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Politik > Münchner Sicherheitskonferenz 2025

Wirtschaftswachstum durch Rüstung? IfW Kiel sieht Potenzial in höheren Verteidigungsausgaben

IfW Kiel prognostiziert Wirtschaftswachstum von bis zu 1,5 Prozent bei Steigerung der Verteidigungsausgaben auf 3,5 Prozent des BIP.

Der Leopard Panzer von Rheinmetall: Höhere Rüstungsausgaben könnten Europas Wirtschaft ankurbeln. (Foto: Shutterstock

Die Debatte um höhere Verteidigungsausgaben in Europa hat eine neue Dimension erreicht. Eine aktuelle Studie des Instituts für Weltwirtschaft (IfW) in Kiel legt nahe, dass eine Erhöhung der Militärausgaben nicht nur die Sicherheit stärken, sondern auch das Wirtschaftswachstum in Europa ankurbeln könnte. Die Ökonomen prognostizieren ein zusätzliches Wirtschaftswachstum von bis zu 1,5 Prozent, wenn die Verteidigungsausgaben von derzeit knapp 2 auf 3,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) steigen würden.

Potenzial für Wirtschaftswachstum durch Rüstungsinvestitionen

Die Studie des IfW Kiel, die auf der Münchner Sicherheitskonferenz 2025 vorgestellt wurde, widerspricht der weit verbreiteten Annahme, dass höhere Militärausgaben zwangsläufig zu Lasten anderer Wirtschaftsbereiche gehen müssen. "Wenn die europäischen Regierungen es richtig anstellen, können sie die Kosten der militärischen Aufrüstung in Grenzen halten", erklärt Studienautor Ethan Ilzetzki. Der Professor an der London School of Economics fügt hinzu: "Das bedeutet, dass Europa über seine Militärausgaben im Lichte seiner Prioritäten für die regionale Sicherheit entscheiden kann, ohne sich von der Angst vor einer wirtschaftlichen Katastrophe ablenken zu lassen."

Die Studie betont jedoch, dass bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein müssen, damit die erhöhten Rüstungsausgaben tatsächlich zu einem Wirtschaftswachstum führen. Eine zentrale Bedingung ist, dass ein Großteil der Investitionen in die europäische Rüstungsindustrie fließt, anstatt Waffen und Ausrüstung aus den USA zu importieren. IfW-Präsident Moritz Schularick erläutert: "Wenn Europa die nächste Generation von Rüstungstechnologie und andere Waffen vor Ort entwickeln könnte, anstatt sie aus den USA zu kaufen, könnten die wirtschaftlichen Auswirkungen zusätzlicher Verteidigungsausgaben das Wachstum mittelfristig ankurbeln."

Fünf Gründe, warum höhere Rüstungsausgaben die Wirtschaft ankurbeln könnten

Die Diskussion um erhöhte Verteidigungsausgaben in Europa ist komplex und vielschichtig. Basierend auf der Studie des IfW Kiel und den vorliegenden Quellen lassen sich jedoch fünf Hauptgründe identifizieren, warum höhere Rüstungsausgaben potenziell positive Auswirkungen auf die Wirtschaft haben könnten:

  • Stärkung des Arbeitsmarktes: Durch gezielte Investitionen in die europäische Rüstungsindustrie könnte die Wertschöpfung innerhalb der EU gesteigert werden. Dies würde nicht nur direkte Arbeitsplätze in der Branche schaffen, sondern auch indirekt Zulieferer und Dienstleister stärken.
  • Förderung von Forschung und Entwicklung: Höhere Militärausgaben könnten zu verstärkten Investitionen in Forschung und Entwicklung führen. Innovative Technologien, die zunächst für militärische Zwecke entwickelt werden, finden oft auch Anwendungen im zivilen Bereich und können so die gesamte Wirtschaft voranbringen.
  • Produktivitätssteigerung in der Privatwirtschaft: Die Studie deutet darauf hin, dass eine Erhöhung der Militärausgaben um ein Prozent des BIP die Produktivität der Privatwirtschaft langfristig um einen Viertelprozentpunkt erhöhen könnte. Dies könnte durch Technologietransfer und verbesserte Infrastruktur erreicht werden.
  • Konjunktureller Impuls: In Zeiten wirtschaftlicher Schwäche können erhöhte Staatsausgaben, einschließlich Verteidigungsausgaben, als konjunktureller Stimulus wirken. Die Studie weist darauf hin, dass höhere Verteidigungsausgaben in Rezessionen den größten wirtschaftlichen Nutzen haben können.
  • Stärkung der europäischen Zusammenarbeit: Eine koordinierte Erhöhung der Verteidigungsausgaben auf EU-Ebene könnte die wirtschaftliche und politische Integration Europas fördern. Gemeinsame Rüstungsprojekte und eine stärkere Vernetzung der Verteidigungsindustrien können Synergien schaffen und die Wettbewerbsfähigkeit Europas auf dem globalen Markt stärken.

