Wirtschaft am Wendepunkt: Nahles und Vassiliadis fordern Tempo von der Regierung
Industriekrise, Jobabbau, Standortfrage: Nahles und Vassiliadis drängen auf schnelle Umsetzung des Koalitionsplans & mehr wirtschaftliche Souveränität.

Von Midia Nuri
Wohin steuert Deutschland wirtschaftlich? Und wie sieht sie künftig aus? Wie stark bleibt die Industrie? Für Andrea Nahles, Chefin der Bundesagentur für Arbeit, und Michael Vassiliadis, Vorsitzender der Gewerkschaft IG Bergbau, Chemie, Energie, ist klar, dass auch weiter in Deutschland hergestellt werden muss.
„Es gibt phantastische Unternehmen hier“, sagt Vassiliadis auf dem Ludwig-Erhard-Gipfel am Tegernsee. „Das darf wirklich nicht passieren, dass wir hier entwickeln und woanders produziert wird.“ Dafür müsse Deutschland viel tun. Zunächst einmal ist da ein anderer Denkansatz. „Wir müssen den Fokus mehr auf das richten, was wir haben, nicht auf das, was wir gern hätten“, sagt Vassiliadis und nennt unter anderem Technologie, Innovation und Kompetenzen. „Das haben wir – aber wir diskutieren hier rauf und runter andere Sachen“, ärgert er sich. Er weist auch darauf hin, dass Unternehmen und Beschäftigte zusammen handeln müssen. „Wir haben eine Kooperationskultur. Die Gewerkschaften sind bereit, diese zu befördern.“
Die aktuelle Lage? Schwierig. „Wir hören aus Befragungen selbst von Mitgliedern, die sehr lange sehr positiv waren, dass sie sich sorgen“, berichtet der IG BCE-Chef. Die Angst vor Stellenabbau oder dem Firmenaus geht um. Kein gutes Zeichen, denn: „Es ist auch eine Frage der Zuversicht, dass wir hier Investitionen in Infrastruktur nun anpacken, damit die Perspektive überhaupt eine Chance haben kann“, sagt Vasiliadis.
Auch aus Sicht von Arbeitsagenturchefin Nahles ist die Lage schwierig – aber hoffnungsvoll. Trotz zuletzt gestiegener Zahlen liege man knapp unter drei Millionen Arbeitslosen. Aber: „Die Arbeitslosigkeit steigt schneller als die Beschäftigung“, sagt Nahles. Besonders im verarbeitenden Gewerbe und in der Industrie, in der allein von einem Jahr auf das nächste 120.000 Arbeitsplätze weggefallen seien. Um Strukturbrüche wie früher bei Massenentlassungen zu verhindern, stünden die Arbeitsagenturen gleich im Betrieb für die Beratung der Arbeitnehmer parat.
Viele Menschen haben Glück. „Ganz große Konzerne besetzen auch intern wieder“, sagt Vassiliadis. Die Beschäftigten, in deren Bereich gestrichen werde, seien dann nicht arbeitslos – „aber die Wertschöpfung ist weg.“ Wie teilnahmslos das hierzulande hingenommen werde, verstehe er nicht. Viele Jahre habe man sich für die Industrie fast schon geschämt, sagte der Gewerkschaftschef. „Dabei brauchen wir sie.“ Und obwohl Deutschland nie der billigste Standort gewesen sei, habe das Land Produktionsvorteile gehabt, erinnert Vassiliadis. Das Modell: „Nicht billiger, besser.“ Dafür müsste Deutschland sich tunlichst modernisieren und einen Plan festlegen und ihm folgen.

Bundesagenturchefin Andrea Nahles und Chemiegewerkschaftslenker Michael Vasiliadis loben den Koalitionsplan und hoffen auf schnelles Handeln. Die aktuelle Lage ist schwierig.
Die Probleme seien bekannt, sagt Arbeitsagenturchefin Nahles: Strompreise, Ladeinfrastruktur, Infrastruktur generell, für die Investitionen nötig seien. „Wir stehen an einer Weggabelung“, hält sie fest. „Das Handeln der neuen Regierung muss sich nun genau darauf stürzen“, fordert sie. Den wirtschaftspolitischen Teil des Koalitionsvertrags zwischen Union und SPD findet die Sozialdemokratin, früher einmal Parteichefin und einige Jahre unter Kanzlerin Angela Merkel (CDU) Bundesarbeitsministerin, überzeugend. „Die Fragen sind: Wo? Wie schnell?“ Den Koalitionsvertrag entschlossen umzusetzen, ist aus Nahles’ Sicht das beste Mittel gegen die Krise.
Auch Vassiliadis Wunsch an die Regierung lautet „Geschwindigkeit.“ Und Souveränität. Mit Blick darauf erinnert er abermals an früher. „Wir haben uns jahrzehntelang für sehr viel Geld eine eigene Energieversorgung gegönnt, die Steinkohle“, sagt der Gewerkschafter. Stichwort Energiesicherheit. Mit Blick auf Pharma sollte Deutschjland gerade einen ähnlichen Blickwinkel einnehmen, fordert er. „Doch statt auf Versorgungssicherheit zu achten, sagen wir ‚Schaun wir mal‘“, bemängelt Vassiliadis. „Ein bisschen Souveränität müssen wir uns schon zurückholen.“
Nahles Hoffnung richtet sich auf das neue Digitalministerium. „Ich hab eine ganze Latte von Dingen, über die ich sprechen will“, erklärt sie. Sie glaube daran, dass die neue Bundesregierung den Unternehmen die Planungssicherheit liefern werde, die in den vergangenen Jahren gefehlt habe.
Tegernsee Summit: Der Ludwig-Erhard-Gipfel 2025
Tegersee Summit: Berichterstattung

