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Ratgeber für den Alltag > Vertrieb

Warum 95 % der Verkäufer scheitern – und wie Sie es besser machen! Patrick Utz im Interview

Die Kunden wollen nicht? Verkaufstrainer Patrick Utz über Extremsport und Anreize, zu viel Digitalgläubigkeit und das ideale Vorgehen für den erfolgreichen Vertrieb.

Patrick Utz
(Foto: Utz)

Meine vierjährige Tochter ist recht gewieft im Verkaufen oder darin, etwas haben zu wollen. Sie argumentiert wie ein Vertriebler. Steckt das in jedem Menschen? 

Patrick Utz: Wir alle wollen etwas und haben gelernt, dass es besser funktioniert, wenn wir es ein bisschen schlauer angehen, als Dinge nur plump zu fordern. 

In Filmen wie Wolf of Wallstreet sind große Feiern mit Menschen zu sehen, die anderen irgendwas aufschwatzen. Sieht so der Vertrieb aus?  

Patrick Utz: Nicht mehr. Früher gab man sich solchen Exzessen hin. Heute sieht man das selten. Bei einigen meiner Kunden klingelt die Glocke, wenn ein Abschluss gemacht wurde. Oder es wird abgeklatscht. Der Vertrieb ist allgemein transparenter und anständiger geworden. Und die Kunden sind besser informiert oder haben schon negative Erfahrungen gemacht. Was bedeutet, dass ich als Verkäufer einfach besser und nicht aggressiver oder lauter sein muss als der Wettbewerb.  

Welche Eigenschaften machen erfolgreiche ­Verkäufer aus? 

Patrick Utz: Es braucht immens viel Disziplin. Man muss immer dranbleiben. Sonst wird man kompromissbereit, rutscht ab und macht schlechte oder keine Geschäfte. Nach Rückschlägen ist die Eigenmotivation wichtig. Aber auch die Reflexion, um daraus zu lernen. Denn das Schöne am Verkauf ist die Transparenz in Form von Resultaten. Dann braucht es Interesse am Kunden und seinen Bedürfnissen. Und den ständigen Willen, besser zu werden. 

Was wird im Verkauf immer wieder falsch gemacht? 

Patrick Utz: Die zwei häufigsten Fehler lauten: Nicht mit Entscheidungsträgern sprechen und nicht persönlich verkaufen. Erstens: Eine Entscheidung benötigt ein Ja oder Nein. Wer also verkaufen will, sollte mit Entscheidungsträgern sprechen. Doch viele sprechen mit der Fachebene, die den Entscheidern nur zuträgt. Und zweitens: Verbindlichkeit und Vertrauen baue ich im persönlichen Dialog besser auf als digital. Oft führt die Kombination aus Fachebene und Mail zu einem degenerativen Prozess. Wir machen es so, weil es einfacher und effizienter erscheint, und wir gewöhnen uns dann an das, was wir bekommen. So offerieren Handwerker drei- bis viermal und gewinnen mit viel Aufwand und tieferen Preisen dann doch nur jedes fünfte Angebot. 

Aber man kann digital viel mehr Menschen in kurzer Zeit erreichen als persönlich oder per Telefon. 

Patrick Utz: Wenn ich das Resultat aus Erstkontakt und eingetragenem Termin in der Agenda betrachte, dann läuft es doch so: Bei einer digitalen Vorgehensweise ist der Anteil der Personen, die einen Termin machen, klein. Meist sprechen wir hier über drei bis fünf Prozent. Da bleibt viel Potenzial liegen. Wer das am Telefon gutmacht, bekommt bei 30 bis 50 Prozent der angesprochenen Personen einen ­Termin. Gerade im B2B ist das relevant, weil ich da in der Regel nicht endlos lange Kundenlisten habe.   

Wer weniger potenzielle Kunden anspricht, die dafür aber persönlich, muss sehr genau auswählen, oder? 

Patrick Utz: Verkäufer brauchen eine sehr klare Vorstellung darüber, mit wem sie Geschäfte machen wollen. Will ich jetzt dieses Unternehmen angehen, weil das für mich Prestige ist oder weil ich denke, dass es besonders viel Umsatzpotenzial hat? Ist es mit gesundem Menschenverstand betrachtet ein Unternehmen, das für mich richtig ist? Wenn Verkäufer Erfolg haben, hat das nicht nur damit zu tun, dass sie fleißiger sind, bessere Gespräche führen und die Kunden mutiger führen. Sie verstehen ganz genau, mit wem sie Geschäfte machen können. 

Je größer die Unternehmen, desto schwieriger ist es, an die Entscheider heranzukommen. 

Patrick Utz: Ja, da gibt es deutlich mehr Hürden. Deshalb ist es sinnvoll, nicht die allergrößten anzugehen. Ganz spannend und übersichtlicher ist der Mittelstand. Der denkt langfristiger und entscheidet auch nicht nur nach dem Preis. Und ich komme einfacher an die Entscheider ran. 

