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Studien & Forschung > Standortbewertung Mittelstand

Mittelstand bewertet Standort Deutschland: Infrastruktur und Behörden im Fokus

Eine aktuelle Umfrage unter mehr als 1.000 mittelständischen Unternehmen offenbart Schwachstellen des Wirtschaftsstandorts Deutschland.

Mittelständische Unternehmen bewerten die deutsche Infrastruktur und Behördeneffizienz kritisch. (Foto: Shutterstock)

Der deutsche Mittelstand sieht den Standort Deutschland zunehmend kritisch. Eine aktuelle Umfrage der DZ BANK unter mehr als 1.000 mittelständischen Unternehmen zeigt: Die Durchschnittsnote für Deutschland als Unternehmensstandort liegt nur zwischen "befriedigend" und "ausreichend". Besonders die Infrastruktur und die Effizienz der Behörden stehen in der Kritik.

Infrastruktur: Straßen mangelhaft, Bahn ungenügend

Die Verkehrsinfrastruktur, einst eine Stärke des Standorts Deutschland, wird von den befragten Unternehmen nur noch als "ausreichend" bewertet. Die Straßeninfrastruktur erhält von den Mittelständlern im Durchschnitt die Schulnote 3,5. Noch schlechter schneidet die Bahn-Infrastruktur ab, die mit der Note 4,3 bewertet wird.

Besonders unzufrieden zeigen sich die großen Mittelständler mit einem Jahresumsatz von über 50 Millionen Euro. "Mit steigender Unternehmensgröße wird die Verkehrsinfrastruktur stärker regional oder national genutzt, während die kleinen Mittelständler auch vermehrt lokal unterwegs sein dürften", erklärt Dr. Claus Niegsch, Economist bei der DZ BANK.

Auch die Internet-Infrastruktur wird kritisch gesehen. Sie erhält die gleiche Durchschnittsnote wie die Straßeninfrastruktur (3,5). Besonders betroffen sind hier die Agrarbetriebe, die nur eine ausreichende Bewertung vergeben. "Eine flächendeckende Internetversorgung in den Ställen und auf den Feldern ist eine Voraussetzung für eine zunehmend digitalisierte Landwirtschaft 4.0", betont Niegsch.

Behörden: Effizienz und Digitalisierung mangelhaft

Noch schlechter als die Infrastruktur bewerten die Mittelständler die Leistung der deutschen Behörden. Die Behörden-Effizienz erhält gerade noch eine ausreichende Bewertung (4,4), während die Digitalisierung der Behörden mit der Note 4,5 noch schlechter abschneidet.

Besonders kritisch sehen die mittelständischen Agrarbetriebe die Behörden-Effizienz. Sie vergeben hier nur die Note "mangelhaft". Vom Digitalisierungsstand der Behörden sind vor allem die Chemieunternehmen sowie die Mittelständler im Ernährungsgewerbe enttäuscht.

Stefan Beismann, Leiter des Firmenkundenzentralbereichs der DZ BANK, sieht hier dringenden Handlungsbedarf: "Online-Behördengänge sowie das digitale Einreichen, Bearbeiten sowie Bewilligen aller Anträge wären eine große Hilfe, der Bürokratisierung Herr zu werden. Die spürbare Verringerung der Bearbeitungszeiten wäre eine immense Erleichterung für Unternehmen und Behörden gleichermaßen."

Planungssicherheit: Unsicherheit belastet Investitionsbereitschaft

Die Planungssicherheit für Investitionen bewerten die deutschen Mittelständler im Durchschnitt als "noch befriedigend" (3,3). Allerdings gibt es hier deutliche Unterschiede zwischen den Branchen. Während die Elektroindustrie und der Handel ihre Planungssicherheit mit einer "glatten 3" bewerten, schätzen die Agrarunternehmen ihre Planungssicherheit nur als "ausreichend" ein.

"Neben den schon bestehenden nationalen und europäischen Regelungen für die Landwirtschaft sieht der Agrarsektor eine Vielzahl weiterer Anforderungen in den Bereichen Klima und Umwelt auf sich zukommen", erläutert Niegsch. Die Unzufriedenheit der Agrarbetriebe zeigte sich deutlich in den Bauernprotesten gegen die kurzfristige Streichung von Steuersubventionen zu Beginn dieses Jahres.