News-Ticker vom Ludwig-Erhard-Gipfel
Auf geht's Deutschland!
Ludwig-Erhard-Gipfel 2025: Auf geht’s Deutschland!
Deutschlands Zukunft: Orientierung, Führung und neues Wachstum
Impulse für Deutschlands Zukunft – Markus Söder zum Ludwig-Erhard-Gipfel 2025
Freiheitspreis der Medien:
- Freiheit braucht Wahrhaftigkeit: Joachim Gauck erhält Freiheitspreis der Medien 2025
- Joachim Gauck kritisiert „hohle Friedensrhetorik“ im Ukraine-Krieg
-
Freiheitspreis der Medien 2025 geht an Joachim Gauck (vom 27.3.2025)
Neue Weltwirtschaftsordnung
- Katharina Reiche: Realitätscheck für Energiewende geplant. Kein Wiedereinstieg in Atomenergie
- Bayerns Wirtschaftsverbandschef Hatz: Deutsche Firmen werden Krise überstehen
-
vbw und bayme vbm gestalten Zukunft am Ludwig-Erhard-Gipfel 2025
-
Jetzt oder nie: Wie die neue Bundesregierung Unternehmer beflügelt
- vbw-Studie: Deutschland muss hausgemachte Risiken schnell ausräumen
-
Globaler Handel in Krisenzeiten: Neue Wachstumsstrategien – aber wie?
-
Internationale Risiken für deutsche Unternehmen: „Wir können den Aufschwung allein schaffen“
-
Theo Waigel bei Weimers Klartext: „Deutschland muss endlich führen“
-
Zu Guttenberg warnt am Ludwig-Erhard-Gipfel: So muss Deutschland auf Trump reagieren
- Hildegard Müller warnt: Standort Deutschland in Gefahr – Autoindustrie fordert Kurswechsel
-
Wirtschaft am Wendepunkt: Nahles und Vassiliadis fordern Tempo von der Regierung
-
Mit „China-Speed“ zum Leitmarkt: Wie Deutschland den E-Auto-Turbo zündet
Finanzen
Jung, digital, planlos? Wie Deutschland den Vermögensaufbau verschläft
FlatexDEGIRO-CEO: Junge Anleger, KI-Trends & starke Mittelzuflüsse trotz Zoll-Crash
IW-Chef Hüther warnt: Ohne Rentenreform drohen längere Arbeitszeiten und höhere Beiträge
Theo Waigel über Euro-Stärke, Rubel-Trend und Aufgaben der Bundesregierung
Technologie
Deutschlands Cyberabwehr wächst
Deutschland bei Prozesstechnologien weltweit auf Rang 4 – China vorn
Hundesteuer digital? Schön. Aber Europas KI-Zukunft liegt woanders
KI in Deutschland: Warum jetzt das Gaspedal durchgedrückt werden muss
Mehanna: Warum KI keine Zauberei ist – und was Unternehmen wirklich brauchen
Emotionale Intelligenz schlägt KI: Warum Unternehmen auf Herzensbildung setzen
Carsten Maschmeyer: Warum ich meine Briefe jetzt mit KI schreibe
Wasserstoff: Vom Hype zum Hoffnungsträger – Warum der grüne Durchbruch so zäh ist
SICHERHEIT
Strack-Zimmermann: "Wer das nicht will, sollte anfangen, Russisch zu lernen"
Deutschlands Cyberabwehr wächst
Future Award
Future Award 2025 geht an Ubimaster
TAgesticker - Zusammenfassung aller Beiträge
7.5.2025 - Ludwig-Erhard-Gipfel 2025 - Tag 1
8.5.2025 - Ludwig-Erhard-Gipfel 2025 - Tag 2
9.5.2025 - Ludwig-Erhard-Gipfel 2025 - Tag 3
Interviews
Im Interview: VBW-Hauptgeschäftsführer Bertram Brossardt
Im Gespräch: Christian Pellis, CEO von Amundi Deutschland
Im Gespräch: Prof. Dr., Achim Schröder: Wie kommt Deutschland an günstigen Strom?
Im Gespräch: Prof. Dagmar Schuller über die Roboter von morgen
Im Gespräch: Bitpanda-CEO Lukas Enzersdorfer über die neuen Optionen der Geldanlage
Ein Land, wo wegen fehlender Aktienkultur viel Geld verschenkt wird?
Die Reportage vom Ludwig-Erhard-Gipfel 2025 - Markt und Mittelstand: Der Podcast