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Die 100 besten Mittelständler

Die Unternehmenswelt in Deutschland ist sehr heterogen. Einige Probleme betreffen aber Betriebe jeder Größe. Wer den Mittelstand vermessen will, muss aber erstmal fragen: Wer steckt hinter dem Label genau?

Nur ein Schuhladen? ­Deichmann zeigt, wie sich im stationären Handel gut Geld verdienen lässt. Bildquelle: Deichmann

Vor genau einem Jahr, als wir das Ranking 2023 veröffentlichten, haben wir an dieser Stelle gefragt: „Was ist Mittelstand?“ Und wir versuchten, zu klären, ob das Image von Familienunternehmen noch stimmt. Durchaus heikel, Klischee von Wahrheit zu trennen. In diesem Jahr wollen wir den Mittelstand genauer ansehen: Über wen berichten, reden, urteilen wir überhaupt? Wie unterscheiden sich die Kategorien, in die man den Mittelstand einteilen kann? Und was treibt die Firmen um? Diese Fragen drängten sich im Laufe des Jahres immer wieder auf, vor allem nach vielen Gesprächen mit Vertreterinnen und Vertretern aus Unternehmen verschiedener Größe. Denn der Mittelstand lässt sich in erster Linie im Hinblick auf die Zahl der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter unterscheiden. Einige Themen beschäftigen alle, andere sind vor allem für Unternehmen bestimmter Größen wichtig.

Da sind die sogenannten KMU, die kleinen und mittleren Unternehmen, in der Regel definiert bis zu einer Größe von 249 Beschäftigten und 50 Millionen Euro Umsatz. Hier ist der Grad an Digitalisierung nicht besonders weit ausgeprägt, auch weil die Firmen dieser Gruppe nicht zu sehr gezwungen waren, sich mit dem Thema zu beschäftigen. Doch der Druck nimmt zu, vor allem staatliche Stellen scheinen die KMU zu ihrem Glück zwingen zu wollen. Anforderungen wie die E-Rechnung nahen und dürften selbst den Geschäftsführungen, die die Digitalisierung hartnäckig ablehnen, zeigen, wie effektiv und kundenfreundlich Software sein kann. Jedenfalls, wenn sie die erste Hürde übersprungen haben. Es geht wohlgemerkt nicht unbedingt um komplexe KI-Anwendungen, sondern um Hilfsmittel, die seit zehn Jahren und mehr auf dem Markt sind, aber wegen des vermeintlich unnötigen Einmalaufwandes zum Start ignoriert wurden.

Die Berichtspflichten rund um Standards für Nachhaltigkeit sind für die KMU nicht das große Thema. Für die etwas größeren Mittelständler dafür mehr, als zu erwarten war. Denn auch wenn die Gesetzgeber aus Berlin und Brüssel konkrete Pflichten nur für wirklich große Unternehmen vorsehen, drückt die Pflicht indirekt auf deren Lieferanten durch. Und die sind in der Regel kleiner. Die Transparenzanforderungen kommen mit Macht und sorgen für Nervosität. 

Das gilt noch mehr für das wohl größte Problem des Mittelstands in jeder Größenklasse: den Personalmangel. Vom Pförtner über die Facharbeiterin bis zur Nachfolge des Eigentümers oder der Eigentümerin fehlen geeignete Personen. Vieles deutet darauf hin, dass der Mittelstand, das Rückgrat der deutschen Wirtschaft, in seiner jetzigen Form in 15 Jahren nicht mehr existiert, wenn die Nachfolge als Hauptproblem Nummer eins nicht gelöst wird. Ausländische Investoren könnten einsteigen, Konzerne und Ketten übernehmen dann nicht mehr nur die Geschäfte in den Innenstädten. Vor allem fällt der inhabergeführte Mittelstand mit Firmengrößen von einer bis zehn Millionen Euro Umsatz durchs Raster: Diese Unternehmen sind typischerweise zu groß für einen internen Nachfolger, aber auch zu klein für klassische Beteiligungsgesellschaften. Immerhin ist der Wert, ab dem sich Finanzinvestoren für Unternehmen interessieren, von einer Milliarde Euro Umsatz auf achtstellige Summen gesunken. Auf den Mittelstand spezialisierte Headhunter berichten, dass sie von Private-Equity-Häusern in einem Quartal so viele Suchaufträge für Geschäftsführungen bekommen wie früher in einem ganzen Jahr.

Die zunehmende, oft mit Worten wie „kafkaesk“ beschriebene Bürokratie führt in Kombination mit hohen Energiepreisen und unternehmerfeindlicher Grundhaltung dazu, dass viele Firmen überdenken, in Deutschland zu investieren. Die Frage „Ist Deutschland noch der richtige Standort?“ beantworten Firmenlenker in Umfragen immer häufiger negativ. Viele Industriebetriebe planen, Teile ins Ausland zu verlagern oder zumindest die Produktion im Inland einzuschränken. Nach einer Befragung der Beratungsgesellschaft Deloitte denkt jedes dritte Unternehmen darüber nach. „Das Vertrauen in den Standort Deutschland ist erschüttert“, stellt Industrieexperte und Deloitte-Partner Florian Ploner fest. Er sieht einen „erheblichen Schmerz“ vor allem im Mittelstand, was die Energiekosten betrifft. Noch im Sommer 2023 hatten viele darauf gehofft, dass die Bundesregierung bei den Energiekosten entlastet und Bürokratie streicht. Stattdessen steigen die CO2-Abgaben, Energie- und Transformationssubventionen fallen weg, Logistik, Material und Personal kosten mehr. Das alles lässt die Margen sinken.

