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Führung & HR > Führung & Psychologie

Führung und Macht: Warum Manager ihre Wirkung oft unterschätzen

| The Economist

Führungskräfte beeinflussen mehr, als sie denken – manchmal mit nur einem Stirnrunzeln. Warum Macht Kommunikation verzerrt.

Chef und seine Wirkung auf das Team
Spiegel der Macht – wo Autorität sich vervielfacht und Klarheit zur Illusion wird. (Foto: MuM/Ki)

11.10.2025 aus The Economist übersetzet von Markt und Mittelstand

J. Edgar Hoover, der erste Direktor des Federal Bureau of Investigation (FBI), war eine düster-autoritäre Figur. Während seiner 48-jährigen Herrschaft über das FBI und dessen Vorgängerorganisation überwachte er persönlich Entscheidungen groß und klein – von Abhörmaßnahmen bis zu Kleidervorschriften. Kontrolle erzeugte blinden Gehorsam. Als Hoover einmal auf ein Memo die Notiz „Watch the borders“ („Beobachte die Grenzen“) kritzelte, wurden angeblich Agenten an die Grenzen zu Mexiko und Kanada geschickt. Tatsächlich meinte er die Seitenränder des Dokuments.

Das Verhalten seiner Untergebenen war vielleicht rational. Hierarchien bedeuten nun einmal, dass Befehle gegeben und befolgt werden. Und Hoover war ein besonderer Chef: nachtragend, jähzornig – und er feuerte einmal jemanden, weil dieser mit einem Jo-Jo spielte. Es erschien wohl vernünftiger, seinen Anweisungen zu folgen, statt unbequeme Fragen zu stellen wie: „Welche Grenzen?“ Führungskräfte von heute pflegen meist einen anderen Stil. Doch selbst für die kooperativsten Manager, die an die Lehre der psychologischen Sicherheit glauben, birgt diese Geschichte eine wichtige Lektion.

Es gibt reichlich Forschung über den sogenannten Autoritätsbias – die Tendenz, das eigene Urteil in Gegenwart von Macht auszusetzen. Das bekannteste Beispiel ist Stanley Milgrams Experiment, in dem Teilnehmer Anweisungen befolgten, anderen (scheinbar) immer stärkere Elektroschocks zu verabreichen. Ein oft übersehener Aspekt dieses Phänomens ist jedoch, dass Macht nicht nur bewusst, sondern auch unbewusst ausgeübt wird.

Eine zweideutige Anweisung wie Hoovers kann Chaos auslösen, wenn Beschäftigte versuchen, zu erraten, was der Chef meinte. Ein beiläufiger Kommentar des wohlmeinendsten Managers kann Untergebene auf falsche Fährten schicken. Eine gerunzelte Stirn kann Tage ruinieren. Selbst in Abwesenheit üben Chefs Einfluss aus: Mitarbeiter verbringen unzählige Stunden damit, zu erahnen, was die Vorgesetzten wirklich wollen. Man könnte es „Ouija-Board-Management“ nennen – Botschaften werden empfangen, auch wenn gar keine gesendet wurden.

Einige Führungskräfte und Organisationen sind sich der Wirkung von Titeln stärker bewusst als andere. John F. Kennedy sagte seinen Beratern während der Kubakrise 1962, er wolle nicht täglich an den Sitzungen teilnehmen, weil seine Anwesenheit verhindere, dass sie sich gegenseitig widersprechen. Beim Animationsstudio Pixar werden neue Filme intern durch ein sogenanntes „Brains Trust“ getestet – eine Gruppe erfahrener Mitarbeiter, die dem Regisseur Feedback geben. Das Unternehmen betont ausdrücklich, dass diese Gruppe keine Entscheidungsgewalt hat und der Regisseur selbst entscheidet, ob er die Ratschläge annimmt.

Offen mit Machtverhältnissen umzugehen ist besser, als sie wegzuwünschen. Wenn Sie als Chef Sätze sagen wie „Ihr müsst mir hier nicht folgen“ oder „Es ist eure Entscheidung, aber wenn ich du wäre …“, dann glauben Sie vielleicht, Sie geben anderen Freiheit. In Wahrheit tun Sie das nicht. Wenn Ihnen etwas egal ist, ist es besser, gar nichts zu sagen, als so zu tun, als hätte Ihre Meinung kein Gewicht. Bei Starbucks werden seit Langem Jobtitel klein geschrieben, um Gleichwertigkeit zu signalisieren. Nett gemeint. Doch Brian Niccol, der CEO, entscheidet trotzdem, wenn Filialen geschlossen oder Mitarbeiter entlassen werden – wie im September geschehen.

Klarheit über die Motive einer Entscheidung ist eine gute Möglichkeit, als Chef „im Geiste“ präsent zu sein. Liz Reid, die bei Google den Bereich Search leitet, sagt, ohne ein Verständnis für den Grund einer Strategie bestehe die Gefahr, dass Menschen nur „auf Schienen“ laufen. „Es ist dann so: ‘Liz hat gesagt dies oder das, also machen wir das jetzt bis in alle Ewigkeit.’“ Klare Ziele können das Ouija-Brett wenigstens in konstruktive Bahnen lenken – weil Mitarbeitende ein solides Orientierungsraster haben, um neue Ideen zu bewerten oder auf neue Informationen zu reagieren.

Chefs werden durch die Macht definiert, die sie ausüben. Diese Macht ist wertvoll, um Teams zu koordinieren, Konflikte zu lösen und Energie zu bündeln. Doch sie verzerrt auch ständig das Verhalten. Wenn jedes Wort einer Führungskraft Wellen durch eine Organisation schlagen kann – denken Sie an Hoover. Und achten Sie auf Ihre Befehle.

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