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Studien & Forschung > Wirtschaftsprognosen Mittelstand 2025

Mittelstand im Zwiespalt: Optimismus trifft auf Zukunftsangst

Neue Studien offenbaren widersprüchliche Prognosen für die deutsche Wirtschaft 2025. Zwischen Wachstumshoffnung und Rezessionssorgen.

Mittelständische Unternehmen zwischen Wachstumshoffnung und Zukunftssorgen: Die Prognosen für 2025 gehen weit auseinander. (Foto: Shutterstock)

Der deutsche Mittelstand steht vor einem Rätsel: Während eine Studie der Commerzbank von Optimismus und Wachstumsplänen kündet, zeichnet eine Umfrage des Bundesverbandes der mittelständischen Wirtschaft (BVMW) ein düsteres Bild für 2025. Diese konträren Prognosen werfen Fragen auf: Woher rührt diese Diskrepanz und was bedeutet sie für die Zukunft der deutschen Wirtschaft?

Wirtschaftliche Prognosen: Ein Spiel mit zwei Gesichtern

Die 11. Unternehmerkundenstudie der Commerzbank ergibt ein positives Bild: Drei Viertel der befragten Unternehmen erwarten in den kommenden sechs bis zwölf Monaten eine stabile oder bessere Auftragslage. Auch für die eigene Branche rechnen die Unternehmen in den nächsten fünf Jahren mit einer entsprechend stabilen oder positiven Entwicklung. Diese Zuversicht spiegelt sich auch in den Investitionsplänen wider: Jedes zweite Unternehmen hat in den vergangenen vier Jahren seine Investitionen wie geplant umgesetzt.

Im krassen Gegensatz dazu steht die Umfrage des BVMW: Acht von zehn mittelständischen Unternehmen (80 Prozent) rechnen 2025 mit einem beschleunigten Schrumpfen der deutschen Wirtschaft. Gut 58 Prozent der befragten Mittelständler gehen von einem wirtschaftlichen Abschwung aus, jeder fünfte stellt sich sogar auf eine wirtschaftliche Depression ein. Diese pessimistische Sicht wird durch konkrete Zahlen untermauert: 40 Prozent der mittelständischen Unternehmerinnen und Unternehmer haben im zu Ende gehenden Jahr Umsatzeinbußen verbucht. „Nicht nur unsere Wirtschaft, sondern auch das Vertrau­en auf Besse­rung sind durch das politi­sche Hin und Her der letzten Jahre erschüt­tert worden“, sagt Chris­toph Ahlhaus, Bundes­ge­schäfts­füh­rer des Verban­des. „Wer in Deutsch­land politi­sche Verant­wor­tung tragen will, muss schlüs­sig erklä­ren, wie unsere Wirtschaft wieder nach vorne kommen kann.“ 

Investitionen und Zukunftspläne: Zwischen Vorsicht und Fortschritt

Trotz der unterschiedlichen Gesamteinschätzungen zeigen beide Studien, dass der Mittelstand weiterhin in die Zukunft investiert. Laut Commerzbank-Studie planen die Unternehmen in den kommenden drei Jahren Investitionen in Prozessoptimierung und Digitalisierung (48 Prozent), Personal und Arbeitgeberattraktivität (44 Prozent) sowie Anlagen und Technik (43 Prozent). Diese Investitionen werden vorwiegend aus dem Cashflow und betrieblichen Rücklagen finanziert, was für eine solide Finanzbasis spricht.

Allerdings zeigt die BVMW-Umfrage auch eine gewisse Zurückhaltung: 40 Prozent der Befragten gaben an, im neuen Jahr weniger investieren zu wollen als im Vorjahr. Diese Vorsicht könnte ein Indikator für die unsichere wirtschaftliche Lage sein, die viele Unternehmen wahrnehmen.

Herausforderungen und Chancen: Fachkräftemangel und KI im Fokus

Einig sind sich die Studien in einem zentralen Punkt: Der Fachkräftemangel bleibt eine der größten Herausforderungen für den Mittelstand. Laut BVMW befürchten 62 Prozent der Mittelständler, dass sie im kommenden Jahr freie Ausbildungsplätze nicht besetzen können. Die Commerzbank-Studie bestätigt dies indirekt: Die Fachkräftegewinnung wird als größte Chance zur Verwirklichung der Unternehmensziele gesehen.

