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Urteile & Verordnungen > Urteil der Woche

Erbausschlagung rückgängig machen, weil der Nachlass mehr wert ist als angenommen?

Eine Enkelin wollte ihre Erbausschlagung rückgängig machen, weil sie den Nachlass der Großmutter falsch eingeschätzt hatte. Das OLG Zweibrücken entschied: Ein Irrtum über den Wert des Erbes genügt nicht für eine Anfechtung.

OLG Zweibrücken: Irrtum über den Wert des Erbes reicht nicht für Anfechtung. (Foto: shutterstock)

Der Fall

Eine Frau verstarb im biblischen Alter von 106 Jahren, ohne ein Testament zu hinterlassen. Der Nachlass bestand im Wesentlichen aus einem Haus, das mit einer Grundschuld für die Pflegeheimkosten der alten Dame belastet war, und einem Bankkonto. Gesetzliche Erben der Dame waren eine Enkelin und zwei Urenkel. Die Enkelin schlug die Erbschaft aus, weil sie den Nachlass für überschuldet hielt. Die beiden Urenkel nahmen die Erbschaft an.
 
Später stellte sich heraus, dass das Haus mehr wert war als gedacht. Das Bankkonto wies tatsächlich ein Guthaben aus. Die Enkelin focht daraufhin ihre Ausschlagung an und beantragte einen Erbschein über ein Viertel des Nachlasses. Sie argumentierte, sie habe sich über die Vermögensverhältnisse geirrt.
 
Das Nachlassgericht gab dem Antrag der Frau statt und erklärte die Ausschlagung für nichtig. Einer der Urenkel legte dagegen Beschwerde ein.

 

Die Entscheidung

Das OLG Zweibrücken entschied: Die Enkelin ist nicht Erbin geworden, weil sie die Erbschaft wirksam ausgeschlagen hat. Sie kann diese Ausschlagung nicht wirksam anfechten. Denn ein Irrtum über die Zusammensetzung des Nachlasses als solche, also über das Vorhandensein bestimmter Nachlassgegenstände, kann zwar eine Anfechtung begründen, nicht aber ein Irrtum über den Wert einzelner Nachlassgegenstände.
 
Im konkreten Fall hatte sich die Enkelin zwar über den Erlös geirrt, der sich aus dem Verkauf des Hauses erzielen ließ. Dieser Irrtum bezog sich jedoch auf den Wert des Nachlasses und nicht auf dessen Zusammensetzung. Dass die Frau erst im Nachhinein von dem vierstelligen Bankguthaben erfuhr, wertete das OLG zwar als beachtlichen Irrtum über die Zusammensetzung des Nachlasses. Dieser Irrtum, so die Richter, hätte die Frau aber nicht dazu veranlasst, die Erbschaft auszuschlagen. Selbst wenn sie von dem Konto gewusst hätte, hätte sich an ihrer Einschätzung der Überschuldung des Nachlasses nichts geändert.
 
Die Entscheidung zeigt: Wer eine Erbschaft ausschlägt, weil er von Schulden ausgeht, sollte dies vorher genau prüfen. Falsche Wertvorstellungen reichen nicht aus, um die Entscheidung später zu widerrufen.
 
OLG Zweibrücken, Beschluss vom 14.08.2024, Az. 8 W 102/23

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