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Führung & HR > Digitale Ethik

Warum Chefs endlich bei „Dark Patterns“ aufwachen müssen

| The Economist | Lesezeit: 2 Min.

Schöne Oberfläche, dunkle Absicht: Wie Dark Patterns Vertrauen zerstören – und warum Ethik im Design zur Chef-Sache wird.

Illustration Call to action
Ein Call-to-Action überzeugt – ein Dark Pattern überlistet. Der Unterschied entscheidet über Vertrauen oder Täuschung. Dark Patterns drängen Nutzer zu ungewollten Entscheidungen – und können Unternehmen langfristig schaden. (Foto: MuM/kI)

aus The Economist übersetzet von Markt und Mittelstand

Digitales Design klingt harmlos. „Dark Patterns“ – dunkle Designmuster – dagegen weniger. So nennt man Benutzeroberflächen, die Verbraucher subtil oder manipulierend dazu bringen, Entscheidungen zu treffen, die sie sonst nicht getroffen hätten.

Die meisten werden Ihnen bekannt vorkommen: Der Button zum Ablehnen eines Angebots lautet etwa: „Ja, ich möchte das Schnäppchen des Jahrhunderts verpassen.“ Die Schaltfläche „Jetzt anmelden und Vorteile sichern“ ist dreimal so groß und leuchtend wie der dezente Hinweis „Ich möchte einfach nur das, wofür ich gekommen bin.“

Der Kündigungsprozess ist so verschachtelt, dass man vergisst, was man überhaupt vorhatte. Oder die Meldung suggeriert: „300 Leute sehen sich dieses Hotelzimmer gerade ebenfalls an.“

Solche Methoden sind kurzfristig höchst wirksam. Eine 2021 veröffentlichte Studie von Jamie Luguri und Lior Strahilevitz von der juristischen Fakultät der University of Chicago konfrontierte amerikanische Konsumenten mit dunklen Designmustern beim Bewerben einer kostenlosen Testphase.

Schon milde Varianten – etwa eine Auswahl zwischen „Akzeptieren und fortfahren (empfohlen)“ und „Weitere Optionen“ – verdoppelten die Wahrscheinlichkeit, dass Teilnehmer zustimmten, im Vergleich zu einer klaren Wahl zwischen „Akzeptieren“ oder „Ablehnen“. Aggressive Designs, bei denen man mehrere Bildschirme durchklicken musste, um abzulehnen, vervierfachten die Annahmequote. Zahlen, die Manager kaum ignorieren können.

Nicht jedes Dark Pattern ist finster. Manche Designentscheidungen wirken in einem Kontext manipulativ, im anderen informativ: Es ist beispielsweise hilfreich zu wissen, ob Hotelzimmer oder Tickets knapp werden. Und ein gewisses Maß an psychologischer Lenkung gehört zum Geschäftsmodell: Wenn Werbung – wie H.G. Wells es angeblich formulierte – nicht komplett legitimierte Lüge ist, dann ist sie zumindest nicht die reine Wahrheit.

Auch Konsumenten unterscheiden Nuancen der Irreführung. Eine aktuelle Studie von Shannon Duncan von der University of Pennsylvania und ihren Mitautoren untersuchte Reaktionen auf Werbeanzeigen einer Hilfsorganisation. Ergebnis: Die Teilnehmer störten sich stärker an künstlicher Inszenierung (z. B. ein Schauspielkind, das Armut darstellt) als an selektiver Darstellung eines tatsächlich existierenden, aber untypisch armen Kindes.

Dark Patterns verbreiten sich oft gedankenlos. Laut Marie Potel, Mitgründerin von Fair Patterns, werden problematische Designs häufig aus Standardvorlagen übernommen. Generative KI könnte das Problem verschärfen – sie wird auf einem Internet trainiert, das voller solcher Muster ist. Dennoch gibt es zwei gewichtige Gründe, warum Führungskräfte genau hinschauen sollten.

1. Der regulatorische Druck steigt
 

Gesetzgeber von Brüssel über Kalifornien bis London gehen gegen Dark Patterns vor. Die US-Handelsbehörde FTC erzielte jüngst einen Rekordvergleich über 2,5 Milliarden Dollar mit Amazon. Der Vorwurf: Verbraucher seien manipuliert worden, sich für Prime anzumelden, und hätten es unnötig schwer gehabt zu kündigen. (Amazon betont, der Vergleich bedeute kein Schuldeingeständnis.) In den Niederlanden leitete ein Verbraucherverband im Juni eine Sammelklage gegen Booking.com ein – wegen angeblich irreführender Designtricks.

2. Dark Patterns schaden langfristig dem eigenen Geschäft
 

Verbraucher reagieren verärgert auf plumpe Manipulationen. Die Studie von Luguri und Strahilevitz zeigt: Aggressive Techniken treiben zwar kurzfristig Abschlussquoten, sie verprellen aber die Kunden, die ihnen ausgesetzt sind.

Auch das bewusst erschwerte Aussteigen aus Verträgen kann nach hinten losgehen. Navdeep Sahni von der Stanford University untersuchte gemeinsam mit anderen Forschenden über 1 Million Kunden eines europäischen Medienunternehmens. Ein Teil erhielt Testangebote mit automatischer Verlängerung, ein anderer Teil erhielt automatisch endende Testzugänge.

Wie erwartet blieben Kunden mit Auto-Renewal länger dabei. Aber es gab einen Haken: Die Erstregistrierung lag 35 % niedriger. Viele Menschen mieden das Angebot von vornherein – aus Sorge, später ungewollt zu viel zu zahlen. Am Ende waren die automatisch endenden Abos profitabler.

Fazit: Dark Patterns können dazu führen, dass sich Verbraucher selbst schaden. Sie können aber auch Unternehmen in die Irre führen.

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Aus The Economist, übersetzt von der Markt & Mittelstand Redaktion, veröffentlicht unter Lizenz. Der Originalartikel in englischer Sprache ist zu finden unter www.economist.com

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