Diese potenziellen positiven Effekte setzen jedoch voraus, dass die Erhöhung der Verteidigungsausgaben strategisch und effizient umgesetzt wird, mit einem Fokus auf europäische Produktion und Innovation.

Finanzierungsoptionen und deren Auswirkungen

Die Art der Finanzierung spielt eine entscheidende Rolle für die wirtschaftlichen Auswirkungen erhöhter Verteidigungsausgaben. Die Studie warnt ausdrücklich davor, die zusätzlichen Ausgaben durch höhere Steuern zu finanzieren, da dies das Wirtschaftswachstum bremsen könnte. Stattdessen empfehlen die Ökonomen, dass Europas Regierungen mehr Schulden aufnehmen sollten, um den Übergang zu höheren Verteidigungsbudgets zu finanzieren. Diese Strategie sei besonders sinnvoll, da der Kauf von Waffen in der Regel teurer sei als deren Betrieb, Wartung und Instandhaltung.

Eine Erhöhung der Verteidigungsausgaben von knapp zwei Prozent auf 3,5 Prozent des BIP würde in Europa derzeit rund 300 Milliarden Euro pro Jahr kosten. Die Studie deutet darauf hin, dass diese Summe eine ähnlich hohe zusätzliche private Wirtschaftstätigkeit erzeugen könnte, wenn sie gezielt in den Ausbau der militärischen Fähigkeiten Europas investiert würde. Besonders profitieren könnten Hightech-Unternehmen und Zulieferer in der Rüstungsindustrie, aber auch Forschung und Entwicklung im militärischen Bereich.

Trotz der potenziell positiven Auswirkungen auf das Wirtschaftswachstum gibt es auch kritische Stimmen. Ein nicht namentlich genannter Branchenexperte wies darauf hin, dass es schwierig sein könnte, ausschließlich auf europäische Rüstungsgüter zu setzen: "Es wird immer ein Produktmix sein mit Rüstungsgütern aus der EU und aus Amerika". Manche Rüstungsgüter würden in Europa schließlich gar nicht oder nicht auf dem höchsten Standard gebaut.

Chancen für den deutschen Mittelstand

Eine Erhöhung der Rüstungsausgaben könnte auch für den deutschen Mittelstand neue Chancen eröffnen. Insbesondere Unternehmen aus den Bereichen Präzisionstechnik, Optik, Elektronik und Softwareentwicklung könnten von einer stärkeren Nachfrage profitieren. Zulieferer für die Rüstungsindustrie, die oft mittelständisch geprägt sind, könnten ihre Produktionskapazitäten ausbauen und in Innovationen investieren. Auch im Bereich der Cybersicherheit und der Entwicklung von Drohnentechnologie ergeben sich möglicherweise neue Geschäftsfelder für agile mittelständische Unternehmen.

Darüber hinaus könnte der Ausbau militärischer Infrastruktur Aufträge für das Baugewerbe und verwandte Branchen generieren. Die Herausforderung für den Mittelstand wird darin bestehen, sich rechtzeitig auf die neuen Anforderungen einzustellen und die notwendigen Kompetenzen aufzubauen, um von den potenziellen Investitionen zu profitieren.

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