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Politik > Wirtschaftsnobelpreis 2025

Wirtschaftsnobelpreis 2025: Europa braucht mehr Mut zur Erneuerung

| Markt und Mittelstand / red.

Der Wirtschaftsnobelpreis 2025 feiert die kreative Zerstörung – und hält Europa den Spiegel vor: Drei Ökonomen, ein radikales Prinzip: Nur wer das Alte zerstört, schafft Neues.

Zeichnung Köpfe Nobelpristräger Wirtschaft 2025
Die Preisträger des Wirtschaftsnobelpreises 2025: Joel Mokyr, Philippe Aghion und Peter Howitt – Vordenker der kreativen Zerstörung. (Foto: Ill. Niklas Elmehed /Nobel Prize Outreach)

Markt und MittelstandDie Königlich-Schwedische Akademie der Wissenschaften in Stockholm ehrt in diesem Jahr die Wissenschaftler Joel Mokyr, Philippe Aghion und Peter Howitt.  Der diesjährige Wirtschaftspreis handelt von "Schöpfung und Zerstörung", erklärte Hans Ellegren, Generalsekretär der Akademie bei der Verkündung. Es ist ein Preis für die ökonomische Grammatik des Fortschritts:

  • Kreative Zerstörung
  • Innovationgetriebenes Wachstum
  • Produktivität

Die Akademie betont: Dauerhaftes Wachstum sei historisch die Ausnahme – es müsse aktiv ermöglicht werden.

  • Mokyrs Kernthese: Wissen bringt erst dann eine Kette von Neuerungen hervor, wenn Gesellschaften verstehen, warum eine Technik funktioniert – nicht nur, dass sie funktioniert. Erst damit werden Entdeckungen replizierbar und skalierbar. Der Prüfstein der Moderne: Dampfmaschine, Elektrizität, seit Kurzem auch generalisierbare digitale Plattformen. 
  • Aghion und Howitt geben Schumpeters Idee der kreativen Zerstörung erstmals ein mathematisches Fundament. In ihrem Modell verdrängen vertikale Innovation und technologische Sprünge alte Produktionsweisen – Wachstum entsteht nicht von außen, sondern endogen: aus Forschung, Wettbewerb und der stetigen Reallokation von Kapital und Arbeit. Ihr Clou: Wenn Unternehmen zu viele künftige Innovationen erwarten, kann das heutige Forschen an Reiz verlieren – weil jede neue Idee morgen schon wieder veraltet. Für die Politik heißt das: Pfadwechsel ermöglichen, Marktzutritte sichern und die Wettbewerbspolitik so scharf halten, dass Erneuerung nicht an Regulierung erstickt.

Wer sind die Preisträger?

  • Joel Mokyr (geboren 1946, Leiden) ist heute Professor an der Northwestern University. Seine Forschung verbindet Wirtschaftshistorie mit Theorie: Er analysiert, unter welchen institutionellen, kulturellen und technologischen Bedingungen Innovation gedeiht und Wachstum entsteht.
  • Philippe Aghion (geb. 1956, Paris) lehrt u. a. am Collège de France, INSEAD und der LSE. Er ist eine Schlüsselfigur in der Theorie des endogenen Wachstums, insbesondere durch seine Arbeiten zur „kreativen Zerstörung“ und dem Zusammenspiel von Innovation, Wettbewerb und politischer Steuerung.

  • Peter Howitt (Professor emeritus an der Brown University) war ein enger Koautor und Mitbegründer der formalisierten Modelle der kreativen Zerstörung. Sein Beitrag liegt darin, die Dynamik von Innovationen, Marktstruktur und Wachstum mathematisch fassbar zu machen.

Quelle: The Nobel Prize 2025

Zur Pressekonferenz und Verkündung des Preises

Zum Interviw: “The prize helps us understand the good news of technological change and potential threats”

Die Botschaft an Europa

Aghion mahnt: Europa müsse Wettbewerb und Industriepolitik versöhnen – lernen von USA und China. Das Ziel ist kein Subventionsregen, sondern kluges Design von Märkten, Standards und Missionen, die private Investitionen ziehen. Nötig: konsequente Wettbewerbspolitik, offene Datenräume, Technologie-Testfelder, schnelle Genehmigungen. Sonst bleibt die „Mitteltechnologie-Falle“ Realität.

