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Rankings > Die besten Mittelständler

Mut zum radikalen Wandel

Antriebs- und Ventilatorspezialist EBM-Pabst trennt sich von der Autoindustrie. Die Zukunft ist technologisch komplizierter – und interessanter.

Klaus Geißdörfer
Läuft rund: EBM-Pabst-Chef Klaus Geißdörfer hält einen etwas größeren Ventilator aus dem Firmenprogramm. Bild: picture alliance/dpa | Christoph Schmidt

Die meisten nutzen die Erzeugnisse von EBM-Papst, ohne es zu wissen. Der Mittelständler aus Mulfingen nördlich von Heilbronn ist mit seinen Ventilatoren und Antrieben in so vielen Geräten, Lüftungsanlagen und Fahrzeugen vertreten, dass die Wahrscheinlichkeit einer alltäglichen Begegnung sehr hoch ist. Das kann der Wischermotor im Auto, die automatische Tür im ICE oder der Lüfter der Dunstabzugshaube sein. Das vor 60 Jahren gegründete Unternehmen ist inzwischen mit mehr als 20.000 Produkten Zulieferer der Auto- und Konsumgüterindustrie und für den Maschinenbau sowie Ausrüster von Klimaanlagen. Im vergangenen Geschäftsjahr 2021/22 hat der Mittelständler mit knapp 15.000 Beschäftigten fast 2,3 Milliarden Euro umgesetzt – zehn Prozent mehr als im Jahr davor.

Auf den Gründer Georg Sturm geht die besondere Verbindung von Unternehmen und Mitarbeitern zurück. Respektvoller Umgang miteinander trotz Druck zählt neben dem Erfindergeist zu den Gründen des Erfolgs. Zu den Stärken der Schwaben gehören effiziente Antriebe, die dazu beitragen, den Stromverbrauch von Haushaltsgeräten und Maschinen bis hin zu komplexen Klimaanlagen zu senken. Dabei greift man auf jahrzehntelange Erfahrung zurück. Schon seit Anfang der 1970er-Jahre hatte Elektrobau Mulfingen eine enge Verbindung zur Computerindustrie, für die sparsame Lüfter produziert wurden. Zusätzliche Motorenkompetenz brachte 1992 die Fusion mit dem Mittelständler Papst aus dem Schwarzwald ein. Dessen Gründer Hugo Papst hatte in den 1930er-Jahren in St. Georgen besondere Antriebe für Plattenspieler entwickelt, die später unter der Marke Dual weltberühmt wurden.

Bei EBM-Papst hat man früh erkannt, dass selbst der Marktführer sich weiterentwickeln und sogar infrage stellen muss, damit der technologische Wandel das Unternehmen nicht ins Aus befördert. Heute steht die Digitalisierung nicht nur in der Fertigung im Mittelpunkt. Sie bestimmt zunehmend die Strategie und die Ausrichtung des Unternehmens. Lüfter und Motoren werden dabei Teile von ganzen Systemen, mit denen das Unternehmen beispielsweise die Klimatisierung von Gebäuden individuell und möglichst nachhaltig steuert. „Wir sehen riesiges Potenzial in den nächsten zehn Jahren bei den Megatrends erneuerbare Energien, Data-Center und Klimatechnik. Die Welt wird immer wärmer“, sagte der neue Chef Klaus Geißdörfer im vergangenen Herbst.

In Mulfingen und den 25 Standorten weltweit stehen nun beispielsweise Komponenten für Wärmepumpen ganz oben auf den Auftragszetteln. Aber auch der wachsende Bedarf an der Klimatisierung großer Rechenzentren fördert das Geschäft. Großkunden wie Alphabet, Amazon oder Alibaba schätzen die energieeffizienten Lösungen des Unternehmens. Der Wandel des Unternehmens geht so weit, dass eine bisher wichtige Branche künftig nicht mehr beliefert wird: die Autoindustrie. „Die Altaufträge arbeiten wir ab, aber es werden keine neuen Aufträge mehr reingenommen“, verdeutlicht der EBM-Chef den radikalen Schnitt. Das Geschäft mit der Automobilindustrie –immerhin zehn Prozent des Gesamtumsatzes – sei nicht mehr profitabel zu betreiben und gehöre deshalb künftig nicht mehr zum Kerngeschäft.

Aber es ist nicht nur der Preisdruck. Auch die gewünschte Qualität fordert EBM-Papst technologisch nur bedingt. Bei den Hausgeräten, wie Kühlschränken und Geschirrspülern, ist Geißdörfer noch direkter: „Das ist für uns Lowtech.“ Cloud statt Audi: So sieht Mut zum Wandel aus – wenn es sein muss, bis in die Grundfesten.

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