Ein weiterer Fokus liegt auf dem Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI). Die Commerzbank-Studie zeigt, dass bereits jedes vierte Unternehmen KI einsetzt, vor allem beim Erstellen von Texten (57 Prozent) und für administrative Tätigkeiten (48 Prozent). Zwei von fünf Unternehmen planen, sich künftig mit dem Thema zu beschäftigen. Dabei sind sich die Unternehmen sowohl der Chancen als auch der Risiken bewusst: Während die Mehrheit glaubt, dass KI Prozesse optimieren und Kosten senken kann, sehen drei Viertel der Unternehmen auch potenzielle Gefahren, insbesondere im Bereich der Falschinformationen.

Unternehmerkunden-Studie der Commerzbank: Einblicke in die wirtschaftlichen Erwartungen deutscher Unternehmen

Die Unternehmerkunden-Studie 2024 wurde von der Commerzbank in Zusammenarbeit mit Ipsos durchgeführt, um die wirtschaftlichen Herausforderungen, Erwartungen und Strategien von Unternehmen in Deutschland zu beleuchten. Ziel der Studie ist es, Erkenntnisse über die wirtschaftliche Entwicklung, Investitionstätigkeiten und den Umgang mit Zukunftstechnologien wie Künstlicher Intelligenz zu gewinnen. Die Untersuchung basiert auf einer repräsentativen Stichprobe, die Unternehmen verschiedener Branchen und Größenklassen einbezieht. Für die Studie wurden Selbstständige sowie kleine und mittlere Unternehmen (KMU) mit einem Jahresumsatz bis zu 15 Millionen Euro befragt.

Ergebnisse der Studie im Überblick:

  • Wirtschaftliche Entwicklung: Die Mehrheit der Unternehmen bewertet die eigene Lage als stabil. Dennoch sieht fast die Hälfte eine wirtschaftliche Stagnation in Deutschland.
  • Investitionstätigkeiten: Zwei von fünf Unternehmen haben ihre geplanten Investitionen in den letzten vier Jahren vollständig umgesetzt. Für die nächsten drei Jahre stehen Digitalisierung und Prozessoptimierung im Fokus.
  • Rolle der Künstlichen Intelligenz: 25 % der Unternehmen nutzen bereits KI, hauptsächlich zur Inhaltserstellung und für administrative Tätigkeiten, während 39 % deren Relevanz weiterhin skeptisch betrachten.
  • Ziele und Visionen: Jedes zweite Unternehmen plant, neue Mitarbeiter einzustellen, die Produktpalette zu erweitern und neue Märkte zu erschließen. Bürokratieabbau bleibt ein zentraler Hebel für Wachstum.

Politische Forderungen und Wachstumsziele: Klare Signale an die Regierung

Trotz der unterschiedlichen Zukunftseinschätzungen sind sich die Unternehmen in ihren Forderungen an die Politik einig. Die Commerzbank-Studie zeigt, dass sich die Unternehmen für eine positive wirtschaftliche Entwicklung weniger Regulierung und Bürokratie sowie steuerliche Entlastungen wünschen.

Der BVMW geht noch einen Schritt weiter und fordert eine umfassende Reformpolitik in allen Zweigen der Sozialversicherung, im Bereich des Bürokratieabbaus, der Energiekosten sowie der Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik.

Interessanterweise zeigt die Commerzbank-Studie trotz aller Herausforderungen, dass die Hälfte der Unternehmen wachsen möchte – sei es durch Umsatzsteigerung, Erweiterung der Angebotspalette oder Erschließung neuer Märkte. Dies steht im Kontrast zur eher pessimistischen Sicht des BVMW, unterstreicht aber die Resilienz und den Optimismus vieler mittelständischer Unternehmen.

Ausblick

Die stark divergierenden Prognosen für den deutschen Mittelstand 2025 offenbaren mehr als nur unterschiedliche Sichtweisen – sie zeigen die komplexe Realität, in der sich Unternehmen heute bewegen. Während die Commerzbank-Studie den Optimismus und die Investitionsbereitschaft vieler Unternehmen hervorhebt, mahnt die BVMW-Umfrage zur Vorsicht und unterstreicht die Notwendigkeit politischer Reformen.

Diese Diskrepanz verdeutlicht, wie wichtig eine differenzierte Betrachtung der wirtschaftlichen Lage ist und wie unterschiedlich die Perspektiven je nach Branche, Unternehmensgröße und individueller Situation sein können.

Für politische Entscheidungsträger und Wirtschaftsakteure gleichermaßen gilt es, beide Seiten der Medaille zu betrachten, um den Mittelstand – das oft zitierte Rückgrat der deutschen Wirtschaft – bestmöglich für die Herausforderungen der Zukunft zu wappnen.

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