Wie finde ich diese Unternehmen? 

Patrick Utz: Es gibt Tools, mit denen man inzwischen recht schnell die passenden Unternehmen findet, beispielsweise mit dem Salesnavigator von Linkedin. Diese Kontakte kann ich dann mit weiteren Tools mit Entscheidungsträgern und Rufnummern anreichern. Man muss nicht mehr, wie früher, durchs Branchenbuch blättern. 

Also nicht auf diesen einen Bigshot warten und viel Zeit investieren? 

Patrick Utz: Im Englischen gibt es den Ausdruck cherry on the cake und für mich sind die Großen die Kirsche. Der Hauptteil des Kuchens sollte aus meiner Kernzielgruppe bestehen, von der ich weiß, dass sie zu mir passt und die Entscheidungswege übersichtlich sind. Da geht es vorwärts – Stichwort Sales Cycle. Und wenn ich die Kirsche dann auch bekommen kann – gern.

Durch das Gespräch ist ein Termin zustande gekommen. Wie gehe ich aus den Gesprächen ideal raus und wie hake ich nach? 

Patrick Utz: Eigentlich muss ein Verkäufer gar nicht nachhaken und drängen. Ich stelle gezielt Fragen und erkenne oft, dass mein Gegenüber das Thema zum ersten Mal bewusst überdenkt. Die Herausforderungen waren vorher schon da, die Zeit zur Reflexion dafür fehlte aber im Tagesgeschäft. Dann zeige ich auf, wie die Lösung aussieht oder wie das Thema vertieft werden kann. Und so fixiere ich im ersten Gespräch Folgeschritte. Zu denen die Entscheider auch weitere Personen einladen. Das Nachhaken entfällt. 

Und wenn das Gegenüber den Nutzen nicht sieht? 

Patrick Utz: Dann muss ich verstehen, warum. Habe ich im Einstieg einen Fehler gemacht? Sind wir das Thema nicht richtig angegangen? Stimmt das Timing nicht? Es gibt aber auch Menschen, die einfach kein Interesse oder keinen Bedarf haben. Das muss ich erkennen, um weiteren Aufwand zu vermeiden. 

Nehmen wir an, das Gespräch lief gut, aber nach zwei Wochen hat sich noch niemand gemeldet. Was tun Sie dann? 

Patrick Utz: Ich erkläre Ihnen das an einem Beispiel, bei dem wir ein gutes Gespräch hatten und ich am Ende nicht aufgepasst habe. Mein Gegenüber, Herr Müller, hat die Kontrolle übernommen und gefragt, ob er meine Präsentation haben kann. Ich habe allen Mut zusammengenommen und gefragt, was er damit vorhat. Und er sagte: Wir haben drei Business-Units bei uns und denen möchte ich Ihr Konzept im nächsten Geschäftsleitungsmeeting vorstellen. 

Mit welchem Ergebnis? 

Patrick Utz: Ich konnte die Ideen dann selbst vorstellen und das Geschäft machen. Die Verantwortlichen waren skeptisch. Aber ich war dabei und wir haben das diskutiert. Ich bin bis heute überzeugt, das hätte Herr Müller nicht für mich tun können. Wäre ich nicht dabei gewesen, hätte er mich angerufen und gesagt: Wir sind uns nicht einig und nehmen es ins nächste Quartal. Ich melde mich dann wieder. Oder er hätte mich gar nicht angerufen. 

Was halten Sie davon, dass im Vertrieb stark nach Erfolg bezahlt wird? 

Patrick Utz: Ein Unternehmen, das neue Kundenkontakte generieren muss in einem Umfeld, wo die Hürden hoch und die Widerstände groß sind – da hilft Incentivierung. Die Frage ist, wie sie umgesetzt wird. Die gerechtesten Modelle sind nach oben offen. Sie stimulieren High Performer. Aber sie haben den Nachteil, dass einige Verkäufer träge werden, weil sie schon zu viel verdient haben. Es gibt also Schatten und Sonne. Wichtig ist, dass die Anreize an die richtigen Ziele gebunden sind. 

Welche Rolle spielt im Verkauf die Geschäfts­führung? 

Patrick Utz: Widerstände, die mir in der Arbeit mit Verkaufsteams begegnen, haben ihren Ursprung meist in der Führung. Bei High-Performance-Teams sehe ich, dass die Chefs mit dabei sind. Sie gehen voran, öffnen auch mal Türen, arbeiten aktiv mit dem Team und motivieren sie. Ein gutes Vorbild ist im Verkauf der Erfolgsgarant. 

 

Das Gespräch führte Thorsten Giersch.

DER TRAINER

Patrick Utz stammt aus einer Unternehmerfamilie. Der Schweizer kommt aus dem Marketing. Heute ist er Trainer und Bestsellerautor rund um Vertriebsthemen. 

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