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Führung & HR > Arbeitsmarkt: Rekord und Risiken

Rekord-Erwerbstätigkeit: Trügerischer Glanz auf dem deutschen Arbeitsmarkt

Trotz Höchststand bei Erwerbstätigen zeigen sich Risse: Verlangsamtes Wachstum, sektorale Verschiebungen und steigende Erwerbslosigkeit.

Trotz Rekordzahlen: Der deutsche Arbeitsmarkt 2024 zeigt Risse im Fundament. (Foto: Shutterstock)

Der deutsche Arbeitsmarkt präsentiert sich wie eine Fata Morgana: Aus der Ferne glänzt er mit Rekordzahlen, doch bei näherer Betrachtung offenbaren sich Risse im Fundament. Mit rund 46,1 Millionen Erwerbstätigen verzeichnet Deutschland 2024 zwar einen historischen Höchststand seit der Wiedervereinigung, doch hinter dieser beeindruckenden Zahl verbergen sich beunruhigende Trends, die Unternehmen und Arbeitnehmer gleichermaßen betreffen.

Verlangsamtes Wachstum trotz Rekordbeschäftigung

Die Zahl der Erwerbstätigen in Deutschland erreichte 2024 mit 46,1 Millionen einen neuen Höchststand seit der Wiedervereinigung 1990. Doch der Schein trügt: Das Wachstum hat sich deutlich verlangsamt. Mit einem Anstieg von nur 72.000 Personen (+0,2%) gegenüber dem Vorjahr zeigt sich eine dramatische Abschwächung der Dynamik. Zum Vergleich:

  • 2022 betrug der Zuwachs noch 622.000 Personen (+1,4%)
  • 2023 waren es immerhin noch 336.000 (+0,7%).

Diese Entwicklung spiegelt sich auch im IAB-Arbeitsmarktbarometer wider, das im Dezember 2024 mit 99,2 Punkten den niedrigsten Stand außerhalb der Corona-Pandemie erreichte. Vier Rückgänge in Folge unterstreichen den Trend. Das European Labour Market Barometer fiel ebenfalls leicht auf 98,9 Punkte und liegt damit im pessimistischen Bereich.

Für Unternehmen bedeutet diese Verlangsamung eine zunehmende Herausforderung bei der Personalplanung. Die Zeiten des scheinbar unendlichen Wachstums sind vorbei, und Firmen müssen sich auf ein volatileres Umfeld einstellen.

Sektorale Verschiebungen - Dienstleistungen boomen, Industrie schrumpft

Ein genauerer Blick auf die Zahlen offenbart massive Verschiebungen zwischen den Wirtschaftssektoren. Der Dienstleistungsbereich verzeichnete als einziger Sektor Zuwächse und beschäftigte 2024 75,5% aller Erwerbstätigen. Besonders stark war der Anstieg im Bereich Öffentliche Dienstleister, Erziehung und Gesundheit mit +184.000 Personen (+1,5%).

Im Gegensatz dazu schrumpfte die Beschäftigung im Produzierenden Gewerbe um 50.000 (-0,6%) und im Baugewerbe um 28.000 (-1,1%). Damit endete im Bausektor ein seit 2009 anhaltender Aufwärtstrend. Auch die Landwirtschaft verzeichnete einen Rückgang um 3.000 Personen (-0,5%).

Diese Entwicklung wirft Fragen zur langfristigen Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft auf. Während der Dienstleistungssektor wächst, verliert die traditionell starke Industrie an Boden. Für Unternehmen bedeutet dies eine Neuausrichtung ihrer Strategien und möglicherweise eine Anpassung ihrer Geschäftsmodelle.

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Paradoxe Entwicklung - Mehr Erwerbstätige, aber auch mehr Erwerbslose

Ein besonders beunruhigender Trend ist der gleichzeitige Anstieg der Erwerbslosigkeit trotz Rekordbeschäftigung. Die Zahl der Erwerbslosen stieg 2024 um 179.000 Personen oder 13,4% auf 1,5 Millionen. Die Erwerbslosenquote erhöhte sich von 2,8% auf 3,2%.

Dieses Paradoxon lässt sich teilweise durch die gestiegene Erwerbsbeteiligung der inländischen Bevölkerung und die Zuwanderung ausländischer Arbeitskräfte erklären. Die Zahl der Erwerbspersonen insgesamt stieg um 260.000 (+0,6%) auf 47,4 Millionen.

Für Unternehmen ergibt sich daraus eine komplexe Situation: Einerseits steht ein größeres Arbeitskräftepotenzial zur Verfügung, andererseits deutet die steigende Erwerbslosigkeit auf Mismatches zwischen Angebot und Nachfrage auf dem Arbeitsmarkt hin.

Demografischer Wandel und Zuwanderung als treibende Kräfte

Die Beschäftigungszunahme 2024 wurde hauptsächlich durch zwei Faktoren getrieben: die Zuwanderung ausländischer Arbeitskräfte und eine gestiegene Erwerbsbeteiligung der inländischen Bevölkerung. Diese Entwicklungen überwogen die dämpfenden Effekte des demografischen Wandels, der zum verstärkten Ausscheiden der geburtenstarken Jahrgänge aus dem Erwerbsleben führt.

Interessanterweise ging die Zahl der Selbstständigen weiter zurück - ein Trend, der seit 2012 anhält. 2024 sank ihre Zahl um 74.000 Personen (-1,9%) auf 3,8 Millionen. Dies könnte auf strukturelle Veränderungen in der Arbeitswelt und möglicherweise auch auf regulatorische Herausforderungen für Selbstständige hindeuten.

Für Unternehmen bedeutet dies, dass sie sich verstärkt auf die Integration ausländischer Arbeitskräfte und die Förderung der Erwerbsbeteiligung älterer Mitarbeiter konzentrieren müssen, um dem Fachkräftemangel zu begegnen.

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