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Ratgeber für den Alltag > Business-Etikette international

Etikette international: Was beim Geschäftsessen in Japan, China, Saudi-Arabien & Co. zählt

| Markt und Mittelstand Redaktion

Ein Geschäftsessen ist weltweit Bühne und Botschaft zugleich. Doch wer kulturelle Codes ignoriert, riskiert mehr als einen Fauxpas. So navigieren Sie sicher durch diplomatische Dinnertische.

In Japan ist die Verbeugung (Ojigi) eine eigene Kunstform – je tiefer, desto respektvoller. Geschäftsleute verbeugen sich oft mehrfach, kombiniert mit dem Austausch von Visitenkarten. (Foto: shutterstock)

Der Lunch als Bühne für Leadership

Ein Business Lunch in Berlin beginnt oft mit Handschlag, Smalltalk über das Wetter oder die letzte Messe und mündet, idealerweise, in konkrete Gesprächspunkte zwischen Haupt- und Nachspeise. Doch wer denkt, das Prinzip „erst plaudern, dann pitchen“ gelte weltweit, irrt.

Internationale Tischkultur ist weit mehr als eine Frage der Etikette – sie ist ein strategischer Faktor im globalen Geschäftsverkehr. In einer vernetzten Wirtschaftswelt kann der kulturell souveräne Umgang bei Geschäftsessen über Vertrauen, Vertragsabschlüsse und langfristige Kooperationen entscheiden. Der Esstisch ist dabei ein diplomatisches Parkett – mit ganz eigenen Regeln, je nach Region, Religion und Rolle der Gesprächspartner.

Was in Deutschland als verbindlich gilt, kann in Japan, Frankreich oder den USA irritieren – oder gar als Affront gelten. Wer sich international bewegt, muss wissen, welche Regeln gelten – und welche Fallen warten.

Brasilien

In Brasilien wird gern gelacht, umarmt und verspätet begonnen. Wer pünktlich kommt, wartet oft allein. Dafür ist das Essen ausgedehnt – und das Vertrauen wichtig.

Brasilianische Geschäftspartner pflegen eine kommunikative und körpernahe Kultur, in der Nähe Vertrauen signalisiert. Ein zu großer Abstand wird als Distanz oder gar Ablehnung gewertet.

Smalltalk ist zentral. Geschäftliches? Kommt später, wenn die Beziehung etabliert ist. Brasilianer schätzen Improvisation, aber nicht Unverbindlichkeit. Verbindlich wird es meist nach dem Espresso, der gegen Ende des Treffens gereicht wird – und oft das eigentliche Signal zum Einstieg ins Geschäftliche ist.

Wichtig: Hierarchien sind zwar vorhanden, doch Entscheidungen fallen oft im Netzwerk, nicht zwingend in der oberen Etage. Gespräche über Familie und Fußball sind kein Smalltalk, sondern Teil des Deals.

China

Geschäftsessen in China sind keine Mahlzeit – sie sind ein soziales Ritual, das Beziehungen festigt, Vertrauen aufbaut und die Rollenverteilung klärt. Wer eingeladen wird, sollte wissen: Das eigentliche Geschäft findet selten am Tisch statt, aber der Weg zum Deal führt über den Tisch.

„Mianzi“ – das Gesicht – ist der Schlüsselbegriff chinesischer Etikette. Es bedeutet Ansehen, Würde, Status. Wer öffentlich widerspricht, blamiert oder drängt, bringt sein Gegenüber in Verlegenheit – und riskiert den Abbruch jeder weiteren Verhandlung.

Hierarchien strukturieren alles: Wer zuerst sitzt, wer zuerst spricht, wer wem einschenkt – all das folgt einem impliziten Protokoll. Der Gastgeber bestellt, zahlt und lädt ein. Der Gast lehnt beim ersten Mal höflich ab – und akzeptiert dann. Nicht mit der Stäbchenspitze gestikulieren. Nicht nachsalzen. Nicht zu früh gehen.

