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Urteile & Verordnungen > Urteil der Woche

Sturz nach Verschlucken beim Kaffeetrinken während Dienstbesprechung: Ein Arbeitsunfall?

Ein Mitarbeiter verschluckt sich beim Kaffeetrinken und stürzt daraufhin unglücklich. Das Landessozialgericht Sachsen-Anhalt sieht einen Arbeitsunfall.

(Foto: picture alliance, Udo Hermann)

von Silke Haars für Markt und Mittelstand

Arbeit auf dem Bau ist gefahrgeneigt und führt immer wieder zu Arbeitsunfällen. Manchmal liegen die Gefahren allerdings auch in Bereichen, in denen man sie nicht unbedingt vermutet.

 

Der Fall

Ein Vorarbeiter auf einer Baustelle verschluckte sich beim Kaffeetrinken während einer Dienstbesprechung so heftig, dass er zur Tür des Baucontainers ging, um sich draußen auszuhusten. Dort verlor er kurz das Bewusstsein, stürzte mit dem Gesicht auf ein Metallgitter und brach sich das Nasenbein.

Die durch den Unfall verursachten Kosten wollte die zuständige Berufsgenossenschaft nicht übernehmen. Es handele sich hier um keinen Arbeitsunfall. Das Kaffeetrinken habe nämlich keinen betrieblichen Zwecken gedient, sondern sei dem privaten Lebensbereich des Klägers zuzuordnen.

Das Sozialgericht, das über den Fall in erster Instanz zu entscheiden hatte, sah dies genauso.

Die Entscheidung

Das Landessozialgericht (LSG) korrigierte die Entscheidung des Sozialgerichts. Der Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung erstrecke sich zwar grundsätzlich nicht auf die Aufnahme von Nahrung oder Getränken, wenn und soweit damit ein menschliches Grundbedürfnis befriedigt wird. Im konkreten Fall habe sich das Kaffeetrinken aber nicht auf das „Grundbedürfnis des Durstlöschens“ gerichtet, sondern jedenfalls auch betrieblichen Zwecken gedient.

Der gemeinsame Kaffeegenuss während der verpflichtend vorgeschriebenen Besprechung, argumentierte das LSG, habe eine positive Arbeitsatmosphäre und eine Stärkung der kollegialen Gemeinschaft bewirkt. Der Kaffee habe für erhöhte Wachsamkeit und Aufnahmebereitschaft gesorgt, was auch dem Arbeitgeber bewusst gewesen sei – schließlich habe er sich teilweise selbst um das Auffüllen der Kaffeevorräte gekümmert.

So ein Fall sei deshalb anders zu beurteilen, als wenn sich ein Arbeitnehmer – etwa in der Frühstückspause – an einem Kaffee verschluckt, den er selbst in der Thermoskanne mitgebracht hat.

Ob das Urteil Bestand hat, ist noch nicht ausgemacht: Das LSG ließ die Revision zum Bundessozialgericht zu, das sich dann auch noch einmal der Frage widmen muss, wie privat oder dienstlich veranlasst der Schluck Kaffee bei der Arbeit ist.

 

Landessozialgericht Sachsen-Anhalt, Urteil vom 22. Mai 2025, Az. L 6 U 45/23

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