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Ratgeber > Werkswohnungen - ein Erfolgsmodell?

Comeback der Firmenwohnungen: Wohnraum als Geheimwaffe gegen den Fachkräftemangel

Zurück aus dem 19. Jahrhundert: Mitarbeiterwohnungen boomen wieder! Günstiger Wohnraum als Antwort auf Wohnknappheit und Fachkräftemangel.

Krankenpfleger in seiner Werkswohnung
Wassim Hadded, Krankenpfleger in der Charité, in seiner Werkswohnung. In den Werkswohnungen werden Fachkräfte, die in der Charité arbeiten und aus dem Ausland kommen, untergebracht. (Foto: picture alliance, Christophe Gateau)


So sinnvoll das Angebot von Mitarbeiterwohnungen ist – es ist aufwendig. Bäckerei-Geschäftsführer Deinert schafft es daher teilweise als Unternehmensaufgabe ab. „Den hohen bürokratischen Aufwand können wir auf Dauer nicht betreiben“, sagt er. Bis Jahresende gehen die Verträge von der Neuköllner Lieferbäckerei direkt auf die Eigentümer der Immobilien über, also den ehemaligen Geschäftsführer von Märkisches Landbrot und dessen Miteigentümer.

Die Mitarbeiter und ehemaligen Mitarbeiter bekommen damit einen eigenen Hauptmietvertrag. „Wir werden im Gegenzug dann ein oder zwei größere Wohnungen aus den Objekten anmieten, um Lehrlingen oder neuen Mitarbeitern bei Bedarf einzelne Zimmer vermieten zu können“, sagt Deinert. „Wir wollen Mitarbeitern helfen, die neu bei uns anfangen – aber das möglichst nur vorübergehend.“ Die Warteliste auch für den Rest des Hauses läuft weiter, aber die Wohnungen werden darüber künftig höchstens vermittelt, nicht mehr vermietet und verwaltet.

 

Bei der Biobäckerei Märkisches Landbrot im Berliner Bezirk Neukölln mahlen die Mühlen langsamer, aber früher – ab vier Uhr morgens für den folgenden Produktionstag. Mittags ist das vorwiegend aus Brandenburg stammende Getreide durch. Die Vorbereiter treten um elf Uhr ihren Dienst an. Ab 17 Uhr geht die Arbeit in der Backstube los. „Gegen drei Uhr sind die Bäckerinnen und Bäcker dann fertig“, sagt Geschäftsführer Christoph Deinert. Die Brote und Brötchen werden dann ausgeliefert. „Wir backen nachts, für uns ist es sehr wichtig, dass unsere Mitarbeiter in der Nähe wohnen“, sagt Deinert. Nicht ganz leicht, denn: „Berlin ist ja riesengroß.“ Und der Wohnungsmarkt sehr angespannt.

Neue Mitarbeiter haben oft Schwierigkeiten, eine Wohnung in der Nähe zu finden. Daher kaufte Deinerts Vorgänger Joachim Weckmann 2008 privat mit zwei Partnern ein Mietshaus mit 33 Wohneinheiten, später noch ein weiteres Objekt allein. „Die Häuser sind beide nur knapp 15 Minuten mit dem Fahrrad von uns entfernt“, berichtet Deinert. Immer wenn eine Wohnung in den bereits vermieteten Gebäuden frei wurde, rückte ein Mitarbeiter von der Warteliste nach. An den Arbeitsvertrag war und ist die Mitarbeiterwohnung nicht gekoppelt. „Uns war es wichtig, mit der katastrophalen Wohnsituation keinen Druck auf Mitarbeiter auszuüben“, sagt Deinert. „Die Menschen sollten sich aus freien Stücken entscheiden, bei Märkisches Landbrot zu arbeiten.“ Neun der 60 Mitarbeiter und sechs ehemalige wohnen derzeit in solchen Wohnungen. Ihnen Mitarbeiterwohnungen anbieten zu können, ist für beide Seiten wertvoll, davon ist Deinert überzeugt.

