energieversorgern ausgelöst. Nach Informationen aus Regierungskreisen soll das Thema nun auf der Agenda des nächsten Koalitionsausschusses am kommenden Mittwoch stehen. Dort will man besprechen, ob andere Ausgaben im Haushalt verzichtbar sind, um Spielraum für weitere Entlastungen bei den Energiepreisen zu schaffen.

Finanzielle Dimension der Stromsteuerentlastung

Die Senkung der Stromsteuer für das produzierende Gewerbe kostet den Bund bereits in diesem Jahr 3,7 Milliarden Euro. Insgesamt sind Einnahmen aus der Stromsteuer in Höhe von 5,9 Milliarden Euro veranschlagt – die größtenteils wegfallen würden, wenn die Stromsteuer für alle Verbraucher deutlich gesenkt würde.

Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) dämpfte bereits die Erwartungen: "Wenn wir mehr machen könnten, würden wir mehr machen, aber wir müssen auch einen Blick auf den Bundeshaushalt haben", erklärte er in einem Video auf Instagram.

Für Unternehmen außerhalb des produzierenden Gewerbes bedeutet die aktuelle Situation weiterhin eine hohe Belastung durch Energiekosten, während ihre direkten Wettbewerber im produzierenden Sektor von Vergünstigungen profitieren.

Ungleichgewicht in der Energiebesteuerung

Die deutsche Stromsteuer liegt mit 2,05 Cent je Kilowattstunde deutlich über dem europäischen Mindestmaß von 0,1 Cent. Die ursprünglich geplante Senkung um 1,95 Cent je Kilowattstunde hätte für einen durchschnittlichen Haushalt zu einer jährlichen Entlastung von knapp 50 Euro netto geführt.

Problematisch ist dabei weniger allein das absolute Niveau der Stromsteuer, sondern vor allem die steuerliche Schieflage im Vergleich zu fossilen Energieträgern: So beträgt die Erdgassteuer lediglich 0,55 Cent pro Kilowattstunde. Zwar sind Strom und Erdgas in vielen Anwendungen keine direkten Substitute – und Erdgas wird zudem häufig zur Stromerzeugung eingesetzt –, dennoch entsteht eine strukturelle Verzerrung. Besonders für Unternehmen, die ihre Prozesse im Sinne der Energiewende elektrifizieren wollen, bedeutet die vergleichsweise hohe Besteuerung von Strom ein erhebliches Investitionshemmnis.

Auch Eon-Vertriebschef Deutschland, Filip Thon, kritisierte diese Diskrepanz: „Dieser Kurs ist aus unserer Sicht ein grundlegend falsches Signal für die Energiewende und die Bestrebungen, die Energieversorgung nachhaltiger zu gestalten.“

Alternative Entlastung durch Netzentgelte

Während die Debatte um die Stromsteuer im Vordergrund steht, plant die Koalition eine andere Entlastung bei den Strompreisen: Die Netzentgelte sollen durch einen staatlichen Zuschuss sinken. "Ab 2026 planen wir eine spürbare Absenkung der Übertragungsnetzentgelte", heißt es aus dem Bundeswirtschaftsministerium von Katherina Reiche (CDU).

Ein solcher Zuschuss war bereits von der Vorgängerregierung geplant, musste aber nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Klima- und Transformationsfonds (KTF) wieder gestrichen werden. Nun ist eine Finanzierung über den KTF mit rund 6,5 Milliarden Euro jährlich vorgesehen.

Für Unternehmen könnte diese Entlastung bei den Netzentgelten eine Alternative zur Stromsteuersenkung darstellen, wobei die konkreten Auswirkungen auf die Gesamtstromkosten noch nicht beziffert wurden.

Langfristige Kostenentwicklung der Energiewende

Der Entlastungsbedarf bei den Netzentgelten könnte in den kommenden Jahren noch steigen. Die Denkfabrik Agora Energiewende prognostiziert, dass bis zum Jahr 2045 Zuschüsse von 197 Milliarden Euro nötig sein werden. Grund sei der immer teurer werdende Netzausbau für die Energiewende. Innerhalb der nächsten zehn Jahre könnten die Netzentgelte laut Agora-Berechnungen um bis zu 30 Prozent steigen. Um die Netzausbaukosten zu senken, schlägt Agora Energiewende laut einem Bericht der F.A.Z. drei zentrale Maßnahmen vor: Ab dem Jahr 2030 sollen vorrangig Freileitungen anstelle teurer Erdkabel verlegt werden. Zudem könnte sich der Bund über einen Infrastrukturfonds direkt an den vier Übertragungsnetzbetreibern beteiligen, um deren Finanzierungskosten zu reduzieren. Als dritte Maßnahme wird die Einführung dynamischer Netzentgelte für flexible Verbraucher empfohlen – eine Weiterentwicklung der bereits bestehenden zeitvariablen Tarife. Letztere ermöglichen es Nutzern steuerbarer Verbrauchseinrichtungen wie Wärmepumpen oder E-Autos, durch netzdienliches Verhalten Geld zu sparen.

 

Der Podcast

Markt und Mittelstand ist Deutschlands größtes Magazin für Familienunternehmen und unser Podcast berichtet aus nächster Nähe für und über den Mittelstand.

Unser Ziel ist, (potenzielle) Führungskräfte in mittelständischen Unternehmen auf Ideen zu bringen, wie sie ihr Unternehmen zukunftsfester machen können.

Zu unseren Podcasts

Zu unseren Podcasts auf Youtube

Zu Markt und Mittelstand auf podigee (Podcasts)

 

Ähnliche Artikel