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Arbeitsunfall: Vermeintliches „Augenblickversagen“ entschuldigt nicht grobe Fahrlässigkeit

Nicht jeder Verstoß gegen eine Unfallverhütungsvorschrift ist gleich grob fahrlässig im sozialversicherungsrechtlichen Sinne. Ein „Augenblicksversagen“ entschuldigt aber nicht, wenn objektiv alles für grobe Fahrlässigkeit spricht.

Nahaufnahme von einem Richterhammer als Symbolbild für ein Gerichtsurteil
(Bildquelle: picture alliance)

Der Fall

Ein auf Bodenverlegearbeiten spezialisiertes Unternehmen war im Keller des Geschäftsführers des Unternehmens mit dem Verkleben von Teppich beauftragt. Während der Arbeiten brannte in einem Nebenraum ein Gasofen mit offener Flamme. Der Geschäftsführer hatte den Ofen zwar nicht aufgestellt, aber wahrgenommen und nicht kontrolliert.

Alle Kellerfenster waren während der Arbeiten geschlossen oder nur gekippt. Die Dämpfe des verwendeten, leicht entzündlichen Teppichklebers und die Flamme des Ofens führten zu einer schweren Explosion. Der Geschäftsführer, ein Parkettleger und ein Schülerpraktikant erlitten schwerste Verbrennungen.

Die Betriebshaftpflichtversicherung lehnte eine Einstandspflicht ab. Die Bau-Berufsgenossenschaft verlangte daraufhin von dem Geschäftsführer und dem Verlegebetrieb die Erstattung der ihr durch den Arbeitsunfall entstandenen Aufwendungen.

Die Entscheidung

Das Landgericht gab der Klage statt. Das Oberlandesgericht München machte in einem Beschluss deutlich, dass es die dagegen gerichtete Berufung zurückweisen werde.

Die Gerichte stellten darauf ab, ob den Beklagten grobe Fahrlässigkeit im Sinne des § 110 Absatz 1 SGB VII vorzuwerfen war. Nach der Vorschrift haften Personen, die einen Versicherungsfall vorsätzlich oder grob fahrlässig herbeigeführt haben, den Sozialversicherungsträgern für die entstandenen Aufwendungen. Als grobe Fahrlässigkeit gilt dabei ein objektiv schwerer, nicht entschuldbarer Verstoß gegen die im Verkehr erforderlichen Sorgfaltspflichten.

Die Richter führten aus, dass zwar aus einer objektiv schweren Pflichtverletzung allein noch nicht auf ein persönliches Verschulden geschlossen werden könne. Es müsse auch eine subjektiv schlechthin unentschuldbare Pflichtverletzung vorliegen. Diese liegt nach Ansicht der Richter aber dann vor, wenn schuldhaft gegen eine Unfallverhütungsvorschrift verstoßen wurde, die sich mit Vorrichtungen zum Schutz der Arbeiter vor tödlichen Gefahren befasst und elementare Sicherungspflichten zum Inhalt hat. 

Im konkreten Fall hieß das: Weil in dem Keller mit gefährlichen Stoffen hantiert wurde, hätte für eine angemessene Be- und Entlüftung gesorgt werden müssen. In diesem Punkt habe der Geschäftsführer unentschuldbar seine Sorgfaltspflichten missachtet.

Das Argument des Geschäftsführers, es habe sich um ein „Augenblicksversagen“ gehandelt, das sein Handeln in einem milderen Licht erscheinen lassen müsse, hielten die Richter für unerheblich. Ein „Augenblicksversagen“ beschreibe nämlich nur den Umstand, dass der Handelnde für eine kurze Zeit die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht lasse. Dies allein sei jedoch kein ausreichender Grund, den Schuldvorwurf der groben Fahrlässigkeit herabzustufen, wenn die objektiven Merkmale der groben Fahrlässigkeit erfüllt sind.

 

OLG München, Hinweisbeschluss vom 3.3.2025, Az. 19 U 3486/24 e

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