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Urteile & Verordnungen > Urteil der Woche

Variable Vergütung: Späte Zielvorgaben, hohe Kosten – Beschäftigte können Schadensersatz verlangen

Bemisst sich die variable Vergütung eines Beschäftigten nach dem Erreichen einer Zielvorgabe, muss der Arbeitgeber die Ziele rechtzeitig vorgeben. Ansonsten macht er sich schadensersatzpflichtig, entschied das Bundesarbeitsgericht

Gehaltsabrechnung und Bargeld
(Foto: shutterstock)

Der Fall

Geklagt hatte eine Führungskraft, in deren Arbeitsvertrag ein Anspruch auf eine variable Vergütung vereinbart war. Die Höhe der variablen Vergütung sollte sich nach einer Zielerreichung richten. Dazu wiederum sah eine Betriebsvereinbarung vor, dass der Arbeitgeber jeweils bis zum 1. März des Kalenderjahres dem Mitarbeiter eine Zielvorgabe machen sollte. Diese sollte sich 70 Prozent aus Unternehmenszielen und 30 Prozent aus individuellen Zielen der zusammensetzen.

Für das vor Gericht in Frage stehende Jahr 2019 teilte die Geschäftsführung des Unternehmens den Mitarbeitern mit Führungsverantwortung am 26. September mit, dass bezogen auf die individuellen Ziele von einem Zielerreichungsgrad von 142 Prozent ausgegangen werde. Dieser Wert entsprach der durchschnittlichen Zielerreichung aller Führungskräfte in den vergangenen drei Jahren. Konkrete Zahlen zu den Unternehmenszielen nannte die Unternehmensführung erstmals am 15. Oktober. Individuelle Ziele wurden dem späteren Kläger keine gemacht. Der Mann bekam für 2019 eine variable Vergütung von rund 15.600 Euro brutto.

Dass der Arbeitgeber ihm keine individuellen Ziele vorgegeben hatte und dass die Unternehmensziele deutlich verspätet vorgegeben wurden, gab den Anlass zu der Schadensersatzklage. Der Kläger forderte zusätzlich zu dem vom Arbeitgeber zugestandenen variablen Gehaltsbestandteil weitere 16.000 Euro brutto als Schadensersatz ein. Er argumentierte, dass er rechtzeitig vorgegebene, billigem Ermessen entsprechende Unternehmensziele zu 100 Prozent und individuelle Ziele entsprechend von 142 Prozent erreicht hätte. Er habe aber keine Gelegenheit gehabt, auf die verspätet mitgeteilten Unternehmensziele zu erreichen und auf persönliche Ziele habe er mangels Vorgabe gar nicht hinarbeiten können.

Das Arbeitsgericht wies die Klage ab, während das Landesarbeitsgericht ihr stattgab.
 

Die Entscheidung

Das Bundesarbeitsgericht bestätigte die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts. Das Unternehmen habe seine Pflicht zur Zielvorgabe nach den Regelungen der Betriebsvereinbarung schuldhaft verletzt, indem es keine individuellen Ziele vorgegeben und die Unternehmensziele erst nach Ablauf von drei Vierteln der Zielperiode mitgeteilt habe. Zu diesem Zeitpunkt sei eine Zielvorgabe mit Motivations- und Anreizfunktion nicht mehr möglich gewesen.

Ein Mitverschulden der Führungskraft wegen fehlender Mitwirkung sah das BAG nicht. Die Initiativlast für die Vorgabe der Ziele trage allein der Arbeitgeber.

 

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 19. Februar 2025 – Az. 10 AZR 57/24

 

 

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