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Urteile & Verordnungen > Selbstverteidigung im Finanzsektor

DORA und die digitale Abwehrfront: Wie eine EU-Verordnung den Finanzsektor neu justiert

Seit dem 17. Januar 2025 gilt in der EU ein neuer digitaler Sicherheitsstandard für den Finanzsektor: DORA soll die IT-Resilienz von Banken, Versicherern und Finanzdienstleistern nachhaltig stärken.

(Foto: shutterstock)

In der Welt der Bits und Billionen, in der Banken längst nicht mehr nur Tresore, sondern auch Terabyte sichern müssen, tritt eine neue Verteidigungslinie in Kraft: der Digital Operational Resilience Act, kurz DORA. Diese EU-Verordnung ist kein bloßes Update bestehender Vorschriften, sondern ein regulatorischer Quantensprung mit spürbaren Konsequenzen für Kreditinstitute, Versicherungen und Börsenbetreiber sowie ihre IT-Dienstleister.

Ein Weckruf in Paragrafenform

DORA ist keine prophylaktische Maßnahme – sie ist eine Antwort. Eine Antwort auf eine digitale Realität, in der Cyberangriffe keine hypothetische Gefahr mehr darstellen, sondern konkrete Bedrohung mit klar beziffertem Preis: 178,6 Milliarden Euro Schaden im Jahr 2024 in Deutschland, allein durch Cyberkriminalität, so der Branchenverband Bitkom. Diese Summe ist mehr als ein Alarmsignal – sie ist ein Offenbarungseid der bisherigen Schutzmechanismen.

Was die Verordnung erreichen will, ist klar umrissen: einen einheitlichen, robusten Rahmen für digitale Widerstandsfähigkeit im EU-Finanzsektor. Betroffen sind nicht nur die offensichtlichen Player – Banken, Versicherer, Börsen –, sondern auch Akteure aus dem Schattenreich digitaler Infrastruktur: Cloudanbieter, Rechenzentren, Krypto-Plattformen.

Die fünf Säulen digitaler Standhaftigkeit

DORA ruht auf einem strukturellen Fundament – fünf eng verzahnte Säulen, die kaum Raum für Interpretationen lassen:

  1. Risikomanagement 2.0: Finanzhäuser müssen IT-Risiken künftig systematisch erfassen, analysieren und durch konkrete Maßnahmen eindämmen. Der Nebel der Ungewissheit ist keine Ausrede mehr.

  2. Pflicht zur Transparenz: Cyberangriffe müssen nicht nur erkannt, sondern auch rasch gemeldet werden – sowohl intern als auch an die zuständigen Aufsichtsbehörden.

  3. Digitale Stresstests: Von Penetrationstests bis zu Simulationen realer Ausfall-Szenarien – die Systeme müssen unter Beweis stellen, dass sie mehr sind als bloße Theorie.

  4. Drittanbieter im Fadenkreuz: Wer externen Dienstleistern vertraut, muss Kontrolle behalten. Verträge mit IT-Partnern unterliegen neuen Standards, inklusive Audit- und Zugriffsrechten.

  5. Wissensaustausch als Verteidigungslinie: Der Informationsaustausch zu Bedrohungslagen wird zur Pflicht – kollektive Sicherheit statt institutioneller Silos.

Auswirkungen auf Finanzunternehmen und IT-Dienstleister

Ein neuer Prüfstand für die Branche:  Für viele IT-Abteilungen dürfte DORA ein Reality Check sein. Die Anforderungen durchdringen tief die gewachsenen Strukturen der Finanz-IT. Besonders brisant: Erstmals führt die EU eine direkte Aufsicht über sogenannte "kritische IKT-Dienstleister" ein – also jene Tech-Player, ohne die bei vielen Finanzinstituten gar nichts mehr geht. Ob Cloud, Core-Banking oder Middleware: Wer zur digitalen DNA gehört, steht künftig unter Beobachtung.

Vertragsgestaltung, Exit-Strategien, Sicherheits-Reviews – all das rückt in den Mittelpunkt. Und mit ihnen eine zentrale technische Praxis, die lange zu oft stiefmütterlich behandelt wurde: Systemhärtung.

Systemhärtung als Schlüsselkomponente

Was unter dem Begriff „System Hardening“ läuft, ist keineswegs neu – aber nun zwingend vorgeschrieben. Die Forderung: Jedes System muss auf Grundlage bewährter Standards gehärtet und regelmäßig kontrolliert werden. In der Praxis bedeutet das:

  • Das Abschalten unnötiger Dienste

  • Das Einschränken von Rechten und Zugriffen

  • Das Festlegen von Konfigurationen, die Sicherheit nicht dem Zufall überlassen

Was sich technisch nüchtern anhört, ist organisatorisch heikel. Viele Unternehmen vertrauen noch auf manuelle Prozesse, eigene Skripte oder Gruppenkonfigurationen. Doch das reicht nicht mehr. Die Zukunft gehört professionellen Hardening-Tools, die automatisch konfigurieren, dokumentieren und überwachen – und dabei helfen, den Spagat zwischen maximaler Sicherheit und betrieblicher Nutzbarkeit zu schaffen.

Die Gretchenfrage der Umsetzung

Doch wie bei jeder tiefgreifenden Regulierung ist auch DORA nicht ohne Tücken. Fünf Herausforderungen dominieren den Umsetzungsalltag:

  1. Technologische Komplexität: DORA ist kein Papiertiger. Die Anforderungen reichen bis in die hintersten Ecken der IT-Landschaft.

  2. Ressourcendruck: Fachkräfte sind knapp, Budgets endlich – und der Aufwand enorm.

  3. Know-how-Defizite: Spezialisierung ist gefragt – etwa bei Penetrationstests oder Secure Configuration. Doch entsprechendes Personal ist rar.

  4. Dynamik der Bedrohung: Was heute sicher ist, kann morgen ein Einfallstor sein. Das Sicherheitskonzept muss lernfähig bleiben.

  5. Wirtschaftlichkeit vs. Sicherheit: Härtung ist kein Selbstzweck. Die Systeme müssen weiterlaufen – performant, nutzerfreundlich und compliance-konform.

zur Expertenmeiung

Fazit

DORA ist kein bürokratisches Feigenblatt, sondern ein manifest gewordener Paradigmenwechsel. Wer heute in digitale Sicherheit investiert, tut das nicht aus Angst vor Strafen, sondern aus Überzeugung. Denn in einer Branche, in der Vertrauen das höchste Gut ist, wird digitale Resilienz zur neuen Währung.

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