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Politik > Made in Germany unter Beschuss

Trumps 25-Prozent-Autozölle erschüttern Automobilbranche

US-Präsident Trump kündigt 25 % Importzölle auf Autos an. Deutsche Hersteller unter Druck, aber auch US-Konzerne betroffen. EU plant Gegenmaßnahmen.

(Foto: picture alliance)

Elf Milliarden Euro teurer Crash: Neue US-Zölle treffen VW, BMW & Co. hart

Deutschland steht nach Angaben der Commerzbank an fünfter Stelle der Länder, aus denen fertige Automobile in die USA importiert werden. Im Jahr 2024 wurden rund 450.000 deutsche Fahrzeuge in die Vereinigten Staaten exportiert – mehr als in jedes andere Land. 

Die neuen Zölle treffen somit das Herzstück der deutschen Exportwirtschaft. Besonders betroffen sind Volkswagen, BMW, Mercedes-Benz und Porsche, die zusammen im vergangenen Jahr Fahrzeuge im Wert von 24,8 Milliarden Dollar in die USA exportierten. Analysten schätzen die Nettokosten der Zölle für die drei großen deutschen Autokonzerne auf insgesamt etwa elf Milliarden Euro. Für einzelne Hersteller ergeben sich Zusatzkosten von drei bis 3,5 Milliarden Dollar pro Jahr. Dies entspricht bei Mercedes und BMW etwa zwei Prozent des Umsatzes, bei Volkswagen einem Prozent und bei Porsche sogar zehn Prozent.

Besonders hart trifft es Hersteller ohne eigene Produktionskapazitäten in den USA. Porsche, das alle Fahrzeuge in Europa produziert, steht vor der größten Herausforderung. Finanzchef Jochen Breckner betonte, man sei auf Zölle vorbereitet und setze darauf, Preiserhöhungen an die zahlungskräftige Kundschaft weitergeben zu können.

Die Ankündigung löste an den Börsen umgehend Kursverluste aus und zwingt die Unternehmen zu strategischen Anpassungen.

 

US-Hersteller nicht verschont

Entgegen der Intention Trumps, die heimische Industrie zu stärken, geraten auch US-Autobauer unter Druck. Ford, General Motors und Stellantis produzieren viele Modelle in Mexiko und Kanada. Allein Ford exportierte im ersten Halbjahr 2024 fast 196.000 Fahrzeuge aus Mexiko in die USA. General Motors importierte 2024 rund 750.000 Fahrzeuge aus Kanada und Mexiko. Die Aktienkurse reagierten prompt: GM fiel um über 7 Prozent, Ford um 4,4 Prozent und Stellantis um 7,75 Prozent.

Der Analyst Sam Abuelsamid von Telemetry Insights prognostiziert einen Verlust von zwei Millionen Fahrzeugverkäufen in Nordamerika für 2025. Er warnt: "Die Autohersteller haben nicht die nötigen Gewinnmargen, um Zölle von 10 bis 25 Prozent zu verkraften. Diese werden an die Verbraucher weitergegeben." Eine schnelle Verlagerung der Produktion aller Teile und Fahrzeuge in die USA sei nicht realisierbar und würde Jahre dauern.

"Lieber Donald, können wir jetzt mal reden?'"

Die politischen Reaktionen aus Europa fallen unterschiedlich aus. Bundeskanzler Olaf Scholz bezeichnete Trumps Entscheidung als "falsch" und warnte vor negativen Folgen für alle Beteiligten. Der französische Finanzminister Eric Lombard sprach von einer "sehr schlechten Nachricht" und forderte die EU auf, ihrerseits Zölle zu erhöhen. Großbritannien hingegen signalisierte Zurückhaltung, um eine Eskalation zu vermeiden. 

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen betonte, man strebe weiterhin eine Verhandlungslösung an, werde aber die wirtschaftlichen Interessen der EU wahren. Eine sofortige Verhängung von Gegenzöllen wird nicht erwartet, aber die EU könnte mit konkreten Zöllen drohen, die später in Kraft gesetzt werden könnten.

