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Geheimwaffe gegen Arbeitsstress: Software enthüllt Stressfaktoren

Wenn der Job krank macht: Was Sie tun können, damit Ihre Angestellten nicht in die Psychofalle laufen. Eine digitale Befragung bietet gezielte Lösungen.

Erschöpfte OP-Schwetser sitzt am Boden
Erschöpftes Klinikpersonal am Limit - Laut Statistik leiden viele unter hoher Arbeitslast und emotionalem Stress. Maßnahmen zur psychischen Entlastung sind dringend erforderlich. (Foto: Shutterstock)

DearEmployee ist ein Berliner Unternehmen, das spezialisiert auf das Thema Mitarbeitergesundheit und Arbeitszufriedenheit ist. Die Firma bietet eine Plattform an, die Unternehmen dabei hilft, das Wohlbefinden ihrer Mitarbeiter zu analysieren und zu verbessern. Mit Hilfe von Umfragen und Datenanalysen unterstützt DearEmployee Arbeitgeber dabei, psychische Belastungen zu erkennen und geeignete Maßnahmen zur Verbesserung der Arbeitsumgebung zu ergreifen. Das Ziel ist es, die Produktivität und Zufriedenheit der Mitarbeiter zu steigern und gleichzeitig mentalen Gesundheitsproblemen vorzubeugen. David Harnasch im Gespräch mit Gründerin  Amelie Wiedemann

 

Was war Ihr Hintergrund, bevor Sie DearEmployee gegründet haben?

Ich bin promovierte Arbeits- und Gesundheitspsychologin.

Beginnt das Studium immer noch mit Monaten der Statistiksoftware SPSS?

Ja! Man muss Menschen und Daten lieben, genau das trifft bei mir zu. Nach dem Studium promovierte ich an der Schnittstelle zwischen betrieblichem Gesundheitsmanagement und Psychologie. Dann verbrachte ich drei Jahre in der Charité am Institut für Medizinische Psychologie, wo ich meinen Mitgründer Daniel kennenlernte und wir unter anderem zu Stress am Arbeitsplatz forschten. In diesem Rahmen haben wir viele Unternehmen kennengelernt und mitbekommen, dass viele ihre Mitarbeiter befragen. Aber die Schwierigkeit ist immer, von den Daten zu den Taten zu kommen. Einfach eine Befragung zu machen, war leicht, aber oft haperte es anschließend an der Umsetzung von Maßnahmen.

Also war DearEmployee eine Frustgründung?

Nicht aus der eigenen Frusterfahrung, sondern aus den Erlebnissen in den Unternehmen, mit denen wir zu Forschungszwecken zusammengearbeitet haben. Da haben wir den Need in der Praxis erkannt. Es entstand bei uns die Idee, eine Software zu entwickeln, die eine wirksamere Mitarbeiterbefragung ermöglicht, digital den Kunden an die Hand nimmt und ihn begleitet, von den Daten zu den Taten, alles in einer Software. Mitarbeiterbefragungen, Maßnahmen, Umsetzung, also Angebote von verschiedenen Partnern in einem inkludierten Marktplatz. Eine Hauptanwendung ist die Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastung.

Was bedeutet das konkret?

Arbeitsschutz und Prävention. Wir finden mittels unserer Befragungen heraus, wie es den Beschäftigten geht und was die Herausforderungen für die mentale Gesundheit sind. Generell nimmt die Arbeitsintensität und damit der Stress zu und viele berufliche Kontakte werden emotionaler. Was können wir tun, um eben diese Stressoren am Arbeitsplatz zu reduzieren? Wir verstehen das mittels unserer innovativen Surveys besser als es ein normaler Fragebogen kann, an dessen Ende eine Excel-Tabelle steht.

Und was folgen daraus für Empfehlungen?

Wenn die Arbeitsintensität reduziert werden muss, wäre die naheliegende Maßnahme, einfach mehr Personal einzustellen, was aus betriebswirtschaftlichen Gründen oft nicht geht. Unser Survey identifiziert aber vielleicht, dass in Wirklichkeit zu viele Arbeitsunterbrechungen der Grund des ­Pro­blems sind. Unsere Empfehlungen setzen dann ­konkret dort an.

