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Politik > Internationale Handelspolitik

Studie zu Trumps Zollpolitik: Reziproke Zölle treffen deutsche Exporte nur leicht

Neue ifo-Studie: Trumps reziproke Zölle würden deutsche US-Exporte nur um 2,4 % senken – doch die Risiken für die Weltwirtschaft sind gravierend.

Zollkrieg: Symbolbild mit Schachfiguren; USA als König
(Foto: shuttesrtock)

Die von Donald Trump angekündigten "reziproken" Zölle würden die deutschen Exporte in die USA voraussichtlich nur um 2,4 Prozent reduzieren. Zu diesem Ergebnis kommt eine aktuelle Simulation des ifo Instituts. Die Forscher untersuchten dabei das Szenario, dass die USA ihre Zölle auf Produkte um genau jenen Betrag erhöhen, den ihre Handelspartner auf entsprechende US-Produkte erheben. Die moderate Auswirkung erklärt sich durch die relativ geringe Zolldifferenz zwischen den USA und der EU, die bei lediglich 0,5 Prozent liegt. Dennoch wäre potenziell mehr als die Hälfte aller deutschen Exporte in die USA von den neuen Zollregelungen betroffen.

Deutlich geringere Auswirkungen als bei pauschalen Zöllen

Die Simulation des ifo Instituts zeigt einen bemerkenswerten Unterschied zwischen den Auswirkungen reziproker und pauschaler Zölle. Während die wechselseitigen Zölle die deutschen Exporte in die USA nur um 2,4 Prozent reduzieren würden, hätten pauschale US-Zölle von 20 Prozent deutlich gravierendere Folgen.

Frühere Berechnungen des Instituts ergaben, dass bei pauschalen US-Zöllen von 60 Prozent auf China und 20 Prozent auf den Rest der Welt (einschließlich der EU) die deutschen Exporte in die USA um etwa 15 Prozent zurückgehen würden. Dies verdeutlicht, dass die spezifische Ausgestaltung der Zollpolitik entscheidend für deren wirtschaftliche Auswirkungen ist.

Verhandlungspotenzial mit positiven Effekten

Die ifo-Simulationen zeigen überraschenderweise auch positive Szenarien auf. Sollte es der EU gelingen, durch Verhandlungen wechselseitige Zölle auf beiden Seiten gleichermaßen abzubauen, hätte dies vorteilhafte Auswirkungen auf die deutsche Wirtschaft.

"Wenn die EU mit den USA vollständig reziproke Zölle aushandelt, und Trump bereit wäre, Zölle auch entsprechend zu senken, würde die deutsche Wertschöpfung steigen", erklärt ifo-Handelsexpertin Lisandra Flach. Diese Erkenntnis unterstreicht die strategische Bedeutung von Verhandlungen, um die negativen Auswirkungen eines potenziellen Handelskrieges abzuwenden.

Für exportorientierte Unternehmen bedeutet dies, dass trotz der beunruhigenden Rhetorik durchaus Raum für konstruktive Lösungen besteht. Die Bereitschaft zu Verhandlungen könnte sogar zu einer Verbesserung der Handelsbedingungen führen.

Methodische Grundlage der Simulationen

Die Berechnungen des ifo Instituts basieren auf einem komplexen Handelsmodell, das sowohl Zölle als auch nicht-tarifäre Handelshemmnisse berücksichtigt. Das Modell umfasst 141 Länder und 65 Wirtschaftssektoren, die zusammen über 90 Prozent der globalen Wertschöpfung repräsentieren.

Ein besonderer Vorteil der Simulationen liegt in der Nutzung umfassender Zollinformationen auf Produktebene, die eine präzise Berechnung der Zolldifferenzen zwischen den USA und ihren Handelspartnern ermöglichen. Diese methodische Tiefe verleiht den Ergebnissen eine hohe Zuverlässigkeit und macht sie zu einer wertvollen Entscheidungsgrundlage für Unternehmen und politische Entscheidungsträger.

Risiken und Chancen

Chancen:

  • Verhandlungspotenzial: Bei erfolgreichen Verhandlungen zum beidseitigen Zollabbau könnte die deutsche Wertschöpfung sogar steigen, was neue Exportmöglichkeiten eröffnen würde.
  • Differenzierte Betroffenheit: Da nicht alle Branchen gleichermaßen von Zöllen betroffen sind, könnten sich für einige Sektoren sogar Wettbewerbsvorteile ergeben, wenn Konkurrenten stärker belastet werden.
  • Anpassungsfähigkeit: Deutsche Unternehmen haben bereits während Trumps erster Amtszeit Erfahrungen mit protektionistischen Maßnahmen gesammelt und entsprechende Anpassungsstrategien entwickelt.

Risiken:

  • Systemische Gefährdung: Die neue Zollpolitik untergräbt laut ifo-Expertin Flach "fast 80 Jahre Multilateralismus" und stellt einen "Frontalangriff auf die regelbasierte Weltwirtschaftsordnung" dar.
  • Eskalationspotenzial: Falls die EU mit Gegenmaßnahmen reagiert, könnte sich ein Handelskrieg entwickeln, der die negativen wirtschaftlichen Auswirkungen deutlich verstärken würde.
  • Planungsunsicherheit: Die unvorhersehbare Handelspolitik erschwert langfristige Investitions- und Expansionsentscheidungen für international tätige Unternehmen erheblich.

Fazit

Die von Donald Trump propagierte Zollpolitik steht im klaren Widerspruch zur jahrzehntelangen US-Tradition des freien Welthandels. Seit dem Zweiten Weltkrieg hatten die Vereinigten Staaten entscheidend am Aufbau eines multilateralen, regelbasierten Handelssystems mitgewirkt – verkörpert durch GATT und WTO. Trumps protektionistischer Kurs markiert nun eine tektonische Verschiebung: weg vom Prinzip des gegenseitigen Vorteils, hin zu einem Nullsummen-Denken à la Merkantilismus.

Konkret bedeutet dies eine Rückkehr zu einem Weltbild, in dem wirtschaftliche Stärke nicht durch Kooperation, sondern durch Konfrontation entsteht. Historisch weckt das Erinnerungen an die Zollspiralen der 1930er Jahre – mit desaströsen Folgen für die Weltwirtschaft.

Zwar zeigen Modellrechnungen, etwa vom ifo Institut, dass die kurzfristigen Schäden für Deutschland moderat bleiben könnten – ein Rückgang der Exporte in die USA um rund 2,4 Prozent –, doch die tiefere Gefahr liegt in der systemischen Erosion des regelbasierten Handels. Für exportabhängige Volkswirtschaften ist weniger der Zollsatz das Problem als die zunehmende Volatilität globaler Wirtschaftsbeziehungen. Der Wegfall verlässlicher Spielregeln zwingt Unternehmen zu strategischer Agilität – und die Politik zu einem neuen Balanceakt zwischen nationalem Interesse und globaler Verantwortung.

 

bwk

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