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Geld & Vorsorge > Interview: Sanierung & Restrukturierung

Zweite Führungsebene erkennt Krisen zuerst: Sanierungsexpertin Hübner über Rettung von Unternehmen

| Thorsten Giersch

Die Zahl der Insolvenzen steigt. Viele hätten verhindert werden können. Sanierungsexpertin Britta Hübner sagt, worauf es dabei ankommt.

Symbolbild: Links: 1. Führungsebene sprachlos - rechts: 2. Führungsebene dynamisch
(Foto: MuM/Ki)

Sanierungsexpertin Britta Hübner erklärt, warum Manager Krisen oft verdrängen – und wie die zweite Führungsebene Firmen rettet.

08.10.2025  Markt und Mittelstand - Das Interviev führte Thorsten Giersch

Die Zahl der Insolvenzen steigt. Haben Sie mehr Arbeit als in den vergangenen Jahren? 

  • Britta Hübner: Womöglich bin ich in einer Sondersituation, aber in den vergangenen 20 Jahren habe ich keine Lücke gehabt zwischen meinen Projekten. Sanierungsfälle gab es immer. Heute sind wir in Deutschland in einer Sondersituation. Viele Probleme wurden in der Niedrigzinsphase mit günstigem Geld verschoben. Jetzt läuft eine natürliche Bereinigung. Und ich finde, die muss man zulassen. Dank der Gesetzgebung sind Unternehmen in der Lage, nicht sofort in ein Insolvenzverfahren zu rutschen.  

Sie spielen auf das Starug-Verfahren an, das Betrieben seit 2021 ermöglicht, sich eigenverantwortlich  zu sanieren und so eine Insolvenz abzuwenden. 

  • Britta Hübner: Die außergerichtliche Einigung wird nach einem holprigen Start gesellschaftsfähiger. Das größte Problem sind jetzt die Finanzierer, die mit bestehenden Fällen komplett ausgelastet sind. 

Je eher sich leidende Firmen bei den Geldgebern melden, umso besser? 

  • Britta Hübner: Absolut, aber das ist oft nicht der Fall. Viele Unternehmen sind zu spät dran. Zudem haben die Banken ein Interesse, dass es nicht zu Wertberichtigungen kommt. Deshalb versuchen sie, die Fälle so lange wie möglich aus der Sanierung draußen zu halten. Die Banken müssten viel früher mit ihren Risikoabteilungen oder Restrukturierern im Haus sprechen, damit die rechtzeitiger handeln können. 

Warum stecken Unternehmen in der Misere? 

  • Britta Hübner: Es ist oft das Management, das entscheidende Fehler macht. Auch wenn es Ausnahmen gibt, in denen Firmen wegen Marktbedingungen in eine schwierige Lage kommen. Aber auch die tauchen nur in den seltensten Fällen überraschend auf. Das Management hätte sie meist sehen können. 

Warum tun sich Firmenlenker so schwer, sich den Problemen zu stellen?  

  • Britta Hübner: Weil es oft keine ausreichenden Früherkennungssysteme gibt, mit Problemen professionell umzugehen. Oder man ist geneigt, den Kopf in den Sand zu stecken. Es ist immer gutgegangen, es wird auch diesmal gut gehen. Viele Betriebe waren über viele Jahre, teilweise Jahrzehnte, höchst profitabel. Liquidität war nie ein Thema. Und plötzlich ist dann der Punkt überschritten, an dem man selbst noch umsteuern kann. 

Was fehlt konkret? 

  • Britta Hübner: Ich mache den Job seit 20 Jahren und selbst in gut aufgestellten Konzernen – international tätig mit neunstelligem Umsatz – habe ich nie eine Liquiditätsplanung vorgefunden, die wirklich passte. Oft gibt es nur die klassische Cashflow-Rechnung, aus der sich aber vieles nicht ableitet. Mit der kann ich im operativen Tagesgeschäft nichts anfangen. 

Auf wen hören Manager, wenn es sehr eng wird? 

  • Britta Hübner: Das ist sehr unterschiedlich. Je klarer die finanzielle Misere offenliegt, desto eher sind Eigentümer bereit, Maßnahmen zu ergreifen und selbstkritisch mit der Situation umzugehen. In Familienunternehmen ist das oft ein bisschen anders. Hier gibt es viele emotionale Komponenten. Gefühle verdrängen die Fähigkeit zur Selbstkritik. Es hängt stark daran, wer die Stakeholder sind und welchen Einfluss sie auf das Management und dessen Veränderungsbereitschaft haben. 

Wer schläft am meisten, wenn es darum geht, eine Krise zu erkennen? 