Ein Krankenhaus wird andere Fragestellungen haben als eine Spedition.

Wir haben einerseits unsere eigens entwickelten und wissenschaftlich von der Freien Universität Berlin validierten, standardisierten Fragen, auf die man in einer Zehnerskala antworten kann. Im nächsten Schritt öffnet sich eine Feinanalyse. Beantwortet zum Beispiel jemand die Frage nach Teamkonflikten mit einem entsprechenden Wert, wird nachgefragt, welche das konkret sind. Das ist völlig individualisierbar.

Und daraus ergeben sich dann Maßnahmen­empfehlungen?

Genau. Wir verbinden das mit den Vorschlägen der Beschäftigten, erstmal recht breit, um den Raum der Möglichkeiten zu eröffnen. Aktuell finden wir heraus, wie wir das mit KI noch verbessern können.

Woher kamen die ersten Kunden? Uni-Projekte?

Ja, und schon vor der Gründung hatten wir das Glück, von der Dekra „entdeckt“ zu werden, die zur Beratung der eigenen Kunden eine Software brauchte. Das ist seitdem eine enge Partnerschaft und wir akquirieren immer mehr Dienstleister zum Beispiel für betriebliches Gesundheitsmanagement. Das sind wichtige Multiplikatoren.

 

Dear Employee

wurde 2017 in Berlin gegründet. Unter den über 400 Kunden finden sich namhafte Unternehmen wie Amazon, Axa, DEKRA, Storm, die DHBW und Zalando.

Sie haben eine Finanzierungsrunde hinter sich. Wofür wurde das Geld gebraucht und was sind die nächsten geplanten Schritte?

Wir hatten anfangs noch kein Entwicklerteam inhouse und mussten ein Produkt bauen, ohne das aus entsprechenden Umsätzen finanzieren zu können. Inzwischen ist das vorhanden. Wir sind — Stand heute – zwölf Leute im Team und haben schon über 500 Firmen betreut, von Amazon bis Zalando, viele Versicherungen und Dienstleister. Auch in der Schweiz haben wir Partner und Kunden. So wollen wir erst einmal aus eigener Kraft wachsen, aktuell sind wir nicht auf der Suche nach weiterer Finanzierung – aber das kann sich ändern, sage niemals nie! Jetzt steht die Expansion im europäischen Raum an und mittelfristig die in die USA.

Gibt es da nicht Sprachbarrieren?  

Nein. Unser Dashboard gibt es in drei Sprachen: Deutsch, Englisch und Französisch. Den Fragebogen gibt es in 18 Sprachen. Das liegt an der Belegschaft in den deutschen Unternehmen, deren Kulturen man berücksichtigen muss, wenn man ­ehrliche Antworten und gute Teilnahmequoten erreichen will.

Bucht man Ihre Beratung einmalig projektweise oder handelt es sich um ein Abo-Modell?

Wir bieten eine SaaS-Lösung, weil wir langfristig über mehrere Jahre betreuen wollen. Es dauert nun mal, von den Daten zu den Taten zu kommen und unsere Kunden wollen den Verlauf und Erfolg – oder eben Misserfolg – von Maßnahmen tracken.

Weil das Arbeitsschutzgesetz es verlangt?

Und aus unternehmerischem Eigeninteresse. Es herrscht Fachkräftemangel und wer seiner Belegschaft nicht zuhört, hat auf dem Arbeitsmarkt messbare Nachteile.

Von wie vielen Angestellten an ist der Einsatz Ihres Produkts ehrlicherweise sinnvoll?

Ein Fragebogentool zu verwenden, macht ab etwa 20 Personen schon Sinn. Wir selbst nutzen es auch, sogar quartalsweise, um zu gucken, wie es dem Team grade geht. Das ginge für unser kleines Team zur Not auch mit einem Workshop, aber wir haben Organisationen mit 10.000 Beschäftigten als Kunden, in denen das gar kein sinnvoll gangbarer Weg wäre.

 

Vielen Dank für das Gespräch.

Das Interview führte David Harnasch

 

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