Smalltalk? Ja – aber mit Bedacht. Familie, Herkunft, geschätzte Sehenswürdigkeiten – alles gut. Politik, Taiwan oder Menschenrechte? Reden tabu, Zuhören Pflicht. Wer sich hier diplomatisch verhält, gewinnt Respekt. Wer belehrt, verliert alles – vor allem den Zugang.

Frankreich

In Paris beginnt das Geschäftsessen nicht mit PowerPoint, sondern mit einem Apéritif.  Franzosen lieben das Gespräch, aber nicht zur Sache, sondern zur Person. Es geht um Vertrauen, Charme, Intellekt. Smalltalk über Wein, Kunst oder Literatur ist kein Beiwerk, sondern sozialer Kitt. Wer direkt zur Vertragslage übergeht, disqualifiziert sich. Auch wichtig: Die Besteckführung ist wie eine Visitenkarte. Brote nicht schneiden, sondern brechen. Kein Espresso vor dem Dessert bestellen – das wäre ein Affront gegen die Menüfolge. Gespräche über Zahlen oder Verträge gelten beim Essen als unfein. Erst nach dem Dessert darf das Geschäftliche dezent anklingen. Hierarchien sind wichtig: Der Ranghöchste spricht zuerst, bestellt zuerst – und zahlt meist auch.

Japan

Japanische Esskultur ist geprägt von Ritualen und Zurückhaltung. Visitenkarten werden wie ein Kunstwerk behandelt, mit beiden Händen überreicht und sorgsam auf den Tisch gelegt – niemals in die Hosentasche stecken. Lachen zur Konfliktvermeidung ist üblich, das direkte Wort hingegen nicht.

Ein Fauxpas mit gravierender Wirkung: sich selbst vor einem Höhergestellten einschenken. Oder beim Sushi die Stäbchen in Sojasauce tränken – das wirkt ungehobelt. Wer nicht alles isst, gilt als undankbar. Wer jedoch zu schnell isst, wirkt gierig.

Beim Essen wird nicht gesprochen – vor allem nicht über Geschäftliches. Erst im zweiten Treffen darf verhandelt werden. Respekt vor dem Alter und der Rangordnung ist elementar.

Saudi Arabien

Geschäftsessen in Saudi-Arabien sind keine Nebensache – sie sind Ausdruck von Vertrauen, Ehre und Respekt. Wer eingeladen wird, hat bereits den ersten Test bestanden: Er gilt als Gesprächspartner auf Augenhöhe. Der eigentliche Vertrag? Spielt in diesem Moment nur eine Nebenrolle.

Religion strukturiert den Alltag. Gebetszeiten unterbrechen Treffen, Alkohol ist tabu, ebenso wie Schweinefleisch. Ein respektvoller Umgang mit dem Islam ist keine Kür, sondern Grundvoraussetzung. Beim Essen gilt: Rechte Hand benutzen, nicht mit der linken essen oder geben – das gilt als unrein.

Hierarchie zählt – aber mit Würde. Entscheidungen trifft oft die Familie oder der Clan, nicht ein einzelner CEO. Geschenke können angemessen sein, aber sie müssen von hoher Qualität und ohne Firmenlogo sein – alles andere gilt als billig oder taktlos.

Seoul

Korea tickt hierarchisch. Der Rang entscheidet über Sitzordnung, Reihenfolge der Begrüßung und sogar das Einschenken von Getränken. Wer zum ersten Mal in Seoul mit koreanischen Geschäftspartnern speist, sollte auf Stäbchen-Etikette achten: Sie niemals senkrecht in den Reis stecken – das erinnert an Ahnenrituale bei Beerdigungen.

Auch wer Alkohol angeboten bekommt, sollte nicht ablehnen – sondern mit beiden Händen annehmen, dabei den Blick leicht abwenden und anschließend dem Älteren einschenken. Gesprächsführung? Eher verhalten. Koreanische Gastgeber hören gern zu, bevor sie selbst reden. Wer zu viel spricht, wirkt dominant. Wer zu schnell zum Geschäftlichen kommt, ungeduldig.

Singapur

In Singapur, einem multikulturellen Schmelztiegel mit chinesischen, malaiischen und indischen Einflüssen, ist Smalltalk Pflichtprogramm – und doch mit Vorsicht zu genießen. Politische Themen, Religionsfragen oder auch allzu direkte Aussagen zur Geschäftslage gelten als unangemessen.