  • Britta Hübner: Den Steuerberatern könnte man mehr Verantwortung zumuten. Die sind vielleicht auch zu oft der Freund aus dem Ort oder vom Golfplatz. Sie machen jeden Monat die betriebswirtschaftlichen Auswertungen. Es ist schlichtweg so, dass auch mittelständische Konzerne mittlerer Größe kein perfektes Reporting haben. 

Meldet sich der Bankberater rechtzeitig? 

  • Britta Hübner: Häufig nicht. Die sehen, wie sich die Kontostände entwickeln. Wenn ein Unternehmen jahrelang nie überzogen hat, aber plötzlich die entsprechenden Linien in Anspruch nimmt, dann könnte man zügig nachfragen, warum das so ist, statt erst, wenn die Linien voll ausgenutzt sind und die Cash-Situation wirklich schwierig ist. 

Wissen Eigentümer in dem Moment, was zu tun ist? 

  • Britta Hübner: Da darf man nicht pauschalisieren. Aber viele wissen nicht, was sie tun sollen. Viele wollen das Problem lösen und kommen unglücklicherweise nicht auf den Gedanken, zuerst mit ihrer Bank zu sprechen. Ich sage unglücklicherweise, weil die Bank die Profis hat – und damit meine ich auch kleinere Banken. Eine große Rolle spielt auch, dass Eigentümer sich schämen. Das hat etwas mit Schwäche zu tun und damit, Fehler zugeben zu müssen. Aber so bekommt man eben nicht den optimalen Ratgeber an die Seite gestellt. 

Wann lehnen Sie ein Mandat ab? 

  • Britta Hübner: Es steht und fällt mit dem Geschäftsmodell eines Unternehmens. Wenn es im Grunde übermorgen tot ist, muss sich entweder ein Insolvenzverwalter darum kümmern oder jemand, der liquidiert.  

Und wann ist Ihr Job beendet? 

  • Britta Hübner: Das bestimmt sich in der Regel durch die Refinanzierung der bestehenden Finanzierungspartner. Ich muss das Unternehmen wieder dahinbringen, dass es interessant ist für Finanzierungspartner. Oder aber eben durch einen Fusions- oder Verkaufsprozess bringen, sodass neue Anteilseigner kommen, die das entsprechende Geld mitbringen. 

Wie beliebt sind Sie bei den Beschäftigten? 

  • Britta Hübner: Die Frage ist, wie man da auftritt. Natürlich sind Belegschaft und Management zwiegespalten. Dass jetzt alle zu 100 Prozent in meinem Fanklub sind, wäre gelogen. Aber dass ich Feinde habe, wäre jetzt auch nicht richtig. Ganz wichtig ist, dass man von Anfang an mit der Belegschaft, dem Betriebsrat, der Gewerkschaft, den Kontakt sucht und diese offen und transparent mit einbindet. 

Wer hilft am meisten bei der Rettung? 

  • Britta Hübner: Meine Erfahrung ist, dass die zweite Führungsebene in der Regel die Krise sehr früh erkannt hat und auch immer versucht hat, was zu unternehmen, aber möglicherweise beim Topmanagement abgeblitzt ist. Wenn diese zweite Führungsebene bereit ist, das Unternehmen wieder nach vorne zu bringen, ist sehr viel gewonnen. 

 

Die Retterin

Britta Hübner ist Sanierungsexpertin und Gründerin von Hübner Management. Sie restrukturiert ange­schlagene Unternehmen. 

Faktenbox: Sanierung & Krisenmanagement im Mittelstand

  • Insolvenzen: Zahl steigt – viele Fälle wären vermeidbar.
  • Hauptproblem: Fehlende Liquiditätsplanung, Verdrängung durch Management.

  • Früherkennung: Krisenanzeichen oft von zweiter Führungsebene erkannt, nicht von Top-Management.

  • Banken & Steuerberater: Reagieren häufig zu spät; Banken wollen Wertberichtigungen vermeiden.

  • Emotionale Komponente: Besonders in Familienunternehmen erschwert Scham den offenen Umgang mit Problemen.

  • Sanierungsmöglichkeiten:

    • StaRUG-Verfahren (seit 2021): außergerichtliche, eigenverantwortliche Sanierung.

    • Voraussetzung: Geschäftsmodell muss tragfähig sein.

  • Erfolgsfaktor: Frühzeitige Einbindung von Stakeholdern, Transparenz gegenüber Belegschaft, Betriebsrat und Gewerkschaften.

  • Zentrale Erkenntnis: Die zweite Führungsebene ist oft entscheidend für die Rettung – sie erkennt Krisen zuerst und treibt Veränderungen an.

Ziel der Sanierung:

  • Wiederherstellung von Finanzierungsfähigkeit

  • Gewinnung neuer Investoren oder Anteilseigner

  • Alternativ: Fusion oder Verkauf

Dieser Artikel erschien in der Oktober-Ausgabe von Markt und Mittelstand 2025

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