Standortverlagerungen: Ein reales Risiko?

Trotz der kritischen Bewertung des Standorts Deutschland lehnen mehr als drei Viertel (78 Prozent) der befragten Mittelständler eine Verlagerung aus Deutschland ab. Allerdings können sich 13 Prozent vorstellen, einzelne Abteilungen ins Ausland zu verlagern. Bei den großen Mittelständlern mit einem Jahresumsatz von mehr als 50 Millionen Euro sind es sogar 23 Prozent.

Besorgniserregend ist, dass acht Prozent der Befragten angaben, sich in den nächsten fünf Jahren eine Verlagerung ganzer Standorte vorstellen zu können. Fünf Prozent könnten sich sogar vorstellen, ihren Unternehmenshauptsitz ins Ausland zu verlegen.

"Noch ist der Standort Deutschland beim Mittelstand gesetzt, aber nicht bedingungslos", warnt Stefan Beismann. "Viele mittelständische Unternehmen wären flexibel genug, sich stärker in Richtung Ausland zu orientieren, wenn sich die Lage in Deutschland weiter verschärft."

Wettbewerbsfähigkeit des Standorts Deutschland

  • 1. Infrastrukturprobleme: Die deutsche Infrastruktur, einst ein Aushängeschild, wird zunehmend zum Problemfall. Straßen, Brücken und Bahnstrecken sind oft in schlechtem Zustand. Dies führt zu Verzögerungen und erhöhten Kosten für Unternehmen. Auch die digitale Infrastruktur hinkt hinterher, was besonders ländliche Regionen benachteiligt und die Entwicklung innovativer Geschäftsmodelle behindert.
  • 2. Bürokratie und ineffiziente Behörden: Komplexe Verwaltungsprozesse und lange Bearbeitungszeiten belasten den Mittelstand. Die mangelnde Digitalisierung der Behörden verschärft das Problem. Unternehmen verlieren wertvolle Zeit und Ressourcen durch aufwendige Behördengänge und Papierkram, was ihre Wettbewerbsfähigkeit im internationalen Vergleich schwächt.
  • 3. Energiekosten: Die hohen Energiepreise in Deutschland stellen für viele Unternehmen eine erhebliche Belastung dar. Besonders energieintensive Branchen leiden unter den im internationalen Vergleich hohen Kosten. Dies kann zu Wettbewerbsnachteilen führen und Investitionen in energieeffiziente Technologien erschweren.
  • 4. Fachkräftemangel: Der demografische Wandel und der Mangel an qualifizierten Arbeitskräften stellen viele Mittelständler vor große Herausforderungen. Offene Stellen bleiben unbesetzt, was Wachstum und Innovation bremst. Gleichzeitig steigen die Lohnkosten, was die Wettbewerbsfähigkeit weiter beeinträchtigt.
  • 5. Steuerliche Belastung: Die Steuer- und Abgabenlast in Deutschland wird von vielen Unternehmen als zu hoch empfunden. Dies reduziert die verfügbaren Mittel für Investitionen und Innovationen. Komplexe Steuerregelungen binden zudem Ressourcen, die produktiver eingesetzt werden könnten.
  • 6. Planungsunsicherheit: Häufige Änderungen in der Gesetzgebung und langwierige Genehmigungsverfahren erschweren die langfristige Planung für Unternehmen. Dies betrifft besonders Investitionsentscheidungen und kann dazu führen, dass Projekte verschoben oder ganz aufgegeben werden, was die Wettbewerbsfähigkeit langfristig schwächt.

 

Ausblick

Die Umfrageergebnisse zeigen deutlich: Der Mittelstand sieht den Standort Deutschland zunehmend kritisch. Infrastrukturprobleme, ineffiziente Behörden und mangelnde Planungssicherheit belasten die Wettbewerbsfähigkeit. Obwohl die meisten Unternehmen dem Standort treu bleiben, denkt eine nicht zu vernachlässigende Minderheit über Verlagerungen nach. Um die Attraktivität des Wirtschaftsstandorts Deutschland zu erhalten, sind gezielte Investitionen in Infrastruktur und Digitalisierung sowie Bürokratieabbau dringend erforderlich. Nur so kann der Mittelstand auch in Zukunft seine Rolle als Innovationstreiber und Jobmotor erfüllen.

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