Wirtschaftliche Nebenwirkungen: Wie die Abnehmspritzen Ozempic, Wegovy und Victoza ganze Branchen umkrempeln
Ozempic und Co. verändern nicht nur Körper, sondern ganze Wirtschaftszweige. Ein Blick auf die ökonomischen Begleiterscheinungen der sogenannten Wundermittel.

Die Abnehmspritzen Ozempic und Wegovy erobern nicht nur den US-Markt im Sturm. Doch während Millionen Menschen ihre Pfunde purzeln lassen, geraten ganze Wirtschaftszweige ins Wanken. Von der Modeindustrie bis zu Lebensmittelriesen – die ökonomischen Nebenwirkungen der Wundermittel sind weitreichend und oft überraschend.
Modebranche im Wandel: Vom XXL zum M
So erlebt etwa die Bekleidungsindustrie erlebt einen beispiellosen Umbruch. Edmond Moss, Vertriebschef von AllStar Logo, berichtet im "Wall Street Journal" von einem drastischen Rückgang der Nachfrage nach Übergrößen: "Wir haben immer viele Fleecejacken in XXL-Größen verkauft. Jetzt ist alles ungefähr eine Größe runtergegangen." Die Zahlen sprechen für sich: Der Verkauf der drei größten Größen bei Damenblusen sank in den ersten drei Monaten dieses Jahres um fast elf Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum, während die Nachfrage nach den kleinsten Größen um zwölf Prozent stieg.
Jahrelang hatten Unternehmen ihre Kollektionen auf immer größere Größen ausgeweitet. Nun müssen sie in Windeseile umdenken und ihre Produktionslinien anpassen. Auch Jennifer Hyman, CEO der Kleidermietplattform Rent-the-Runway, bestätigt: Seit der Gründung vor 15 Jahren hatte sie noch nie so viele Kundinnen mit kleinen Größen wie heute.
Doch nicht nur die Größen ändern sich, auch der Stil: "Wer sich in seiner Haut wohlfühlt, probiert gern einen gewagteren Look", so Hyman. Diese Entwicklung könnte innovative Designer und Marken begünstigen, die schnell auf den Trend reagieren.
Lebensmittelindustrie: Neue Produkte für neue Bedürfnisse
Auch die Lebensmittelbranche spürt die Auswirkungen der Abnehmspritzen. Walmart-CEO John Furner berichtet von einem leichten Rückgang des Gesamtumsatzes: "weniger Produkte und weniger Kalorien." Besonders Hersteller von kalorienreichen Snacks wie Chips und Schokoriegeln blicken mit Sorge in die Zukunft, da die Einnahme von Semaglutiden oft den Heißhunger auf solche Produkte reduziert.
Doch wo sich Türen schließen, öffnen sich neue: Der Lebensmittelriese Nestle reagiert proaktiv auf den Trend und entwickelt eine neue Produktlinie namens "Vital Pursuit". Diese Tiefkühlgerichte sind speziell auf die Bedürfnisse von Kunden zugeschnitten, die GLP-1-Medikamente zum Abnehmen einnehmen. Die eiweiß- und ballaststoffreichen Mahlzeiten sollen den oft durch Appetitlosigkeit verursachten Nährstoffmangel ausgleichen.
Diese Entwicklung könnte eine Blaupause für die gesamte Branche sein. Experten erwarten, dass andere Lebensmittelhersteller nachziehen werden, um den prognostizierten neun Prozent der US-Bevölkerung gerecht zu werden, die bis 2030 GLP-1-Medikamente einnehmen könnten.