Neuer Trend im Mittelstand

Fachkräftemangel ist ein Trend. Der andere heißt Mangel an bezahlbarem Wohnraum. Vielerorts befeuert dieser Mangel den Fachkräftemangel zusätzlich. Das betrifft nicht nur Städte wie Berlin, Frankfurt, Hamburg, Köln, München und Stuttgart, sondern auch manch kleinere Gemeinde, in der ein weithin wenig bekannter Weltmarktführer sitzt oder auch nur eine ordentliche Ansammlung kleinerer und mittelgroßer Arbeitgeber. Seit ein paar Jahren geht der Trend daher auch im Mittelstand zur Mitarbeiterwohnung.

Gegen den Fachkräftemangel werden seit Jahren verschiedene Rezepte gehandelt, vom Aufbau einer Arbeitgebermarke über Siegel und Wettbewerbe, Informationsveranstaltungen an Tagen der offenen Tür oder Besuchen in Schulen und Kindergärten sowie Azubi-Speeddatings. An Mitarbeiterwohnungen als Lösung dachten lange Zeit wenige. Dabei fehlten mehreren Studien zufolge 2023 in Deutschland mehr als 700.000 Wohnungen – Tendenz steigend. Und zu einem Jobwechsel wird nur bereit sein, wer sich verbessert und sein womöglich sogar üppiges Gehaltsplus nicht durch höhere Mieten verschwinden sieht.

 

Die Wirtschaft setzt auf die Wohnungskrise und setzt auf mehr Unternehmensattraktivität durch Wohnungsbau.

Arnt von Bodelschwingh, Regiokontext

Mehr Unternehmensattraktivität durch Wohnungsbau

Die Kohle- und Stahlkonzerne im Ruhrgebiet schufen mit der aufkommenden Industrialisierung mit ihren Werkswohnungen in großem Stil Wohnraum in den Städten. Hunderttausende Wohneinheiten umfasste der Immobilienbestand, den die Zechen- und Hochofenbetreiber in den 1980er-Jahren wegen der Krise beider Branchen bei damals entspanntem Wohnungsmarkt verkauften – Grundstock für viele oft börsennotierte Wohnungsunternehmen. Die Werkswohnung als Angebot verschwand damals aus dem Bewusstsein.

Mit Blick auf die sich verschärfende Wohnungsnot und den Fachkräftemangel kommen Unternehmer heute wieder vermehrt auf diese naheliegende Lösung. „Die Wirtschaft reagiert auf die Wohnungskrise und setzt auf mehr Unternehmensattraktivität durch Wohnungsbau“, stellte Arnt von Bodelschwingh, Leiter des Berliner Forschungsinstituts Regiokontext, bereits 2016 in einer Studie seines Instituts über das „Comeback der alten Werkswohnung“ fest.

 

Häuser als Altersvorsorge

Der damals bestenfalls zarte Trend ist mittlerweile nicht mehr zu übersehen, auch wenn heute moderner von Mitarbeiterwohnungen die Rede ist. Nicht nur Konzerne wie Volkswagen, Bosch oder BASF bieten ihren Beschäftigten seit ein paar Jahren wieder vermehrt Wohnraum an, auch zahlreiche Mittelständler. Vor Jahren half etwa Fleischermeister Jürgen David, Inhaber der Metzgerei David in Worms, seinem damaligen Azubi ohne Wohnung und mit auslaufender Aufenthaltsgenehmigung, indem er eine Wohnung für ihn anmietete. „Einen guten Mitarbeiter so gewinnen oder halten zu können oder ihm so helfen zu können, lohnt sich aus betrieblicher Sicht auf jeden Fall“, ist David auch Jahre später überzeugt.

Auch mit Blick auf die eigene unternehmerische Altersvorsorge lohnt sich der Erwerb einer oder mehrerer Wohnimmobilien. Unternehmer können den Kauf eines Grundstücks sowie Kauf oder Bau einer Immobilie als Kapitalanlage steuerlich geltend machen. Und wie jeder Vermieter können sie die Grundsteuer in voller Höhe absetzen. Auch anfallende Kosten wie beispielsweise den Kauf von Möbeln, Renovierung und Reparatur können Unternehmer steuerlich ansetzen, ebenso Bürokosten sowie Beratungshonorare von Anwalt und Steuerberater.

 

Mietnachlass durch Arbeitgeber

Vermieter Chef muss auch nicht wie früher penibel und zeitnah die vielerorts rasant steigenden Vergleichsmieten beobachten und Verträge anpassen, um zu verhindern, dass auf den gemessen an den Vergleichsmieten entstehenden geldwerten Vorteil Lohnsteuer und Sozialabgaben fällig werden. Seit 2020 hat der Bund den Mietnachlass durch Arbeitgeber von dieser Last befreit – sofern der Arbeitgeber mindestens zwei Drittel der ortsüblichen Miete für die Wohnung verlangt und der Quadratmeterpreis nicht über 25 Euro liegt.

