Beitrag teilen

Link in die Zwischenablage kopieren

Link kopieren
Suchfunktion schließen
Politik > Wirtschaft fordert Reset

Wirtschaftswarntag - die größte Wirtschaftsallianz in der Geschichte

Hunderte Verbände und Unternehmen riefen zu einem "Wirtschaftswarntag" auf. Sie fordern von der nächsten Bundesregierung weitreichende Reformen zur Stärkung des Standorts Deutschland.

Christian Lindner (FDP, M), Parteivorsitzender und ehemaliger Bundesminister der Finanzen, und Julia Klöckner (r), CDU-Bundestagsabgeordnete, nahmen an der Kundgebung «Wirtschaftswarntag» vor dem Brandenburger Tor in Berlin teil. (Foto: picture alliance)

29.1.2025 in Berlin

"Es brennt lichterloh", warnt Marie-Christine Ostermann, Präsidentin des Verbands Die Familienunternehmer, auf der außergewöhnlichen Kundgebung in Berlin. Anlass war der "Wirtschaftswarntag", zu dem sich über 100 Wirtschaftsverbände und Hunderte Unternehmen zusammengeschlossen haben. Die Veranstaltungen in Berlin, Hamburg und München sollten auf die prekäre Lage der deutschen Wirtschaft aufmerksam machen und Druck auf die künftige Bundesregierung ausüben. Das Aktionsbündnis Wirtschaftswarntag fordert nichts weniger als einen "Reset" in der Wirtschaftspolitik.

Wirtschaftsverbände fordern umfassende Reformen

Die Liste der Forderungen der Wirtschaftsverbände ist lang und umfassend. An oberster Stelle steht ein weitreichender Bürokratieabbau, der alle bisherigen Versuche in den Schatten stellen soll. Zudem werden Steuersenkungen für Unternehmen und Arbeitnehmer gefordert, mindestens auf den EU-Durchschnitt. Ein weiterer zentraler Punkt sind international wettbewerbsfähige Energiepreise für alle Unternehmen in Deutschland.

Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) betont: "Alles, was Wachstum stärkt, muss Priorität bekommen." Angesichts begrenzter finanzieller Spielräume fordern die Verbände klare Prioritäten im Haushalt. Dringend erforderlich seien öffentliche Investitionen in moderne Infrastruktur, um den Standort wieder attraktiver für Investoren und ausländische Fachkräfte zu machen.

Aktuelle Lage der deutschen Wirtschaft

Die wirtschaftliche Situation in Deutschland ist ernst. In Kommunen brechen Gewerbesteuereinnahmen ein, weil Unternehmen schließen müssen. Die Zahl der Insolvenzen hat den höchsten Stand seit der Finanzkrise 2008 erreicht. In der Industrie findet ein massiver Stellenabbau statt.

Konkrete Beispiele verdeutlichen die Lage: Die Stahlfirma Thyssenkrupp plant, in den kommenden Jahren 11.000 Stellen abzubauen. Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) verzeichnet einen monatlichen Verlust von 10.000 Industriearbeitsplätzen in Deutschland.

Der BDI prognostiziert, dass die deutsche Wirtschaftsleistung 2025 zum dritten Mal in Folge schrumpfen wird, während für den Euroraum ein Wachstum von 1,1 Prozent und für die Weltwirtschaft sogar 3,2 Prozent erwartet werden. Deutschland droht damit, konjunkturell weiter zurückzufallen. (Lesen sie auch unseren Beitrag: BDI Präsident Peter Leibinger warnt: Deutsche Wirtschaft steuert auf drittes Rezessionsjahr zu)

Die 10 Kernforderungen der Wirtschaftsverbände

  1. Umfassender Bürokratieabbau
  2. Steuersenkungen für Unternehmen und Arbeitnehmer auf EU-Durchschnitt
  3. Obergrenze der Sozialabgaben von 40 Prozent
  4. International wettbewerbsfähige Energiepreise
  5. Fokus auf EU-Emissionshandel als klimapolitisches Instrument
  6. Flexibleres Arbeitsrecht
  7. Infrastruktur- und Dienstleistungsoffensive
  8. Neupriorisierung der Staatsaufgaben
  9. Stärkung des Freihandels
  10. Reform der EU-Institutionen und -Zuständigkeiten

Herausforderungen für den Standort Deutschland

Die Probleme der deutschen Wirtschaft sind vielschichtig. Neben den bekannten hausgemachten Schwierigkeiten sieht sich der Exporteuropameister zunehmend mit scharfer Konkurrenz aus Asien konfrontiert. Chinesische Unternehmen verdrängen zunehmend Maschinen und Produkte "Made in Germany" aus den Märkten, da sie zu günstigeren Konditionen produzieren können.

BDI-Chef Peter Leibinger sieht die Ursachen in einer anhaltenden Standortschwäche, mit der die Wirtschaft bereits seit 2018 zu kämpfen hat. Er kritisiert: "Jahrelang haben Regierungen wichtige Reformen hinausgeschoben, Investitionen zurückgehalten und sich mit dem Status Quo begnügt."

Bedeutung der deutschen Industrie für Europa

Die deutsche Industrie spielt eine Schlüsselrolle für die europäische Wirtschaft. Mit einem Anteil von neun Millionen Beschäftigten in der Produktion ist sie eng mit den Volkswirtschaften der europäischen Nachbarn verflochten. IG Metall-Chefin Christiane Benner betont: "Ohne Industrie ist Deutschland ein armes Land."

Die Wirtschaftsverbände fordern daher, dass Deutschland wieder eine selbstbewusstere Führungsrolle in der EU einnehmen und für eine strategisch unabhängigere Position Europas eintreten solle. Konkrete Vorschläge umfassen verpflichtende Anteile europäischer Komponenten für in Europa vermarktete industrielle Produkte.

IG-Metall-Vizechef Jürgen Kerner fordert: "Wer Europa als Markt sieht, muss anteilig für Beschäftigung verantwortlich sein." Dies könnte bedeuten, dass ausländische Hersteller, die in Europa Autos verkaufen wollen, auch hier produzieren oder hier gefertigte Teile einbauen müssen.

 

Ähnliche Artikel