Tabu sind insbesondere Witze über das System oder ethnische Anspielungen – sie können als Respektlosigkeit oder gar Straftat verstanden werden. Wer stattdessen über den Standort Marina Bay, Familienstruktur oder gemeinsame Geschäftspartner spricht, trifft meist den richtigen Ton. Visitenkarten werden übrigens mit beiden Händen überreicht, ein kurzer Blick darauf gilt als Zeichen von Respekt.

 

USA

Amerikanische Geschäftsessen sind oft kürzer, direkter – und weniger ritualisiert. Wer eingeladen wird, darf mit einem schnellen Übergang zum Business rechnen. Smalltalk dient der Lockerung, nicht der Bindung.

Wichtig: Keine negativen Aussagen über andere Firmen, Länder oder Personen. Alles, was zu kontrovers wirkt, gilt als unsouverän. Und: Trinkgeld ist kein Bonus, sondern Erwartung – 15 bis 20 Prozent gelten als Standard. Wer hier spart, verliert Eindruck.

Sonderfall New York: Hier zählt Tempo. Der Business Lunch ist oft auf eine Stunde begrenzt, Gespräche über das Geschäft beginnen meist nach der Bestellung. Smalltalk ist oberflächlich. Religion und Politik tabu. Gezahlt wird getrennt oder vom Gastgeber – und das mit Karte, nicht bar.

Diplomacy is not a weakness. It’s our essential tool for building understanding.

Madeleine Albright, ehemalige US-Außenministerin

Infokasten: Die 10 wichtigsten Regeln für internationale Geschäftstreffen

  • Pünktlichkeit prüfen: In Deutschland Pflicht, in Brasilien selten – informieren Sie sich vorab über die lokale Zeitkultur.

  • Smalltalk-Themen anpassen: Unverfängliche Themen wie Essen, Kultur oder Sehenswürdigkeiten sind fast überall erlaubt. Politik und Religion: besser vermeiden.

  • Visitenkarten korrekt übergeben: Immer mit beiden Händen überreichen – besonders in Asien. Und: nie achtlos wegstecken.

  • Hierarchie beachten: In vielen Ländern sitzt, spricht und bestellt der Ranghöchste zuerst.

  • Nicht drängen: In China oder Japan gilt: Wer zu schnell zum Geschäft kommt, gilt als taktlos.

  • Alkoholregeln kennen: In Korea wird nicht abgelehnt, in Saudi-Arabien ist er tabu.

  • Besteck- und Stäbchenregeln wahren: Keine Stäbchen senkrecht in Reis stecken (Korea), kein Brot schneiden (Frankreich).

  • Zahlen stilvoll klären: Der Gastgeber zahlt – außer in den USA, wo getrennte Rechnungen üblich sind.

  • Körpersprache deuten: Nähe bedeutet Vertrauen (Brasilien), Augenkontakt kann je nach Kultur variieren.

  • Flexibel bleiben: Anpassungsfähigkeit zeigt Respekt – und öffnet Türen.

Glossar: Etikette international. Was bedeutet eigentlich ....

  • Mianzi (China): Der Begriff für „Gesicht wahren“. Bedeutet Ansehen, Würde und soziale Harmonie.

  • Ojigi (Japan): Die Kunst des Verbeugens – je tiefer, desto respektvoller. Gehört zur Begrüßung.

  • Apéritif (Frankreich): Ein alkoholisches Getränk vor dem Essen, oft Teil des sozialen Einstiegs.

  • Stäbchen-Etikette (Korea): Stäbchen nie senkrecht in den Reis stecken – Symbol für Tod.

  • Halal (Saudi-Arabien): Arabisch für „erlaubt“. Bezieht sich auf religiös konforme Speisen.

  • Business Casual (USA): Kleidungsvorschrift für geschäftliche Lunches – nicht zu formell, aber gepflegt.

  • Tischdiplomatie: Inoffizielle Gespräche beim Essen, die Vertrauen schaffen – oft entscheidender als das eigentliche Meeting.

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