Spaßbremse Bürokratie

„Wenn die Wertschöpfung aus Deutschland erst mal rausgeht, wird sie auch nicht mehr so schnell zurückkommen“, warnt Heiko Fink, Partner beim Beratungshaus Horváth. Den Unternehmen bleibe oft nichts anderes übrig. Entweder um den Markt vor Ort schneller, besser und günstiger bedienen zu können oder um von lokalen Vorteilen für Produktion oder Kundenzugang zu profitieren. Für Fink lautet die Frage: „Was ist in der Kombination Beschaffung, Produktion, Absatzmarkt die richtige Region oder das richtige Land – und das mittel- und langfristig?“

Den unternehmerischen Freiraum bremst hierzulande vor allem die Bürokratie: Untersuchungen zeigen, dass sie kleinere Firmen im Verhältnis stärker belastet als größere – weil sie noch weniger Personal haben, um mit den steigenden Anforderungen Schritt zu halten. Entsprechend bleibt viel davon an der Unternehmensleitung hängen, was Zeit zum Gestalten nimmt und Spaß am Unternehmen raubt. Auch das sorgt dafür, dass Nachfolgerinnen und Nachfolger kaum zu finden sind.

Bei den 100 Mittelständlern, die wir in dieser Ausgabe zeigen, stellt sich das Problem, Nachfolger und Käufer zu finden, äußerst selten. Es sind die gemessen an 39 Kriterien wichtigsten Unternehmen, die Deutschland im Mittelstand zu bieten hat. Das hat vor allem, aber nicht nur, mit Größe zu tun. Diese Unternehmen sind in der Regel weltweit aktiv und bisweilen stark diversifiziert. Sie sind resistenter als so manches Unternehmen im Deutschen Aktienindex. Weil der Druck des Kapitalmarktes nicht so stark auf ihnen lastet, müssen sie nicht maximal sparsam sein oder den Aktienkurs treiben.

Bewegung gab es in der Auflistung reichlich, aber nicht wie im Vorjahr die „eine Superbranche“, aus der besonders viele Aufsteiger kamen. 2023 war das die Logistik mit Hellmann vorneweg. Das Familienunternehmen war von Platz 81 im Jahr 2022 auf 42 geklettert und belegt 2024 Rang 37. Einen großen Sprung nach vorne macht in diesem Jahr Deichmann: Europas größter Schuheinzelhändler trotzt dem Blues in Deutschlands Einkaufsstraßen und klettert von Platz 28 auf 21. Der Umsatz erreichte jüngst den Rekordwert von 8,7 Milliarden Euro, ironischerweise nicht angetrieben durch das vorgeblich moderne Onlinegeschäft, sondern klassisch durch die stationären Geschäfte. 90 Prozent der Deutschen können binnen 20 Minuten eine Deichmann-Filiale erreichen.

Doch das allein macht den Erfolg des 111 Jahre alten Familienunternehmens nicht aus, dafür ist die Konkurrenz viel zu stark. Es ist die weltweite Expansion, aktuell steht vor allem der Nahe Osten auf dem Programm. Aber auch der Mix in den Geschäften und deren Aussehen. Deichmann setzt sowohl auf Markenware als auch auf Schuhe, die 19,99 Euro kosten, aber „aussehen wie 999 Euro“, so der Kampagnenclaim. Auch der Papierhersteller Palm zeigt, dass man in schwierigen Zeiten schön wachsen kann. Das Familienunternehmen schaffte es erstmals in die Top 100. Als Aufsteiger dabei auch CTS Eventim. Die Corona-Zeit war hart für den Ticketanbieter, aber nun ist man stärker als je zuvor.

Wo Gewinner sind, gibt es auch Verlierer. Große Marken wie Rohde und Schwarz (Rang 79) fielen genauso wie Süßwarenspezialist August Storck (67) und die Vorwerk-Gruppe (64). Die 2023 verkündete Jahresbilanz fiel vor allem in Hinblick auf den Gewinn nicht gut aus. Steigende Kosten für Material und Lieferengpässe machten den Wuppertalern zu schaffen. Aber wer 100 Jahre und mehr aktiv ist, zwei Weltkriege und Hyperinflation überstanden hat, den kann ein mittelmäßiges Jahr nicht schocken. Auch wenn die Zeiten einzigartig sind – der deutsche Mittelstand wird in der Breite den Herausforderungen trotzen. Die großen Betriebe, aber auch die kleinen.

Wie das Ranking zustande kommt

Das Ranking der besten Mittelständler setzt sich zusammen aus 30 Kriterien. Der Umsatz und die Zahl der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen sind dabei mit Abstand am wichtigsten und gehen mit rund 50 Prozent in die Bewertung ein. Weitere Kriterien sind zum Beispiel die Innovationskraft, der Grad der Nachhaltigkeit und die Sichtbarkeit der Unternehmen in den sozialen Netzwerken beziehungsweise in der Öffentlichkeit. In das Ranking sind die Daten unseres Kooperationspartners Die Deutsche Wirtschaft eingeflossen.

Da es keine allgemeingültige Definition von Mittelstand gibt, haben wir uns an der gängigen Definition des Instituts für Mittelstandsforschung (IfM Bonn) orientiert. Hier ist vor allem entscheidend, dass die Besitzerfamilie wirtschaftlich unabhängig agieren kann. Zudem sollte sich das Unternehmen selbst dem Mittelstand angehörig fühlen. Da, wo wir nicht sicher waren, haben wir deswegen nachgefragt.

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