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Politik > Energiepolitik

Industriestrompreis startet im Januar 2026: Entlastung oder teurer Kompromiss?

| Markt und Mittelstand Redaktion | Lesezeit: 5 Min.

Die Bundesregierung führt ab 2026 einen Industriestrompreis ein, um energieintensive Betriebe zu entlasten. Experten sehen das Programm als teuren Kompromiss, der zwar Zeit verschafft, aber keine dauerhafte Lösung bietet.

Ein Arbeiter arbeitet in einer Stahlfabrik an glühendem Metall.
Ein Arbeiter in der Stahlproduktion: Energieintensive Branchen wie Metall, Chemie und Papier zählen zu den Hauptprofiteuren des geplanten Industriestrompreises ab 2026 in Deutschland. (Foto: shutterstock)

Wirtschaftsministerin Katherina Reiche hat den Industriestrompreis angekündigt. Drei Jahre Entlastung sollen Abwanderung verhindern. Kritiker sagen, das Programm sei eher Schmerzmittel als Strategie. Doch Deutschland gewinnt Zeit.

von Markt und Mittelstand 

Die Bundesregierung hat geliefert: Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche hat den Start des Industriestrompreises zum 1. Januar 2026 angekündigt. Er soll rückwirkend gelten und energieintensive Unternehmen entlasten, die seit der Energiekrise erheblich unter hohen Stromkosten leiden.

Das Ziel ist klar: Abwanderung verhindern, Wettbewerbsfähigkeit sichern, Zeit gewinnen. Doch das Instrument bleibt, trotz aller politischen Kommunikation, vor allem eines: ein kostspieliger und zeitlich begrenzter Notfallverband.

So soll der Industriestrompreis funktionieren

Der Plan: Rund 2.000 energieintensive Unternehmen sollen einen staatlich unterstützten Strompreis erhalten, orientiert am beihilferechtlichen EU-Rahmen Cisaf. Dort ist festgelegt, wie stark subventioniert werden darf.

Unter günstigsten Annahmen wären rund 7,25 Cent pro Kilowattstunde möglich. Das liegt deutlich unter den aktuellen Industriekonditionen, aber weit entfernt von Preisen in globalen Wettbewerbsregionen. In den USA sichern Bundesstaaten neuen Industrien teils 3 US-Cent pro Kilowattstunde über 20 Jahre zu. In Deutschland sind es drei Jahre, gedeckelt, rückwirkend und ohne Planungssicherheit.

Entlastung mit Ablaufdatum

Für besonders energieintensive Branchen wie Stahl-, Chemie- und Papierindustrie ist das neue „Stromschmerzgeld“ dennoch relevant. Nach Berechnungen von Denkfabriken wie Dena, Epico und Agora Energiewende wird der Strompreis für diese Gruppen seit 2020 dauerhaft deutlich höher bleiben, ein „New Normal“ von rund 11 Cent pro Kilowattstunde statt vormals 6 Cent.

Insgesamt geht es um Entlastungen im mittleren zweistelligen Milliardenbereich pro Jahr, wenn man alle bisherigen Instrumente einrechnet: Stromsteuererleichterungen, Netzentgeltzuschüsse, CO₂-Kompensationen und nun den Industriestrompreis.

Zwischen Subvention und Strukturwandel

Doch das Modell hat Grenzen, ökonomisch und politisch. Die Union warf einst „Subventionitis“ vor, nun trägt sie sie mit. Gleichzeitig pocht Brüssel darauf, Wettbewerbsverzerrungen zu vermeiden und Dekarbonisierung zu fördern.

Unternehmen müssen deshalb mindestens 50 Prozent der Förderung in Transformation investieren, etwa in eigene erneuerbare Energieerzeugung, Effizienzprogramme oder Speichertechnologien. Hinzu könnte ein „Flex-Bonus“ kommen, wenn Firmen ihren Stromverbrauch stärker an Wind- und Solarphasen anpassen.

Symptombehandlung statt Strukturreform

Klar ist: Der Industriestrompreis lindert Symptome, aber nicht die Ursachen. Der Staat kann strukturelle Probleme der Energiepolitik nicht dauerhaft mit Milliarden überdecken.

Die deutsche Energiewirtschaft bleibt teuer, weil Netze fehlen, Genehmigungen zu lange dauern, Kapazitäten asynchron wachsen und Planungsrisiken hoch sind. Reiche kündigt deshalb auch Strukturmaßnahmen an, von schnelleren Netzen bis zur Rückkehr zu überirdischen Leitungen. Nur wenn die Kosten im System sinken, wird Energie dauerhaft bezahlbar.

Mittelstand bleibt außen vor

Für viele mittelständische Industriebetriebe bleibt das Paket ambivalent. Die meisten profitieren nicht. Vorschläge wie gedeckelte Netzentgelte oder eine breitere Stromsteuersenkung stehen im Raum, sind aber bisher nicht finanziert.

Die Politik versucht, einer gefährdeten Schlüsselbranche Zeit zu verschaffen – mit Geld statt mit Planungssicherheit. Und jeder weiß, was das bedeutet: Ohne strukturelle Entlastungen wird der Industriestandort Deutschland weiter unter Druck bleiben.

Industriestrompreis ab 2026: Teure Linderung für mehr Zeit, aber kein Heilmittel

Der Industriestrompreis ist kein industriepolitischer Durchbruch, sondern ein taktischer Aufschub. Ein Schmerzmittel, wie Experten sagen, aber kein Heilmittel.

Entscheidend wird sein, was in den drei Jahren geschieht. Werden Netze schneller gebaut? Verfahren vereinfacht? Erneuerbare Energien mit Speichertechnologien verbunden? Oder bleibt am Ende nur die Erkenntnis, dass man den Strompreis nicht dauerhaft subventionieren kann, ohne den Haushalt zu überlasten?

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