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Geld & Vorsorge > VW-Krise und Neuausrichtung

VW erwägt Rüstungsproduktion: Strategiewechsel in der Krise?

Europas größter Autobauer erwägt angesichts von Gewinneinbruch und Stellenabbau die Produktion von Militärfahrzeugen als mögliche Zukunftsstrategie.

Der Volkswagen-Konzern durchlebt aktuell eine tiefgreifende Krise. Mit einem Gewinneinbruch von 30,6 Prozent und dem geplanten Abbau von 35.000 Stellen bis 2035 steht Europas größter Autobauer vor massiven Herausforderungen. In dieser Situation prüft VW nun unerwartete Wege aus der Krise - darunter einen möglichen Einstieg in die Rüstungsindustrie.

VWs wirtschaftliche Schieflage

Die aktuellen Zahlen von Volkswagen zeichnen ein düsteres Bild: Der Konzerngewinn sank im vergangenen Jahr um fast 31 Prozent auf 12,4 Milliarden Euro. Besonders der chinesische Markt, einst Gewinnbringer für VW, schwächelt. Auch die Umsatzrendite fiel von 7,0 auf 5,9 Prozent. Als Reaktion kürzt VW die Dividende für Vorzugsaktien um 30 Prozent auf 6,36 Euro. Diese Entwicklung zwingt den Konzern zu drastischen Sparmaßnahmen: Bis 2030 sollen in Deutschland 35.000 Arbeitsplätze abgebaut werden - das entspricht etwa jeder vierten Stelle.

Unsichere Zukunft für VW-Standorte

Besonders betroffen von der Krise sind die VW-Werke in Osnabrück und Dresden. In Dresden soll ab 2026 die Autoproduktion in der Gläsernen Manufaktur eingestellt werden. Für Osnabrück läuft 2027 die Produktion des T-Roc aus, ohne dass bisher ein Nachfolgemodell feststeht. VW-Chef Oliver Blume betont, man prüfe verschiedene Optionen für diese Standorte: "Wir haben einen großen Lösungsraum." Dabei schließt er auch unkonventionelle Wege nicht aus.

Rüstungsproduktion als mögliche Zukunftsstrategie

Eine dieser unkonventionellen Optionen könnte der Einstieg in die Rüstungsindustrie sein. Blume zeigt sich offen für Gespräche zur Militärproduktion: "Wir schauen uns sehr gezielt an, was dort an Notwendigkeiten ist, wenn es dann beispielsweise auch um Militärfahrzeuge gehen sollte." Konkrete Verhandlungen gibt es zwar noch nicht, doch VW prüft diese Möglichkeit ernsthaft. Der Konzern könnte dabei auf bestehende Verbindungen zurückgreifen: Die VW-Tochter MAN kooperiert bereits mit dem Rüstungskonzern Rheinmetall bei der Produktion von Militär-Lkw.

Herausforderungen bei der E-Mobilität

Parallel zur Krise steht VW vor der Herausforderung, die Transformation zur Elektromobilität zu bewältigen. Die Nachfrage nach E-Autos bleibt hinter den Erwartungen zurück, was den Konzern zusätzlich unter Druck setzt. Thorsten Gröger, Chef der IG Metall Niedersachsen, fordert klare politische Rahmenbedingungen: "Die Politik muss die Klarheit im Kurs ausstrahlen. Dann brauchen wir einen bezahlbaren Strompreis für Industrie, für Verbraucherinnen und Verbraucher und wir brauchen Kaufimpulse beim Thema Elektromobilität."

Strategische Neuausrichtung von VW

Die mögliche Ausweitung des Geschäftsfeldes in Richtung Rüstungsindustrie ist Teil einer umfassenden strategischen Neuausrichtung von Volkswagen. Der Konzern sucht nach Wegen, um die Überkapazitäten in der Produktion abzubauen und gleichzeitig neue Geschäftsfelder zu erschließen. Dabei spielt auch die geopolitische Lage eine Rolle: Deutschland strebt nach mehr Unabhängigkeit in der Verteidigungsbeschaffung, was Chancen für heimische Produzenten eröffnet.