Auch mit großzügigeren Abschreibungsmöglichkeiten fördert der Bund Arbeitgeber heute, wenn sie Wohnraum anbieten. Für neue, besonders energieeffiziente Werkswohnungen dürfen Unternehmer 20 Prozent der Baukosten über vier Jahre hinweg abschreiben – zusätzlich zu den regulären drei Prozent jährlich. Weitere fünf Prozent kommen für bis zu vier Jahre hinzu – bis maximal 4000 Euro je Quadratmeter –, seitdem das Wachstumschancengesetz die von 2019 bis 2021 geltende Sonder-AfA für Mietwohnungsneubauten nach Paragraf 7b Einkommensteuergesetz wiederbelebt hat. Auch diese Vorschrift gilt für Neubauten des Privat- und Betriebsvermögens.

Unternehmer können die Sonderabschreibung für Bauvorhaben geltend machen, für die ein Bauantrag oder eine Bauanzeige ab dem 1. Januar 2023 und bis zum 30. September 2029 gestellt wurde oder wird und die sie im Jahr der Fertigstellung und den folgenden neun Jahren zu Wohnzwecken vermieten – zusätzlich zur linearen oder degressiven Abschreibung ab dem Jahr der Anschaffung oder Herstellung.

So lassen sich in den ersten vier Jahren bis zu knapp 40 Prozent der Kosten für Mitarbeiterwohnungen steuerlich geltend machen. „Es werden nicht nur Neubauten gefördert, sondern auch die Umgestaltung von gewerblich genutzten Flächen in Wohnraum“, betont Jürgen Lindauer, Steuerberater bei der Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft KPMG.

 

40 Prozent der Kosten für Mitarbeiterwohnungen können in den ersten vier Jahren steuerlich geltend gemacht werden.

Rechtliches

Aufpassen müssen Unternehmer bei der Vertragsgestaltung. Sie können die Vermietung über eine Dienstwohnung eng an das Arbeitsverhältnis knüpfen, beispielsweise damit Mitarbeiter ihre Arbeitsleistung etwa als Pförtner oder Hausmeister besser erbringen können – und nach Ende des Beschäftigungsverhältnisses wieder ausziehen. Für solche Werkdienstwohnungen gemäß Paragraf 576b Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) schließen Arbeitgeber und Arbeitnehmer nur einen einzigen Vertrag. Die Überlassung der Wohnung ist Teil des Arbeitsentgelts. Für diese Vertragsgestaltung gelten überwiegend arbeitsrechtliche Vorschriften. Auch eventuelle Rechtsstreitigkeiten werden vor den Arbeitsgerichten ausgetragen.

Üblicher ist heutzutage, den Arbeitsvertrag und den Mietvertrag getrennt voneinander zu schließen. Eine solche sogenannte Werkmietwohnung wird nach Paragraf 576 BGB „mit Rücksicht auf das Bestehen eines Dienstverhältnisses vermietet“.

Arbeits- und Mietvertrag sind unabhängig voneinander kündbar. Partei des Mietvertrages muss der Arbeitnehmer als Dienstverpflichteter sein. Als Vermieter muss demgegenüber aber nicht der Arbeitgeber auftreten, sondern das kann auch ein Dritter wie etwa eine Wohnungsgesellschaft sein.

Günstig hierbei: Für die Kündigung einer Werkmietwohnung im laufenden Arbeitsverhältnis gelten mietrechtliche Vorschriften des BGB. Der Vermieter kann nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses gemäß Paragraf 576 Abs. 1 BGB abweichend von Paragraf 573c Abs. 1 S. 2 BGB mit verkürzten Fristen kündigen. Hat ein Mitarbeiter weniger als zehn Jahre in der Wohnung gelebt, lässt sich der Mietvertrag nach Paragraf 576 BGB mit einer Frist von drei Monaten auflösen, danach greift das reguläre Mietrecht. Ist die Vermietung vertraglich an das Arbeitsverhältnis gebunden – das geht auch bei einer Werkmietwohnung –, beträgt die Frist einen Monat.

