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Ratgeber für den Alltag > Digitale Verträge & Risiken

Kündigungsfrust in der Digitalwirtschaft: Was Unternehmen über Abo-Fallen wissen sollten

| Markt und Mittelstand Redaktion

Digitale Dienste sind schnell gebucht – doch kaum kündbar. So schützen sich Unternehmen vor versteckten Kosten und juristischen Hürden.

Display mit dem Schriftzug "unsibscribe"
Digitale Abo-Fallen im Alltag: Einfach abonnieren, schwer kündigen – ein unterschätztes Risiko für Selbstständige und Firmen. (Foto: shutterstock)

Für viele Unternehmen gehören digitale Dienstleistungen inzwischen zur Grundausstattung: Webhosting, Datenbanken, Kommunikationstools, Presseabos. Doch wer dabei auf scheinbar unkomplizierte Online-Dienste setzt, riskiert eine Schattenseite der Digitalisierung: Verträge, die sich kaum kündigen lassen. Was bei 9,99 Euro im Monat noch harmlos klingt, kann über Jahre zu erheblichen Kosten, Frust und rechtlichem Aufwand führen – nicht nur für Verbraucher, sondern auch für Selbstständige, Start-ups oder Mittelständler, die digitale Dienste in Eigenregie buchen. Die Fälle sind vielfältig, die Methoden oft ähnlich – und juristisch nicht immer eindeutig.

Hürden statt Kündigungsknopf: Vier exemplarische Fallstricke

1. Cloud-Speicher, der sich nicht löschen lässt

Ein Klassiker aus dem Büroalltag: Ein kostenpflichtiges Cloud-Abo, abgeschlossen zur einfachen Dateiablage im Team. Als das Unternehmen auf ein anderes System umsteigen wollte, sollte der Dienst gekündigt werden. Doch ohne Login – den nur ein ehemaliger Kollege kannte – war kein Zugriff möglich. Wiederherstellungsversuche liefen ins Leere. Auf Anfragen reagierte der Support automatisiert, während die Abbuchungen weiterliefen. Ein Mahnverfahren drohte, obwohl der Dienst gar nicht mehr genutzt wurde. Trotz telefonischer Klärung blieb ein System aktiv, das offenbar auf Retention um jeden Preis ausgelegt war.

2. Probeabos – der Endlos-Test

Ein vermeintlich risikofreies Testabo: Ein Klick genügte zur Aktivierung, aber die Kündigung ist versteckt in Untermenüs, mit wiederholten Rückfragen und Bestätigungen. Wer nicht frühzeitig aktiv wird, zahlt schnell für Monate – oft ohne das Abo überhaupt regelmäßig zu nutzen. Gerade bei gemeinsam genutzten Firmenkonten oder Dienstgeräten fällt das oft erst spät auf – dann aber mit Rückforderungen, die Zeit und Nerven kosten.

3. Streaming-Dienste mit Kündigungsparcours

Auch bekannt Streaming-Dienste glänzen nicht durch Transparenz, wenn es ums Abmelden geht. Ein Unternehmen hatte für Mitarbeiter/-innen ein Abonnement abgeschlossen. Die Kündigung gestaltete sich auf Mobilgeräten fast unmöglich, weil sie nur über den Webbrowser zugänglich war – der wiederum Zugangsdaten verlangte, die beim Admin lagen. Ergebnis: Wochenlange Verzögerung, mehrfach abgebuchte Gebühren und genervte Nutzer.

4. Internationale Presseprodukte mit lokalen Problemen

Selbst manche angesehene Medienhäuser nutzen asymmetrische Kündigungsprozesse. Ein digitales Abonnement eines US-Wirtschaftsportals ließ sich zwar mit einem Klick abschließen, konnte aber nur telefonisch während US-Geschäftszeiten beendet werden – ein Problem für Kunden in Asien oder Europa. Das gezielte Erzeugen von Kündigungsbarrieren scheint Teil einer systematischen Strategie zu sein.

Was erlaubt ist – und was nicht: Der regulatorische Rahmen

Rechtlich betrachtet sind solche Praktiken häufig grenzwertig, aber nicht immer illegal. Der „Kündigungsbutton“, eingeführt durch eine Gesetzesnovelle, soll dem entgegenwirken. Doch laut Verbraucherzentrale fehlt dieser Button auf jeder fünften getesteten Website. Besonders auffällig: Große Plattformen wie Amazon, Booking oder Google erschweren die Beendigung eines Dienstes deutlich stärker als dessen Aktivierung. Das Prinzip dahinter: Klickmüdigkeit. Je mehr Schritte, desto weniger Kündigungen.

Dabei gibt es bereits Gerichtsurteile, etwa vom Landgericht München I (Oktober 2023), die Verbraucherrechte bei digitalen Kündigungen stärken. Doch die Durchsetzung ist zäh – und für kleine Unternehmen oder Soloselbstständige oft mit unverhältnismäßigem Aufwand verbunden.

Was Unternehmen daraus lernen sollten

Für Arbeitgeber und Selbstständige gilt: Wer digitale Services bezieht, sollte den Kündigungsprozess bereits bei Vertragsabschluss prüfen – und dies dokumentieren. Denn was für Privatpersonen lästig ist, kann für Unternehmen Kostenfalle und Reputationsrisiko zugleich werden. Folgende Maßnahmen sind sinnvoll:

  • Digitale Dienstleister regelmäßig auditieren: Welche Abos laufen noch? Welche Leistungen werden tatsächlich genutzt?

  • Zentrale Verwaltung von Zugangsdaten und Serviceverträgen: Passwörter, Kundennummern und Vertragsdetails gehören in ein revisionssicheres System.

  • Verträge mit klarer Exit-Strategie wählen: Dienste, die nur telefonisch kündbar sind oder auf zweifelhafte Weise verlängert werden, sollten vermieden werden.

  • Erbenregelung prüfen: Auch nach dem Tod laufen viele digitale Verträge weiter – ein oft übersehener Punkt bei der Nachlassplanung.

Fazit: Friktion als Geschäftsmodell – und was sich ändern muss

Was alle Fälle eint, ist ein zentrales Muster: Der Zugang ist einfach, der Ausstieg kompliziert. Aus wirtschaftlicher Sicht ergibt das kurzfristig Sinn – doch es ist eine Strategie, die auf Dauer Vertrauen untergräbt. Unternehmen, die mit digitalen Tools arbeiten, sollten sich der Risiken bewusst sein – nicht nur als Anbieter, sondern auch als Kunde. Kündigungsfriktionen sind kein Kollateralschaden, sondern Teil eines kalkulierten Systems, das auf Trägheit und Überforderung setzt.

Wer auf digitale Prozesse setzt, sollte sich nicht nur von Benutzerfreundlichkeit bei der Anmeldung blenden lassen – sondern genau dort hinschauen, wo die Trennung geregelt ist. Denn nichts ist teurer als ein Dienst, den keiner mehr braucht – aber niemand mehr loswird.

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