Volkswagen und die Rüstungsproduktion: Ein Blick in die Vergangenheit

Volkswagen wurde 1937 gegründet und erhielt seinen Namen um ein „Volksauto“ zu entwickeln, das einer breiten Bevölkerungsschicht ein erschwingliches Fahrzeug ermöglichen und die Massenmotorisierung in Deutschland vorantreiben sollte. 

Doch mit dem Ausbruch des Zweiten Weltkriegs wurde die zivile Produktion weitgehend eingestellt. Stattdessen baute VW während des Krieges Rüstungsgüter, insbesondere den "Kübelwagen" und den "Schwimmwagen", militärische Varianten des Käfers. Zudem wurden Teile für Flugzeuge und Panzer hergestellt. Dabei setzte das Unternehmen auch Zwangsarbeiter ein – ein dunkles Kapitel, das VW erst Jahrzehnte später offiziell aufarbeitete.

Nach dem Krieg kam es zur vollständigen Entmilitarisierung der deutschen Industrie. Volkswagen entwickelte sich zu einem Symbol des westdeutschen Wirtschaftswunders und war fortan fast ausschließlich auf zivile Fahrzeuge fokussiert. Das Unternehmen distanzierte sich von der Rüstungsproduktion – mit wenigen Ausnahmen, etwa in Form von Beteiligungen der Tochtergesellschaften wie MAN.

Volkswagen wäre nicht der erste Automobilhersteller, der (erneut) in die Rüstungsindustrie einsteigt. Historisch haben bereits zahlreiche große Automobilkonzerne wie Mercedes-Benz (ehemals Daimler-Benz), Ford, General Motors und Fiat militärische Produktionen übernommen. Dennoch stößt ein möglicher Einstieg von VW in diesen Sektor auf besondere Sensibilität – nicht zuletzt aufgrund der historischen Vergangenheit des Konzerns und der politischen Brisanz des Themas.

  • Reputation und ethische Fragen: Volkswagen hat in der Vergangenheit stark daran gearbeitet, sich von seiner NS-Vergangenheit und seiner Rolle als Rüstungsproduzent zu distanzieren. Eine Rückkehr zur Rüstungsproduktion könnte für das Unternehmen ein Reputationsrisiko bedeuten – insbesondere vor dem Hintergrund der gesellschaftlichen Erwartungen an nachhaltige und friedliche Industriezweige.
  • Spannungen mit dem Kerngeschäft: VW ist aktuell stark mit der Transformation zur Elektromobilität beschäftigt. Die gleichzeitige Ausweitung auf ein neues, vollkommen anderes Geschäftsfeld könnte die strategische Ausrichtung des Unternehmens verwässern.
  • Abhängigkeit von staatlichen Aufträgen: Während die Automobilindustrie traditionell stark vom freien Markt abhängig ist, basiert die Rüstungsindustrie stark auf staatlichen Investitionen. Eine Hinwendung zu Militärfahrzeugen würde VW in eine wirtschaftlich und politisch stark regulierte Branche bringen.

 

Zwischen Reputationsrisiken und strategischen Herausforderungen

  • Vergangene Schatten und ethische Fragen: Volkswagen hat in den vergangenen Jahrzehnten intensiv daran gearbeitet, sich von seiner NS-Vergangenheit und der einstigen Rolle als Rüstungsproduzent zu distanzieren. Eine erneute Beteiligung an der militärischen Fertigung könnte das mühsam aufgebaute Image gefährden – insbesondere angesichts gesellschaftlicher Erwartungen an nachhaltige und zivile Industriezweige.

  • Spannungen mit der Kernstrategie: Der Konzern befindet sich mitten in der Transformation zur Elektromobilität, einem zentralen Zukunftsprojekt. Die parallele Expansion in die Rüstungsindustrie könnte die strategische Fokussierung verwässern und interne Ressourcen binden.

  • Ein neues wirtschaftliches Umfeld:  Im Gegensatz zur marktorientierten Automobilbranche ist die Rüstungsindustrie stärker von staatlichen Investitionen und politischen Rahmenbedingungen geprägt. Eine stärkere Beteiligung an der Produktion von Militärfahrzeugen könnte für Volkswagen neue wirtschaftliche Chancen eröffnen, würde aber gleichzeitig eine Anpassung an spezifische regulatorische Anforderungen erfordern.

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