Abnehmspritzen: Zwischen sozialer Kluft und Gesundheitsfortschritt
Die wirtschaftlichen Folgen von Abnehmspritzen betreffen nicht nur Unternehmen, sondern auch Verbraucher und das Gesundheitssystem erheblich. In den USA kosten diese Medikamente bis zu 1000 Dollar pro Monat, was sie für viele Menschen ohne Krankenversicherung unerschwinglich macht. Könnte dies zu neuen sozialen Ungleichheiten führen? In Großbritannien denkt die Regierung darüber nach, arbeitslosen Übergewichtigen Zugang zu solchen Mitteln zu gewähren, um ihre Rückkehr in den Jobmarkt zu fördern und das Gesundheitssystem zu entlasten.
Novo Nordisk: Europas wertvollstes Unternehmen
Hinter den innovativen Produkten Ozempic, Victoza und Wegovy steckt das dänische Pharmaunternehmen Novo Nordisk, das sich seit seiner Gründung 1923 auf die Behandlung chronischer Krankheiten spezialisiert hat und heute weltweit führend in der Therapie von Diabetes und Adipositas ist. Das Unternehmen bietet Lösungen zur Blutzuckerregulierung und Gewichtskontrolle an. Die hohe Nachfrage nach diesen Medikamenten hat zu einem signifikanten Umsatzwachstum geführt. Im zweiten Quartal 2024 verzeichnete Novo Nordisk ein Umsatzplus von 25 % und eine operative Gewinnsteigerung von 9 %.
Im Januar 2024 erreichte Novo Nordisk eine Marktkapitalisierung von etwa 474,6 Milliarden US-Dollar und wurde damit zum wertvollsten Unternehmen in Europa. Trotz dieses Erfolgs sieht sich Novo Nordisk mit Herausforderungen konfrontiert, darunter Probleme bei der Produktion und zunehmender Konkurrenz, insbesondere von Eli Lilly. Dennoch bleibt das Unternehmen ein wichtiger Akteur im globalen Gesundheitssektor und investiert kontinuierlich in Forschung und Entwicklung, um innovative Therapien auf den Markt zu bringen.
Insulinverknappung - die wirtschaftlichen Schattenseiten der Abnehmspritzen
Die Abnehmspritzen haben sich als Milliarden-Geschäft für die Pharmaindustrie erwiesen. Doch während Unternehmen wie Novo Nordisk Rekordgewinne erzielen, geraten Diabetiker zunehmend in eine schwierige Lage. Der Fokus auf profitablere Medikamente führt zu einem schleichenden Rückzug aus der Insulinproduktion – mit ernsten Folgen für Hunderttausende Patienten.
5 zentrale wirtschaftliche Probleme der Abnehmspritzen:
- Verdrängung lebenswichtiger Medikamente: Der immense Erfolg der Abnehmspritzen hat dazu geführt, dass Hersteller wie Novo Nordisk ihre Ressourcen auf die lukrativen Diätpräparate umlenken. Dadurch werden essenzielle Insulinpräparate wie Humaninsuline und Insulinanaloga zunehmend vom Markt genommen.
- Monopolisierung und steigende Abhängigkeit: Mit dem Rückzug von Novo Nordisk aus der Humaninsulin-Produktion bleibt nur noch der US-Pharmakonzern Eli Lilly als westlicher Anbieter übrig. Experten befürchten, dass auch dieser Konzern langfristig auf margenträchtigere Produkte umsteigen könnte. Was keine Marge bringt, wird nicht mehr produziert.
- Mögliche Insulinknappheit und Versorgungsengpässe: Während Eli Lilly beteuert, die Versorgung sicherstellen zu wollen, warnt das Unternehmen selbst vor möglichen Engpässen. „Wenn andere Hersteller ihr Angebot verringern oder bestimmte Insulinprodukte aus dem Verkehr ziehen, könnte dies zu Einschränkungen führen“, heißt es aus dem Konzern. Besonders für die rund 500.000 Diabetespatienten in Deutschland, die zwingend auf Insulin angewiesen sind, ist das ein ernstzunehmendes Risiko.
