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Urteile & Verordnungen > Urteil der Woche

OLG-Urteil: Gilt ein zerrissenes Testament noch als letzter Wille?

Ein zerrissenes Testament gibt Rätsel auf: Kann es trotzdem wirksam sein oder gilt am Ende doch die gesetzliche Erbfolge? Das OLG Frankfurt entschied.

Nahaufnahme von einem Richterhammer als Symbolbild für ein Gerichtsurteil
(Foto: picture alliance)

Der Fall

Ein in letzter Ehe kinderloser Mann verstarb und hinterließ kein Testament, so schien es jedenfalls zunächst. Auf Antrag der Ehefrau stellte das Nachlassgericht einen Erbschein aus, der sie und die Mutter des Verstorbenen als gesetzliche Erben auswies.

Zwei Monate später fand sich in einem Bankschließfach des Mannes dann doch noch ein handschriftliches Testament, das eine dritte Person zum Alleinerben bestimmt. Das Problem: Das Testament war längs in der Mitte durchgerissen.

Die im Testament bedachte Person beantragte, den bereits ausgestellten Erbschein wieder einzuziehen. Das Nachlassgericht lehnte dies ab.

Die Entscheidung

Das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main bestätigte die Ablehnung durch das Nachlassgericht. Das zerrissene Testament sei als eindeutig widerrufen anzusehen. Es spreche alles dafür, dass der Erblasser das Dokument bewusst selbst zerrissen und damit seine letztwillige Verfügung vernichtet habe. Das Testament sei unzweifelhaft auch „nicht durch äußere Einflüsse anderweitig in zwei Teile geraten“, so das Gericht.

Der Umstand, dass das zerrissene Testament weiterhin im Schließfach lag, widerlege die Widerrufsvermutung nicht. Warum der Erblasser das zerrissene Testament dort aufbewahrt habe, sei zwar nicht nachvollziehbar. Rechtlich relevant sei das zur Widerlegung der gesetzlichen Vermutung des Widerrufs nicht. Nach § 2255 BGB ist der Widerruf eines Testaments durch physische Vernichtung wirksam, wenn kein Gegenbeweis zur Widerrufsabsicht erbracht wird.

„Das Urteil mahnt zur Klarheit bei der Regelung des letzten Willens. Wer ein Testament widerrufen will, sollte es vollständig vernichten oder durch eine neue Verfügung ausdrücklich aufheben, um Missverständnisse zu vermeiden“, sagt der auf Erbrecht spezialisierte Rechtsanwalt Holger Nemetz von Menold Bezler in Stuttgart.

 

Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Beschluss vom 29.4.2025, Az. 21 W 26/25

 

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