Ausschließlich zuständig für Rechtsstreitigkeiten im Zusammenhang mit Werkmietwohnungen sind die Amtsgerichte, hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) 1999 mit Verweis auf Paragraf 23 Nr. 2a GVG entschieden (Az.: 5 AZB 18/99). Über die Zuweisung wie auch die Kündigung einer solchen Werkmietwohnung ist ein Betriebsrat nach Paragraf 87 Abs. 1 Nr. 9 Betriebsverfassungsgesetz zustimmungspflichtig. Wichtig ist, dass beide Vertragsurkunden auf den jeweils anderen Vertrag Bezug nehmen, um die nach Paragraf 576 BGB erforderliche Verbindung beider Verträge zu verdeutlichen.

 

Vorsicht im Gewerbegebiet

Allerdings ist bei einer Mitarbeiterwohnung grundsätzlich nicht maßgeblich, wie die Verträge heißen, sondern wie sie gestaltet sind. Um hier keine Fehler zu machen, sollten Unternehmer ihren Anwalt Vertrag und am besten auch die abschließende Kündigung ausarbeiten lassen.

Etwas Obacht ist auch im Umgang mit Stadt oder Gemeinde angebracht, wenn Unternehmer Mitarbeiterwohnungen gern gleich vor Ort in einem Gewerbegebiet errichten wollen. Hierfür brauchen sie eine Ausnahmegenehmigung. Diese ist je nach Wohnungssituation womöglich leicht zu bekommen. Um Planverfahren von Mitarbeiterwohnungen zu beschleunigen, können Bebauungspläne für die Wiedernutzbarmachung von Flächen, die Nachverdichtung oder andere Maßnahmen der Innenentwicklung nach Paragraf 13a Baugesetzbuch „im beschleunigten Verfahren zur Anwendung aufgestellt werden“. Dies trifft Bauvorhaben mit Grundflächen von weniger als 20.000 Quadratmetern. Unternehmer sollten dabei in jedem Fall die schriftliche Genehmigung abwarten und sich nicht auf mündliche Zusagen verlassen. Ein klarer und stetiger Austausch mit der zuständigen Planungsbehörde ist allerdings hilfreich.

Von Unternehmen zur Verfügung gestellter Wohnraum kann dann sogar über den eigenen Betrieb hinaus einen Beitrag gegen die regionale Wohnungsnot leisten, wie das Beispiel von Schell Grüntechnik bei Aachen zeigt. 2018 und 2020 hat der Hersteller von Rasenmähern und anderen Landmaschinen erst neun, dann 21 Wohnungen auf seinem Gelände errichten lassen. Weitere 50 Wohnungen in einem dahinterliegenden Gebäude sind baurechtlich bewilligt. Das Unternehmen ist Bauherr und als Eigentümer Vermieter, auch für Mitarbeiter anderer Unternehmen. Zusätzlich hat der weniger als 40 Mitarbeiter zählende Betrieb in einem weiteren Gebäude einen Verkaufs- und Verwaltungsbereich untergebracht sowie zusätzlich zwölf sozial geförderte Wohnungen.

So sinnvoll das Angebot von Mitarbeiterwohnungen ist – es ist aufwendig. Bäckerei-Geschäftsführer Deinert schafft es daher teilweise als Unternehmensaufgabe ab. „Den hohen bürokratischen Aufwand können wir auf Dauer nicht betreiben“, sagt er. Bis Jahresende gehen die Verträge von der Neuköllner Lieferbäckerei direkt auf die Eigentümer der Immobilien über, also den ehemaligen Geschäftsführer von Märkisches Landbrot und dessen Miteigentümer.

Die Mitarbeiter und ehemaligen Mitarbeiter bekommen damit einen eigenen Hauptmietvertrag. „Wir werden im Gegenzug dann ein oder zwei größere Wohnungen aus den Objekten anmieten, um Lehrlingen oder neuen Mitarbeitern bei Bedarf einzelne Zimmer vermieten zu können“, sagt Deinert. „Wir wollen Mitarbeitern helfen, die neu bei uns anfangen – aber das möglichst nur vorübergehend.“ Die Warteliste auch für den Rest des Hauses läuft weiter, aber die Wohnungen werden darüber künftig höchstens vermittelt, nicht mehr vermietet und verwaltet.

 

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