- Erhöhte Belastung für Patienten und Ärzte: Die schwindende Auswahl an Insulinpräparaten zwingt Ärzte dazu, Patienten auf alternative Medikamente umzustellen. Solche Umstellungen sind zeitaufwendig und für Patienten oft belastend. „Eine solche Umstellung sollte nicht ohne medizinische Notwendigkeit durchgeführt werden“, mahnt Andreas Fritsche, Präsident der Deutschen Diabetes Gesellschaft.
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Fehlende politische Gegenmaßnahmen: Obwohl das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) bereits an Lösungen arbeitet, gibt es bislang keine klaren Maßnahmen gegen die drohende Insulinverknappung. Der Einfluss der Pharmaindustrie auf politische Entscheidungen und die mangelnde Regulierung der Medikamentenproduktion zeigen eine besorgniserregende Entwicklung.
Langzeitfolgen für Wirtschaft und Gesellschaft
Die Abnehmspritzen Ozempic und Wegovy haben einen Stein ins Rollen gebracht, dessen Auswirkungen weit über individuelle Gewichtsreduktion hinausgehen. Sie verändern nicht nur Körper, sondern ganze Märkte und auf die Gesellschaft. Die langfristigen Auswirkungen der Abnehmspritzen noch nicht abzusehen. Einerseits könnten sie zu einer gesünderen, produktiveren Bevölkerung führen und die Gesundheitskosten senken. Andererseits warnen Experten vor möglichen Nebenwirkungen und unklaren Langzeitfolgen der Medikamente.
Für Unternehmen bedeutet der Trend eine kontinuierliche Herausforderung zur Anpassung. Von der Textilindustrie über die Lebensmittelbranche bis hin zu Fitnessstudios und Diätanbietern – alle müssen ihre Geschäftsmodelle überdenken und innovativ auf die veränderten Bedürfnisse ihrer Kunden reagieren.
Zudem stellt sich die Frage, wie nachhaltig der Erfolg der Abnehmspritzen sein wird. Studien zeigen, dass viele Patienten nach dem Absetzen der Medikamente wieder an Gewicht zunehmen. Dies könnte zu einem Jo-Jo-Effekt führen, nicht nur für die Betroffenen, sondern auch für die Wirtschaftszweige, die von ihnen abhängen.
Wirkstoff Semaglutid: Wir wirkt die Abnehmspritze?
Die Abnehmspritzen verspricht Gewichtsverluste von bis zu 15 % des Ausgangskörpergewichts über einen Zeitraum von etwa 20 Wochen. Der Wirkstoff Semaglutid ist ursprünglich zur Behandlung von Diabetes Typ 2 entwickelt worden. Doch seit bekannt wurde, dass sie auch effektiv beim Abnehmen helfen, sind sie zum Lifestyle-Trend geworden. Der weltweite Hype führt zu Engpässen.
Wie funktioniert die Abnehmspritze?
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Semaglutid gehört zur Gruppe der GLP-1-Rezeptoragonisten und ahmt ein körpereigenes Hormon nach, das für das Sättigungsgefühl zuständig ist. Es wirkt auf drei Ebenen: Es senkt den Blutzuckerspiegel, verlangsamt die Magenentleerung und reduziert den Appetit. Der Körper signalisiert schneller Sättigung, wodurch weniger gegessen wird. Durch die verlangsamte Magenentleerung hält das Sättigungsgefühl länger anhält und die in der Nahrung enthaltenen Nährstoffe gelangen verzögert ins Blut. Das ist besonders wichtig bei Lebensmitteln mit hohem Zucker- oder Traubenzuckergehalt, denn normalerweise steigt der Blutzuckerspiegel nach dem Verzehr dieser Lebensmittel schnell an, was uns einen kurzen Energieschub gibt. Insgesamt können Nutzer im Durchschnitt 15 % ihres Körpergewichts verlieren.