Aktuell ringt Deutschland mit schwacher Produktivität, hohen Energiekosten und zäher Bürokratie. Der Werkzeugkasten der Wirtschaftspreisträger zeigt, wo angesetzt werden muss – mit klaren Prioritäten und wenig Schonraum.

  • Insolvenzrecht als Filter, nicht als Schonraum: Unproduktive Strukturen müssen zügig abgewickelt werden. Kapital, Know-how und Talente gehören dorthin, wo sie wirken – nicht in den Wartesaal der Insolvenzordnung.
  • Reallokation statt Besitzstand: Arbeits- und Kapitalmärkte brauchen mehr Beweglichkeit. Umschulung, Weiterbildung, Mobilität – wer wandlungsfähig bleibt, bleibt wettbewerbsfähig.
  • Forschung mit Sprungkraft: Statt kleinteiligem Feintuning braucht es mutige Sprungvorhaben – in KI, Biotechnologie, Klimatechnologien. Der Staat soll fördern, nicht verzögern.
  • Wettbewerbspolitik gegen digitale Marktmacht: Neue Akteure müssen andocken können. Fairer Datenzugang, offene Schnittstellen und moderne Regulierungssandboxes sind das Fundament für Innovation.
  • Zeitliche Brücken statt Dauerstützen: Hilfen dürfen Übergänge erleichtern, aber keine Abhängigkeiten schaffen. Befristet, degressiv, zielgerichtet – so gelingt Strukturwandel ohne Lähmung.
  • Marktzutritt beschleunigen: Lizenzen, Datenzugänge, Pilotmärkte – schneller, schlanker, digital. Der Staat als Ankerkunde kann Innovationen anstoßen, ohne den Wettbewerb zu verzerren.

Die Logik ist scharfkantig: Ohne Raum fürs Neue bleibt das Alte zu teuer.

 

Bedeutung im aktuellen globalen Kontext

Warum gerade 2025 ist dieser Preis besonders bedeutsam, und was lässt sich für Politik und Wirtschaft ableiten?

A. Wachstumsschwäche in entwickelten Volkswirtschaften

In vielen Industrieländern stagniert seit Jahren die Produktivitätssteigerung, und das Wirtschaftswachstum bleibt schwach. Die Preisträger liefern ein Rahmengerüst, welches erklärt, warum technischer Fortschritt allein kein Selbstläufer ist – er bedarf gezielter institutioneller und politischer Unterstützung.

B. Wettbewerb mit den USA und China, Digitalisierung & KI

Angesichts globaler technischer Konkurrenz – vor allem im Bereich KI, Biotechnologie, erneuerbare Energien – kommt der Frage nach Innovationsfähigkeit und industriepolitischer Strategie hohe Bedeutung zu. Europas Herausforderung etwa besteht darin, die Balance zu finden zwischen Förderung heimischer Technologie und Offenheit für Wettbewerb und Kooperation.

C. Politische Implikationen und Gefahren

Während technischer Fortschritt Chancen bietet, liegen Risiken vor:

  • Monopolisierung und Marktkonzentration: Große Technologieunternehmen könnten Innovationsdynamik blockieren.

  • Ungleichheit: Innovationen können bestehende Einkommens- und Vermögensschere verstärken.

  • Regulatorische Verzögerung: Übermäßige Regulierung oder Protektionismus kann Innovationsprozesse bremsen.

  • Gefahr von Stillstand: Wenn institutionelle Rahmenbedingungen nicht mit dem Tempo technologischer Veränderung Schritt halten, droht Stagnation.

Deshalb sind politische Maßnahmen gefragt, die Innovationsanreize stärken, zugleich aber Fairness und Anpassungsfähigkeit gewährleisten.

 

Preisvergabe und zentrale Würdigung

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