Wolfgang Ischinger, Präsident des Stiftungsrates der Münchner Sicherheitskonferenz, rät der EU zu einem selbstbewussten Auftreten: "Wir sind der größte zusammenhängende Wirtschaftsblock der Welt. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen vertritt 450 Millionen Europäer. Sie kann ins Oval Office marschieren und sagen: 'Lieber Donald, ich weiß, du hast 340 Millionen, ich habe 450 Millionen, können wir jetzt mal reden?'"

Der deutsche Außenhandelsverband BGA fordert von der EU-Kommission "klare Gegenmaßnahmen", die auch eine Reaktion auf die marktbeherrschende Rolle amerikanischer Digitalkonzerne in Europa beinhalten sollten. Die deutsche Autoindustrie plädiert hingegen für unverzügliche Gespräche über ein bilaterales Abkommen zwischen der EU und den USA.

Börsenreaktionen und Analystenschätzungen

Die Ankündigung der Zölle führte zu deutlichen Kursverlusten bei den Aktien deutscher Autohersteller. Experten wie Mark Delaney von Goldman Sachs erwarten Preissteigerungen zwischen 5.000 und 15.000 US-Dollar pro importiertem Fahrzeug. Selbst bei in den USA montierten Modellen könnten die Kosten aufgrund importierter Komponenten um 3.000 bis 8.000 US-Dollar steigen.

Prof. Friedrich Heinemann vom ZEW-Mannheim sieht paradoxerweise die Möglichkeit fallender Autopreise in Europa aufgrund eines Überangebots. Dies könnte jedoch mittelfristig zu Produktionsdrosselungen und Arbeitsplatzabbau führen. Er schätzt, dass das BIP-Wachstum in Deutschland durch die Autozölle um ein oder zwei Zehntel Prozentpunkte geringer ausfallen könnte.

Analysten der Commerzbank warnen vor dem Risiko einer Zollspirale und erwarten, dass die protektionistischen Barrieren weiter steigen werden. Die Investmentbank Wedbush spricht von einem "orkanartigen" Gegenwind für ausländische und viele US-Autohersteller und rechnet ebenfalls mit Preissteigerungen von 5.000 bis 10.000 Dollar pro Fahrzeug im amerikanischen Markt.
 

Trumps Zollpolitik im Spiegel protektionistischer Traditionen

Die Geschichte zeigt ein wiederkehrendes Muster: Protektionistische Maßnahmen mögen kurzfristig innenpolitisch attraktiv erscheinen, führen jedoch langfristig zu Gegenreaktionen, wirtschaftlichen Verwerfungen und globaler Unsicherheit.

  •     1930: Smoot-Hawley Tariff Act
    Erhöhung der Zölle auf über 20.000 Produkte. Ziel: Schutz amerikanischer Landwirtschaft und Industrie. Folge: Eskalation des internationalen Handelskonflikts, weltweite Gegenzölle und ein dramatischer Rückgang des Welthandels – ein Brandbeschleuniger der Weltwirtschaftskrise.
  •     1980er: Handelsstreit mit Japan
    In der Reagan-Ära verhängten die USA Importquoten und Sonderzölle, insbesondere auf Autos und Elektronik aus Japan. Reaktion: Japanische Konzerne wie Toyota und Honda verlagerten Teile ihrer Produktion in die USA – ein Vorläufer moderner "Nearshoring"-Strategien.
  •     2000er: China unter Beobachtung
    Nach Chinas WTO-Beitritt 2001 kam es immer wieder zu Vorwürfen der Marktverzerrung durch Subventionen und Dumpingpreise. Schon unter Bush und Obama wurden Anti-Dumping-Maßnahmen eingeführt – Trump griff diese Linie deutlich aggressiver auf.
  •     Heute: Wiederkehr des Protektionismus
    Unter Trump wird der protektionistische Kurs radikalisiert: Strafzölle gegen China, aber auch gegen Verbündete wie die EU. Die internationale Ordnung der Nachkriegszeit – geprägt durch WTO, multilaterale Verträge und offenen Handel – gerät zunehmend unter Druck.

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