Neue Wirkstoffe in der Entwicklung
- Während Semaglutid bereits große Erfolge in der Adipositas-Therapie zeigt, entwickeln Pharmaunternehmen noch stärkere Präparate. Der Wirkstoff Tirzepatid (Mounjaro) kombiniert zwei Mechanismen und sorgt für eine noch größere Gewichtsreduktion von bis zu 25 %. Zukünftige Medikamente könnten die Wirksamkeit weiter steigern und möglicherweise sogar die Notwendigkeit von Magen-OPs reduzieren.
Muss die Spritze dauerhaft genommen werden?
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Ja. Studien zeigen, dass das Gewicht oft schnell wieder ansteigt, sobald die Therapie abgesetzt wird. Deshalb ist eine begleitende Ernährungsumstellung und Verhaltenstherapie entscheidend, um langfristige Erfolge zu erzielen.
Welche Nebenwirkungen hat die Abnehmspritze?
Neben der gewünschten Gewichtsabnahme können auch starke Nebenwirkungen auftreten, darunter Übelkeit, Erbrechen, Verstopfung, Durchfall und Kopfschmerzen. In seltenen Fällen kann es sogar zu Bauchspeicheldrüsenentzündungen oder Gallensteinen kommen. Daher sollte das Medikament unbedingt unter ärztlicher Aufsicht eingenommen werden.
Wie teuer sind Abnehmspritzen?
Eine einzelne Injktion der Abnehmspritze kostet - je nach Hersteller - zwischen 75 und 100 Euro. Eine einzige Spirzue wirkt jedoch nur rund eine Woche lang. Wer den Gewichtsverlust halten und fortführen will, muss also das Präparat länger einnehmen. So entstehen monatliche Kosten zwischen 300 und 400 Euro.
Für eine Gewichtsreduktion von zehn Kilogramm enstehen etwa folgende Ausgaben:
- 500 Euro für die Erstberatung, Blutuntersuchungen sowie Folgetermine beim Arzt
- 1000 - 1500 Euro für die Spritzen
Ozempic und Wegovy gehören als Abnehmspritzen nicht zum Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen. Die Kosten zwischen 300 und 400 Euro für eine Monatsration müssen Versicherte selbst zahlen.
Zulassung der Abnehmspritzen: Verschreibungspflicht
Die Abnehmspritze ist nur für Menschen zugelassen mit krankhaftem Übergewicht (Adipositas, BMI über 30) oder Personen mit einem BMI über 27, die an Folgeerkrankungen wie Diabetes oder Bluthochdruck leiden, zugelassen.
Abnehmspritzen sind verschreibungspflichtig und nicht frei verkäuflich, da eine vorausgehende ärztliche Beratung notwendig ist, um Gegenanzeigen auszuschließen. Der Grund dafür ist, dass diese Medikamente Nebenwirkungen haben und Wechselwirkungen mit anderen Präparaten verursachen können.
Kann man Abnehmspirtzen rezeptfrei im Ausland erhalten?
- Für das europäsische Ausland gelten die gleichen Regeln, wie für Deutschland: In keinem Land der EU ist es möglich, ohne ärztliche Verordnung diese Medikamente zu kaufen. Auch in der Schweiz ist das Medikament ohne Rezept nicht erhältlich. Ohne Rezept dürfen weder stationäre Apotheken noch Online-Apotheken diese Medikamente abgeben. Wenn sie dies dennoch tun, verstoßen sie gegen das Arzneimittelgesetz. In diesem Fall drohen empfindliche Strafen.
Achtung: Keine Abnehmspritzen auf dem Schwarzmarkt erwerben
Um diese Kosten zu umgehen, verlagern viele Interessenten ihre Suche ins Internet und geraten dabei häufig auf zwielichtige Schwarzmarkt-Plattformen über diverse Foren. Das Problem: Aufgrund der immensen Nachfrage sind jetzt Fälschungen im Umlauf, die potenziell gefährliche Nebenwirkungen verursachen können.
bwk