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Urteile & Verordnungen > Urteil der Woche

Ausländische Krankschreibung: BAG stärkt Arbeitgeber bei Zweifeln

Das Bundesarbeitsgericht hat entschieden, dass der Beweiswert einer im Nicht-EU-Ausland ausgestellten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung erschüttert sein kann, wenn die Gesamtumstände ernsthafte Zweifel begründen.

(Foto: Symbolbild, KI-generiert)

Der Fall

Ein Lagerarbeiter hatte seiner Arbeitgeberin bereits mehrfach Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen vorgelegt, die jeweils in direktem zeitlichem Zusammenhang mit seinem Urlaub standen. Wiederum kurz vor dem Urlaubsende meldet er sich am 7. September 2022 abermals per E-Mail krank. Die beigefügte Bescheinigung eines tunesischen Arztes attestierte dem Mann „schwere Ischialbeschwerden" und ordnete 24 Tage strenge Ruhe an, verbunden mit einem Reiseverbot. Trotzdem buchte der Kläger bereits am Folgetag ein Fährticket für den 29. September und reiste an diesem Tag mit dem Auto und per Fähre zurück nach Deutschland.

Die Arbeitgeberin zweifelte die Gültigkeit des tunesischen Attests an, verweigerte deshalb die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall und kürzte das September-Gehalt um 1.583 Euro netto. Der Lagearbeiter klagte auf das volle Gehalt. Vor dem Arbeitsgericht blieb er erfolglos. Das Landesarbeitsgericht hingegen gab ihm Recht.

 

Die Entscheidung

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hob das Urteil des Landesarbeitsgerichts auf. Das Gericht stellte klar, dass einer außerhalb der EU ausgestellten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung grundsätzlich der gleiche Beweiswert zukomme wie einer deutschen, wenn erkennbar sei, dass der ausländische Arzt zwischen einer bloßen Erkrankung und einer mit Arbeitsunfähigkeit verbundenen Krankheit unterschieden habe.

Im vorliegenden Fall begründeten allerdings mehrere Faktoren ernsthafte Zweifel am Beweiswert der Bescheinigung, darunter die lange Attestierungsdauer ohne Wiedervorstellung, die prompte Reisebuchung trotz Reiseverbots sowie mehrfache ähnliche Krankmeldungen des Mannes aus dem Urlaub. Diese Umstände mögen einzeln betrachtet unverfänglich erscheinen, so das BAG. In der Gesamtschau jedoch sei der Beweiswert der Bescheinigung erschüttert. Das habe zur Folge, dass der Kläger die volle Darlegungs- und Beweislast dafür trägt, dass eine krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit als Voraussetzung für einen Entgeltfortzahlungsanspruch besteht. Ob ihm der Beweis gelingt, muss nun das Landesarbeitsgericht klären, an das das BAG die Sache zur erneuten Verhandlung zurückverwies.

 

Das sagt der Experte

„Das Urteil stärkt die Position von Arbeitgebern, die Zweifel an der Richtigkeit von ausländischen Krankschreibungen haben", kommentiert der Arbeitsrechtsexperte Tim Gühring von der Kanzlei Menold Bezler. „Das BAG bestätigt weitere Umstände, die – jedenfalls zusammengenommen – den Beweiswert einer Krankschreibung auch aus dem Nicht-EU-Ausland erschüttern können."

Dass das BAG die Bescheinigungsdauer von 24 Tagen moniert habe, deute zudem darauf hin, dass es sich auch bei Krankschreibungen aus dem Nicht-EU-Ausland an Vorgaben der (deutschen) Arbeitsunfähigkeits-Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses orientiert.

Das BAG hatte in jüngerer Zeit in einer Reihe von Urteilen zum Beweiswert von Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen entschieden. Darin stellte es fest, dass der hohe Beweiswert etwa erschüttert sein kann, wenn die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung passgenau der Kündigungsfrist entspricht oder wenn bei der Ausstellung der AUB die Vorgaben der Arbeitsunfähigkeits-Richtlinie, beispielsweise zur Bescheinigungsdauer, missachtet wurden.

 

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 15. Januar 2025 - 5 AZR 284/24

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