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Geld & Vorsorge > Insolvenzwelle Deutschland

Insolvenztsunami: Deutsche Wirtschaft kämpft gegen die Pleitewelle

Die Zahl der Unternehmensinsolvenzen in Deutschland erreichte 2024 ein Neun-Jahres-Hoch. Sie steigt auch 2025 weiter rasant.

Das Emblem der Insolvenz: Ein Symbol für die wachsende Welle von Unternehmenszusammenbrüchen in Deutschland. (Foto: Shutterstock)

7.1.2025 - Die deutsche Wirtschaft steht vor einer besorgniserregenden Entwicklung: 2024 stieg die Zahl der Insolvenzen um ganze 30 Prozent. Jetzt kamen seriöse Erwartungen für das neue Jahr hinaus: Restrukturierungsberater erwarten 25 bis 30 Prozent mehr Insolvenzen in 2025, das wäre in etwa das Niveau des Finanzkrisen-Jahres 2009. Betroffen sind vor allem Deutschlands Schlüsselindustrien: Autozulieferer, Maschinenbauer, die Bauwirtschaft, aber auch das Gesundheitswesen. 

Die hohe Zahl an Pleiten sind bei weitem nicht mehr nur Nachholeffekte aus der Coronazeit. Die Geschäftsmodelle funktionieren nicht mehr, sagen Insolvenzverwalter. Deutschland befinde sich in einer systemischen Krise, die nicht so schnell vorübergehen werde.  Gläubiger blieben 2024 durch Firmenpleiten auf Forderungen von 56 Milliarden Euro sitzen, so die Schätzungen von Creditreform.  Steht Deutschland am Rande einer neuen Wirtschaftskrise?

18.12.2024: Die Sturmwolken, die sich über der deutschen Wirtschaft zusammenbrauen, haben ihre Wurzeln in den multiplen Krisen der vergangenen Jahre. Der wirtschaftspolitische Stillstand und die rückläufige Innovationskraft haben den Wirtschaftsstandort Deutschland nachhaltig geschwächt. Patrik-Ludwig Hantzsch, Leiter der Creditreform Wirtschaftsforschung, warnt: "Mit einiger Verzögerung schlagen die Krisen der vergangenen Jahre nun als Insolvenzen bei den Unternehmen durch."

Besonders besorgniserregend ist die Entwicklung im Dienstleistungssektor, der mit einem Zuwachs von 27,1 Prozent am stärksten betroffen ist.

Doch auch das Verarbeitende Gewerbe kämpft mit den Folgen der Krise. Seit dem Tiefpunkt 2021 sind die Fallzahlen in diesem Sektor um mehr als 80 Prozent gestiegen – ein deutliches Zeichen für die Schwierigkeiten, mit denen traditionelle Industriezweige zu kämpfen haben.

Die Dramatik der Situation wird durch die Zunahme der Großinsolvenzen unterstrichen. Unternehmen mit mehr als 250 Beschäftigten verzeichneten einen Anstieg der Insolvenzen um 44,4 Prozent. Dies führte zu einem geschätzten Anstieg der Gläubigerschäden auf 56 Milliarden Euro – eine Summe, die die gesamte Wirtschaft belastet und Dominoeffekte in den Lieferketten auslösen könnte.

Die Anatomie der Insolvenzwelle: Ursachen und regionale Unterschiede

Die Gründe für diese Misere sind vielfältig: Eine schwächelnde Konjunktur, steigende Energiekosten und ein Mangel an Innovationskraft setzen den Unternehmen zu.

Dabei zeigen sich deutliche regionale Unterschiede: Bremen führt mit 113 Insolvenzen pro 10.000 Unternehmen die traurige Statistik an, dicht gefolgt von Berlin. Diese Zahlen verdeutlichen, dass die Krise kein isoliertes Problem ist, sondern die gesamte Wirtschaftsstruktur Deutschlands betrifft.

Der Mittelstand im Auge des Sturms

Für den deutschen Mittelstand, das oft beschworene Rückgrat der Wirtschaft, sind diese Entwicklungen besonders bedrohlich. Viele mittelständische Unternehmen kämpfen mit einer Kombination aus steigenden Kosten, Fachkräftemangel und zunehmender globaler Konkurrenz. Die Insolvenzwelle könnte gerade für diese Unternehmen existenzbedrohend sein, da sie oft nicht über die finanziellen Reserven verfügen, um längere Krisenperioden zu überstehen.

Besonders betroffen: mittelständische Zulieferer für die Automobilindustrie. Die Unternehmen sehen sich mit steigenden Rohstoffpreisen, Lieferengpässen und der Transformation hin zur Elektromobilität konfrontiert. Die Kombination dieser Faktoren belastet die Liquidität der Unternehmen stark und bringt viele Firmen an den Rand der Insolvenz.

Verbraucher im Zangengriff der Krise

Doch nicht nur Unternehmen sind von der Insolvenzwelle betroffen. Auch die Zahl der Verbraucherinsolvenzen ist im Jahr 2024 deutlich gestiegen. Insgesamt wurden 72.100 neue Verfahren registriert – ein Plus von 8,5 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Creditreform Geschäftsführer Bernd Bütow erklärt: "Die sich bereits 2023 abzeichnende Trendwende hat sich 2024 verstärkt."

Die Hauptursachen für diesen Anstieg sind die stark gestiegenen Lebenshaltungskosten und höhere Kreditzinsen, die die Verbraucher erheblich belasten. Zusätzlich verschärft sich die Lage durch den zunehmenden Abbau von gut bezahlten Arbeitsplätzen. Diese Entwicklung zeigt, dass die wirtschaftlichen Herausforderungen weit über die Unternehmenswelt hinausreichen und direkte Auswirkungen auf die finanzielle Situation vieler Haushalte haben.

Insolvenzen in Deutschland 2024

  • Unternehmensinsolvenzen: 22.400 Fälle (+24,3% zum Vorjahr)
  • Verbraucherinsolvenzen: 72.100 Fälle (+8,5% zum Vorjahr)
  • Gesamtzahl der Insolvenzverfahren: 121.300 (+10,6% zum Vorjahr)
  • Höchster Stand der Unternehmensinsolvenzen seit 2015
  • Dienstleistungssektor am stärksten betroffen: +27,1%
  • Verarbeitendes Gewerbe: +80% seit Tiefpunkt 2021
  • Großinsolvenzen (>250 Beschäftigte): +44,4%
  • Geschätzte Gläubigerschäden: 56 Mrd. Euro

 

Fazit

Die aktuelle Insolvenzwelle ist mehr als nur eine vorübergehende Krise – sie ist ein Weckruf für die deutsche Wirtschaft. Um den Turnaround zu schaffen, sind mutige Reformen und Innovationen gefragt. Unternehmen müssen sich neu erfinden, die Politik muss günstigere Rahmenbedingungen schaffen. Nur so kann Deutschland seine Position als Wirtschaftsmacht behaupten und gestärkt aus dieser Krise hervorgehen.

Der Artikel erschien zuerst am 18.12.2024 und wurde zuletzt am 7.1.2025 aktualisiert.

bwk

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